Kochel am SeeNeubau statt Sanierung

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Die Gemeinde will wirtschaftlichere Wohnungen schaffen, Bürger stemmen sich gegen Abriss

Von Petra Schneider, Kochel am See

Ende März hat der Kochler Gemeinderat einstimmig den Abriss des ehemaligen Verstärkeramts an der Kochler Bahnhofstraße gebilligt. In einem Neubau sollen 16 bezahlbare Mietwohnungen sowie der gemeindliche Bauhof untergebracht werden. Gegen die Abrisspläne regt sich nun Widerstand: Eine Benediktbeurer Bürgerin hat einen Antrag zum Erhalt des Gebäudes aus dem Jahr 1927 beim Landesamt für Denkmalpflege eingereicht. Um dem Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen, hat sich der Weilheimer Architekt Heiko Folkerts mit einer Petition angeschlossen, die er Ende Juni an den Landtag verschickt hat. Der Antrag werde von führenden europäischen Architektur- und Kunsthistorikern unterstützt, darunter auch vom langjährigen Leiter des Freilichtmuseums Glentleiten, Helmut Keim.

Das Verstärkeramt in Kochel sei ein "sehr gut erhaltenes Beispiel der bedeutenden Münchner Postbauschule", sagt Folkerts, der beim "Denkmalnetz Bayern" aktiv ist. Fachlich gebe es keinerlei Zweifel, "und für Kochel wäre das ein Aushängeschild". Der Architekt ist überzeugt, dass eine denkmalgerechte Sanierung zu überschaubaren Kosten möglich sei. So ließen sich seiner Ansicht nach die Wohnungen im Nordflügel "hervorragend mit geringem Aufwand" renovieren und mit Bädern erweitern. "Die Leute rennen einem die Bude ein, um in so einem Haus wohnen zu können", sagt er. Das sieht Bürgermeister Thomas Holz (CSU) jedoch anders: Überlegungen, das Gebäude stehen zu lassen und umzubauen, habe es gegeben, "aber das lässt sich nicht wirtschaftlich darstellen". Kochel wolle mit dem Projekt in den kommunalen Wohnungsbau einsteigen, das müsse auch für die Gemeinde bezahlbar sein. Die vom Gemeinderat gebilligten Pläne sehen vor, dass das gelbe Verstärkeramt abgerissen und auf dem 5000 Quadratmeter großen Areal neu gebaut wird. Im Erdgeschoss soll der Bauhof untergebracht werden, in den oberen drei Etagen 16 barrierefreie Wohnungen, die die Gemeinde kostengünstig vermieten will. Auch eine Obdachlosenunterkunft ist geplant sowie ein Jugend- und ein Vereinsraum. In einem Nebengebäude sollen eine Etage aufgestockt werden und weitere fünf Wohnungen entstehen. Doch die Pläne wären obsolet, wenn das Verstärkeramt als Baudenkmal eingestuft würde. Bürgermeister Holz ist von entsprechenden Bemühungen überrascht. Zwar sei ihm bekannt, dass das Landesamt für Denkmalpflege derzeit Untersuchungen anstelle, von einer Petition aber habe er bis dato nichts gewusst. "Mit uns hat niemand Kontakt aufgenommen", sagt Holz hörbar verärgert. Kommentieren wolle er das nicht, "das spricht für sich". Das Verstärkeramt sei nicht in der Denkmalliste für Kochel aufgeführt, das habe man im Vorfeld der Planungen geprüft. Verwaltungstechnisch ist das Projekt auf dem Weg: Seit drei Jahren liege ein genehmigter Vorbescheid des Kreisbauamts für einen Teilabbruch des Gebäudes vor, sagt Holz. Die Regierung von Oberbayern habe den vorzeitigen Maßnahmenbeginn bewilligt, damit sei ein 30-prozentiger Zuschuss aus dem Wohnraumförderprogramm wahrscheinlich. Das Bebauungsplanverfahren läuft, eine Million Euro sind heuer in den Haushalt eingestellt. Was den Umgang mit Baudenkmälern angehe, sei man in Kochel durchaus verantwortungsbewusst, sagt Holz und verweist auf das ehemalige Schusterhaus: Die Gemeinde hat das Gebäude aus dem Jahr 1581 vor vier Jahren gekauft und dem Verein für Heimatgeschichte zur Verfügung gestellt, der dort eine Kulturwerkstatt einrichten will. Für die Sanierung stellt die Gemeinde gut 200 000 Euro zur Verfügung.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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