Malerin Bo Starker:"Dem Auge nicht wehtun"

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Bo Starker, die an der Kunstakademie Dresden studiert hat, lebt und arbeitet in einem verzauberten 300 Jahre alten Haus bei Königsdorf. (Foto: Manfred Neubauer)

Bo Starker malt Porträts in gedeckten Farben und in der Absicht, nicht zu werten. Jetzt stellt sie im Stadtmuseum Bad Tölz aus.

Von Petra Schneider, Königsdorf

Wer die Künstlerin Bo Starker in ihrem Atelier besucht, könnte meinen, sich in die Zauberschule Hogwarts aus den Harry-Potter-Romanen verirrt zu haben: Ausgestopfte Eulen und Moorhühner, schwere Ölbilder aus dem 19. Jahrhundert, antike Möbel und ein selbst gebautes Puppenhaus, in dem "Mister Pity Bommes", die Kartoffel, und "Miss Muzel" die Spinne wohnen. Mit ihren beiden Kindern, Mops, Katze und drei Schafen lebt die 36-Jährige im ehemaligen Stall eines Bauernhauses aus dem Jahr 1711. "Und mit den Vögeln im Oberstübchen", sagt sie und lacht. Starker ist eine unersättlich Kreative, die alles, was ihr gefällt, verwahrt und verwandelt.

Sie liebt England, "alles Adlige" und Morbide, Märchen und Harry Potter. Und sie sammelt Gesichter. Zwischen den vielen wunderlich-wunderbaren Dingen stehen einige von Starkers Porträts, die im Tölzer Stadtmuseum unter dem Titel "Nachtgang durch ein tiefes Herz" zu sehen sein werden: "Jailhouse"-Chef Peter Frech mit der obligatorischen Mütze und dem prägnanten Bart, dunkel, der Blick nachdenklich. Oder Susanne Löffler, Inhaberin der Tölzer Buchhandlung Urban: Eine fragile Person mit stolzem Blick, das Gesicht von Falten und Linien durchzogen. Gesicht und Hände sind ausgearbeitet, die Stola ist nur skizziert, "sonst wäre es zu fertig", sagt Starker.

Eine ganze Kartei mit Fotos von Menschen hat Starker angelegt, die sie interessieren: Leute aus der Gegend, Freunde, Prominente. Abi Ofarim zum Beispiel, dessen Porträt bei der Vernissage zugunsten seines Seniorenprojekts "Kinder von gestern" versteigert wird. Wer in Bo Starkers Reich landet, ist gleich mittendrin: Noch ehe die Jacke ausgezogen ist, beginnt die quirlige Hausherrin schon mit dem Erzählen. Viel von ihrem Vater, mit dem sie als Kind an den Wochenenden an "geheimen Ausgrabungsstätten" kleine Edelsteine von August dem Starken geschürft habe. Starker ist in der Nähe von Dresden aufgewachsen und vor elf Jahren, der Liebe wegen, nach Bayern gezogen.

Vor sechs Jahren hat sie den alten Bauernhof in einem Weiler bei Königsdorf mit ihrem Ehemann gekauft. Sie ist eine überschäumende, attraktive Frau, deren Bilder vor Farben und Dynamik nur so strotzen müssten. Tatsächlich strahlen fast alle eine melancholische Ruhe aus. Die Farben ihrer in Öl gemalten Porträts, ihr bevorzugtes Motiv, sind gedeckt. Nur einzelne Lichtpunkte bringen die Bilder zum Leuchten. "Farben dürfen dem Auge nicht wehtun", findet sie. Erst aus der Distanz ergeben die einzelnen Elemente - Linien, Striche, kleine Flächen - ein Ganzes. Dann wirken die Bilder fast fotorealistisch, und die Menschen hinter den Portraits zeigen sich unmittelbar.

Das "Fraktale" ihrer Bilder ist ihre ganz eigene Handschrift. Ihre Porträts sollen nicht abbilden, sondern das Wesen einer Person erfassen. Starker zitiert ein Visionsbild Hildegards von Bingen, das ihr gut gefällt: "Die Seele und ihr Zelt". Jahre habe sie gebraucht, um vom exakten Abmalen, von der glatten Oberfläche wegzukommen. Ausschlaggebend war eine persönliche Krise: Als sie 21 Jahre war, starb ihr Vater, unerwartet, mit erst 55 Jahren. "Das hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen", sagt sie. Viel Zeit habe sie danach auf Friedhöfen verbracht, habe Friedhofsengel gemalt, Bäume, auf denen sich das Licht bricht. Das 2012 entstandene Porträt einer Freundin, "Mädchen mit den grünen Augen", nennt sie "mein Schlüsselwerk", weil sie sich von da an, mit neuem Stil, wieder dem Leben zugewandt habe.

Starker hat bei Roland Unger an der Kunstakademie in Dresden, studiert, der ihre künstlerische Entwicklung seit mehr als 20 Jahren begleite. Drei, vier Wochen braucht sie für ein Porträt, das sie nach einem Foto malt. Selten seien das Auftragsarbeiten. Ein Vorteil, denn die Bilder könnten auch mal "unbequem" sein. Trotzdem: "Ich möchte mit meinen Bildern nicht werten", sagt sie. "Keine Karikaturen und kein Kitsch."

Bo Starker: "Nachtgang durch ein tiefes Herz", Vernissage am Samstag, 16. April, 19 Uhr, Stadtmuseum Bad Tölz, Marktstraße 48; bis 30. April

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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