Süddeutsche Zeitung

Kochel:Hitler-Zitat als Silvesterkracher

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Beim öffentlichen Fest des Sportvereins tönte "Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen" aus dem Lautsprecher.

Von Suse Bucher-Pinell

Mit einer öffentlichen Silvesterfeier, Musik und einem Feuerwerk begrüßte der Kocheler Sportverein mit rund 200 Bürgern das neue Jahr. Schlag zwölf glaubten aber einige, nicht recht zu hören. Laut und deutlich schallte ein Hitler-Zitat aus den Lautsprechern, das sich für Vereinsmitglied Norbert Warga so echt anhörte, dass er es für einen Originalton hält. "Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen", schepperte jener Satz zur Begrüßung des Jahres 2014 über den Sportplatz, der vor 75 Jahren den Überfall auf Polen und damit den Beginn des Zweiten Weltkriegs begleitete. "Das war schon heftig", sagte Warga noch immer geschockt am Donnerstag der SZ.

Dennoch ging er nach dem Feuerwerk nach Hause, beschwerte sich aber noch am Neujahrstag per E-Mail bei Vereinsvorstand Willibald Köhler und verlangte eine öffentliche Entschuldigung des Vereins. Köhler wollte sich lieber mit Warga treffen und sich "unterhalten", wie dieser sagt. Doch es platzt seitdem ein Termin nach dem anderen. Zuletzt schlug Köhler diesen Sonntag vor, obwohl er nach Wargas Aussagen gewusst habe, dass er, Warga, unterwegs sei. Wer für die "nationalsozialistische Geschmacklosigkeit und Entgleisung" (Warga) verantwortlich ist, scheint noch nicht ganz geklärt zu sein. Köhler will keinen Kommentar abgeben und Gespräche abwarten.

Nicht nur mit Warga, offenbar auch mit Beteiligten, die Zugang zur Lautsprecheranlage hatten. In einer E-Mail an Warga schreibt er aber, dass sich der Vorstand mit dem "Feuerwerker" aussprechen wolle. Köhler sagte der SZ, dass er selbst nicht der Initiator gewesen sei. Es sei jedoch sein Fehler gewesen, dass er sich "das vorher nicht angeschaut" habe. Zum Schluss des kurzen Telefonats distanzierte er sich "von allen kriegerischen Handlungen". Was zu Silvester in Kochel passiert ist, sei "nicht schön gewesen".

Warga indes verliert die Geduld. Er forderte Köhler am Donnerstag "letztmalig" auf, dass sich der Verein öffentlich distanziert. "Immerhin handelt es sich um eine strafbare Handlung", sagte er, die für Demokraten nicht akzeptabel sei. "Ich will hoffen, dass eine Entschuldigung für unseren demokratischen Sportverein keine unüberwindliche Hemmnis darstellt", schreibt er. Durch den Vorfall sei das Ansehen der Gemeinde und des Sportvereins geschädigt. Bürgermeister Thomas Holz (CSU) ist informiert, hat sich noch nicht geäußert. Am Donnerstag war er nicht zu erreichen.

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Quelle:
SZ vom 10.01.2014
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