Tourismus im Oberland:"Wir wollen niemanden vergraulen, sondern die Besucher lenken"

Tourismus im Oberland: Ein Traumziel für Erholungssuchende ist der Walchensee. Doch so ruhig wie hier ist es dort nicht immer.

Ein Traumziel für Erholungssuchende ist der Walchensee. Doch so ruhig wie hier ist es dort nicht immer.

(Foto: Manfred Neubauer)

Kochel am See zählt zu den populärsten Zielen im Oberland. Um den Ausflugsverkehr in den Griff zu bekommen, passt die Gemeinde nun die Parkgebühren und das Parkleitsystem an.

Von Petra Schneider

Die Polizei spricht von "chaotischen Verkehrssituationen", "massiven Problemen" und "Belastungen, die man so noch nicht kannte": Die Berge und Seen der Region sind beliebt bei Ausflüglern und Urlaubern, doch diese Liebe kann insbesondere an sonnigen Tagen, Wochenenden, Feiertagen und in den Ferien zu viel werden. Der touristischen Überlastung setzen die Beamten in diesem Jahr intensivere Verkehrsüberwachung entgegen. Und auch die Gemeinde Kochel am See - eine der populärsten Ziele im Oberland - reagiert.

Um den Ausflugsverkehr in dieser Region besser in den Griff zu bekommen, wurde im Jahr 2019 das "Walchenseekonzept" mit 14 Maßnahmen beschlossen. Dazu gehört die Einführung von Parkgebühren und ein Parkleitsystem. Über beide Themen wurden in der jüngsten Sitzung des Kochler Gemeinderats beraten und Anpassungen vorgenommen, die rückwirkend zum 1. April gelten: So soll es künftig an allen gemeindlichen Parkplätzen einen Stundentarif geben, der von einem auf zwei Euro erhöht wird. Das Tagesticket gilt neuerdings 24 Stunden lang und nicht mehr, wie bisher, nur von morgens bis abends eines Tages. Zudem wurde beschlossen, an fünf Parkplätzen Technik für eine Parkraumsensorik anzubringen, um Daten über die Auslastung in Echtzeit zu erfassen und diese dann für Apps wie den "Ausflugsticker" oder eine Beschilderung zur Verfügung stellen zu können.

Tourismus im Oberland: Ein Parkautomat am Kochelsee

Ein Parkautomat am Kochelsee

(Foto: Claudia Koestler)

Mitte Oktober vorigen Jahres wurden im Gemeindegebiet Parkscheinautomaten aufgestellt. 22 745 Aktionen seien in zweieinhalb Monaten vorgenommen worden, erklärte Bürgermeister Thomas Holz (CSU). 689 Mal sei der Tageskurbeitrag separat von Tagesausflüglern bezahlt worden. "Ein erstaunlich hohe Zahl, gemessen an den ersten Schätzungen", wie Holz sagte. Die Erfahrungen der ersten Wochen sowie Rückmeldungen von Bürgerinnen und Bürgern habe man geprüft und entsprechende Änderungen vorgenommen, die auch der Gemeinderat einstimmig billigte.

Demnach soll es an allen Parkautomaten künftig einen Stundentarif geben, der allerdings statt einem Euro nun zwei kosten soll. Der Tageskurbeitrag wird bei den Stundentickets nicht fällig. Gestrichen wurde die freie halbe Stunde, weil der ursprüngliche Zweck nicht erfüllt worden sei. Einzige Ausnahme ist der Parkplatz an der Bahnhofstraße/Friedzaunweg. Hier kann man weiterhin zwei Stunden kostenlos parken, um Einkäufe oder Besorgungen im Ort zu erledigen. Wer länger als drei Stunden parken will, zieht ein Tagesticket, das nach wie vor sechs Euro kostet. Dieses gilt künftig für volle 24 Stunden. Damit habe man auf zahlreiche Hinweise von Hüttenübernachtern reagiert, sagte Holz. Das Tagesticket gelte allerdings nur im Einklang mit der Straßenverkehrsordnung; wo ein Nachtparkverbot herrsche, könne dieses natürlich nicht mit einem 24-Stunden-Ticket ausgehebelt werden.

Tourismus im Oberland: Alles voll am Kesselberg, der zum Walchensee führt, an den ersten warmen Wochenenden nach dem Winter.

Alles voll am Kesselberg, der zum Walchensee führt, an den ersten warmen Wochenenden nach dem Winter.

(Foto: Claudia Koestler)

Um eine effektive Besucherlenkung zu erreichen und Ausflügler von Fahrten in bereits überlastete Regionen abzuhalten, sollen entsprechende Daten in einer App oder mittels Schildern etwa an Autobahnausfahrten in Echtzeit über die jeweilige Situation informieren. Dafür muss eine Parkraumsensorik installiert werden, die der Freistaat mit bis zu 75 Prozent fördert. Weil die Kosten aber dennoch hoch seien, könne man nicht alle 24 Parkplätze im Gemeindegebiet mit einer Sensorik ausstatten, sagte Holz. Man beschränke sich deshalb auf fünf, die das Geschehen für die gesamte Walchenseeregion repräsentativ abbildeten: Der Parkplatz in Einsiedl, an der Surferwiese, bei der Herzogstandbahn, am Kesselberg Passhöhe Süd sowie Nord.

Die Gesamtkosten liegen bei knapp 68 000 Euro, bei voller Förderung übernimmt der Freistaat knapp 49 000 Euro, sodass für die Gemeinde rund 19 000 Euro verbleiben. Den Eigenanteil übernimmt die Gemeinde auch für den Parkplatz an der Surferwiese, der eigentlich privat betrieben wird. Die erfassten Daten sollten nach Ansicht von Reinhard Dollrieß (FW) nicht nur für eine Ausflugs-App, sondern zusätzlich für Hinweisschilder an der Autobahn genutzt werden. Die Frage sei freilich, wo man solche Tafeln installiere, sagte Holz: "An der Autobahnabfahrt, am Ortseingang oder gleich am Luise-Kiesselbach-Platz?" Das Ziel sei, dass die Leute sich informieren könnten, noch ehe sie sich auf den Weg zu einem Ausflugsziel machten. Dazu seien Echtzeitangaben oder Prognosen nötig, bei denen auch Wettervorhersagen berücksichtigten werden müssten. Holz stellte klar: "Wir wollen niemanden vergraulen, sondern die Besucher lenken."

Klaus Barthel (SPD) bezweifelte, dass eine App die Menschen erreiche, "die schon unterwegs sind." Auf seine Nachfrage, ob nicht die Auslastung an den Parkautomaten abgelesen werden und man sich so die Parkraumsensorik sparen könne, verneinte Holz. "Diese Technik sammelt Daten, das können Parkautomaten nicht." Mit einer Gegenstimme von Barthel votierte der Gemeinderat für die Anschaffung.

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