Süddeutsche Zeitung

Politik in Kochel am See:Ein "felsenfestes" Bekenntnis zum Abriss

In Gemeinderatssitzung in Kochel am See gehen der Bürgermeister und weite Teile des Gremiums mit SPD-Vertreter Klaus Barthel hart ins Gericht, der als einziger gegen den Abbruch des Verstärkeramts gestimmt hat.

Von Petra Schneider

Bis Ende März kommenden Jahres soll das Kochler Verstärkeramt komplett abgerissen sein, allenfalls verzögern können das höchsten noch die Fledermäuse. Eine breite, öffentliche Unterstützung für den Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes gab es in der Kochler Bürgerschaft ohnehin nicht; es waren einzelne Bürger und seit Kurzem auch die SPD, die sich an die Seite des Weilheimer Architekten und Denkmalschützers Heiko Folkerts gestellt haben. Dass auch der Gemeinderat nahezu geschlossen hinter den gemeindlichem Plänen steht, wurde am Dienstag erneut deutlich. Widerspruch kam nur von Klaus Barthel (SPD), der als Einziger gegen den Mitte September in nicht-öffentlicher Sitzung beschlossenen Abriss gestimmt hatte. Er musste sich am Dienstag heftige Kritik anhören.

Bürgermeister Thomas Holz (CSU) stellte ausführlich die Chronologie des seit 2013 geplanten Projekts dar. Auf mögliche Versäumnisse in Bezug auf eine artenschutzrechtliche Prüfung des Fledermausvorkommens im Dachboden des Verstärkeramts ging er nicht ein, eine Nachfrage der SZ beim Landratsamt läuft noch. "Die Gemeinde steht felsenfest hinter dem Projekt", sagte Holz. Vor allem vonseiten der CSU gab es Rückendeckung für den Bürgermeister. "75 Prozent der Kochler warten darauf, dass dieser Schandfleck endlich Platz macht für etwas, das die Gemeinde dringend braucht", sagte Mathias Graf (CSU). Man dürfe sich nicht vom "Gedrohe eines sich wichtig machenden Architekten" beeindrucken lassen. Max Leutenbauer (CSU) kritisierte, dass die Causa Verstärkeramt als "politische Bühne" genutzt werde. Er forderte "mehr Engagement und weniger Blockade." Johann Resenberger (CSU) warf Barthel vor, die "völlig haltlose Behauptung" in den Raum zu stellen, dass die Gemeinde hoch verschuldet sei. Markus Greiner (Junge Liste) unterstellte dem langjährigen Bundestagsabgeordneten Barthel mangelndes Demokratieverständnis. "Auch wenn es Ihnen nicht in den Kram passt, müssen Sie Mehrheitsbeschlüsse akzeptieren." Man habe die Chance genutzt, den Ort weiterzuentwickeln, sagte Eduard Pfleger (Junge Liste). Wenn die Gemeinde das Verstärkeramt nicht gekauft hätte, dann hätte das womöglich ein "Grattler-Investor" wie beim Verdi-Areal gemacht, das vor fünf Jahren wohl als reines Spekulationsobjekt von einem Straubinger Unternehmen gekauft worden ist. Die Vorgänge rund um das Verstärkeramt seien "sehr, sehr unglücklich gelaufen", entgegnete Klaus Barthel. Darunter falle auch die Rolle des Landesamts für Denkmalpflege, das das Kochler Verstärkeramt erst sechs Wochen, nachdem der Bebauungsplan beschlossen war, als Denkmal eingestuft hatte. Er hätte es für sinnvoll gehalten, wenn die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt "vielleicht noch mal Luft" geholt hätte, sagte Barthel. Denn Wohnungen hätten sich seiner Ansicht nach auch im Verstärkeramt realisieren lassen, und Fördermittel wären ebenso möglich gewesen. Auch hätte man die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs abwarten sollen und das Gebäude nicht bereits vorher "irreparabel beschädigen" dürfen. Barthel verwies auf die Kosten des Millionenprojekts, "ich bin gespannt, wie wir das in den Haushalt einbringen können".

Bürgermeister Holz fand die Diskussionsbeiträge des SPD-Gemeinderats "beleidigend", zudem sei Barthel offenbar schlecht informiert, konterte der Rathauschef. Das Kochler Gremium habe nach der Bestätigung der Denkmaleigenschaft mehrfach und meist einstimmig beschlossen, an den Planungen festzuhalten. Man habe das Schreiben des Denkmalamts veröffentlicht und die Bürger um Stellungnahmen gebeten, eingegangen seien aber keine.

Dass das Projekt viel Geld koste, sei klar. Aber die Gemeinde Kochel am See könne mit Mitteln aus dem kommunalen Wohnraumförderprogramm rechnen, wonach 30 Prozent der Kosten für den Wohnungsbau komplett gefördert und 60 Prozent als zinsloses Darlehen gewährt werden. "Ich verstehe nicht, wie Sie gegen ein Projekt sein können, das der Daseinsvorsorge dient", sagte Holz.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2020
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