Kochel am See/München:Kaffeefahrt endet im Gefängnis

Bislang konnten Veranstaltern selten Straftaten nachgewiesen werden. Jetzt verhängt das Amtsgericht sogar Haftstrafen wegen Betrügereien.

Von Julia Schneidawind, Kochel am See/München

Kaffeefahrten für Senioren stehen in dem Ruf, Tummelplätze betrügerischer Gestalten zu sein. Ein Trio aus Norddeutschland wurde nun am Donnerstag vom Amtsgericht München zu Haftstrafen zwischen 14 und 18 Monaten verurteilt. Am dritten Verhandlungstag verschärfte die Staatsanwaltschaft die Anklage von "einfachem Betrug" auf "gewerbs- und bandenmäßigen Betrug".

Ein Polizeibeamter aus Tuttlingen machte als Zeuge eine Aussage, die bewies, dass die Angeklagten schon einmal eine betrügerische Verkaufsveranstaltung im Schwarzwald ausgerichtet hatten. Darin sahen Staatsanwalt und Richter neben den Tatbeständen "Strafbare Werbung" und "Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz" den Tatbestand des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs gegeben.

Zudem bestätigte der geladene Gutachter, was schon vermutet worden war: Die 2000 Euro teure Kristallmatte, die die Männer bei ihren Fahrten vertrieben hatten, ist von keinerlei medizinischem Nutzen. Das Trio hatte im Februar 2014 Senioren aus dem Raum München in die Kochler "Heimatbühne" zu einer Verkaufsveranstaltung gebracht. Es sollte Gewinne geben. Ein Ehepaar aus München ließ sich dazu überreden, zwei der völlig überteuerten und nutzlosen Mineralsteinmatten zu erwerben, die sich laut der Männer, die aus dem Raum Cloppenburg und Bremen stammen, durch ihre heilenden Wirkungen auszeichnen sollten.

4000 Euro sollten die Eheleute bezahlen - in bar. 4500 Euro sollten sie zurückbekommen, als Gegenleistung sollten sie bei einer weiteren Fahrt das Produkt bewerben. Doch nachdem er eine seltsame Quittung erhalten hatte, wurde der alte Herr, ein ehemaliger Polizist, misstrauisch und erstattete Anzeige. Die Sache landete beim Amtsgericht, auch wegen der Ermittlungen eines Kochler Polizeibeamten.

Einer der drei Angeklagten räumte seine Schuld ein und gab dem Ehepaar 2000 Euro zurück - der Richter berücksichtigte dies bei der Urteilsfindung ebenso wie die Tatsache, dass dieser Angeklagte im Vergleich zu seinen Kollegen nicht vorbestraft war. Der jüngste der Angeklagten (31) war bereits mehrmals inhaftiert - einmal wegen einer ähnlichen Tat. Auch der dritte Angeklagte saß bereits einmal wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis.

Einer der Verteidiger, der während des Prozesses durch eine Reihe spitzer Bemerkungen auf sich aufmerksam gemacht hatte, war nach der Aussage des Tuttlinger Polizisten deutlich zurückhaltender. Zuvor hatte er sich darüber amüsiert, wohl eine Reise nach Stendal buchen zu können, als er erfuhr, dass auch dort gegen seinen Mandanten ein Verfahren eingeleitet werde.

Der Richter verhängte Strafen von einem Jahr und zwei Monaten für den Geständigen, von einem Jahr und sechs Monaten für den 33-Jährigen sowie von einem Jahr und drei Monaten für den vorher nicht straffällig gewordenen Angeklagten. Eine Bewährungsstrafe sei nicht in Frage gekommen, weil die Angeklagten sich mit den alten Menschen besonders leichte Opfer ausgesucht haben, sagte der Richter.

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