Für einen bedeutenden Tourismus- und Museumsstandort wie Kochel sind die seit Langem leer stehenden Gebäude in der Ortsmitte keine angemessene Visitenkarte. Wo Leben sein sollte, herrscht Tristesse. Das könnte sich nun ändern, denn zuletzt ist Bewegung in die Sache gekommen: So sollen die Leerstände im Ortskern zu reinen Wohnhäusern umgebaut werden, weil sich für kleine Gewerbeeinheiten keine Mieter finden lassen.
Für die Attraktivität des Ortsbildes sind Sanierungen wichtig – auch wenn Wohnungen zur Belebung freilich weniger beitragen, als Läden oder Lokale, die Besucher anziehen. Bürgermeister Jens Müller (UWK) findet die Planungen dennoch gut. „Bevor ich Leerstand habe, dann lieber Wohnungen“, sagt er. Und zwar „für ganz normale Leute“. Denn die Blessingkurve an der Mittenwalder Straße, die durch den Ort führt, sei nicht gerade eine „Luxuslage“.
Großen Einfluss hat die Gemeinde ohnehin nicht, weil die zwei Gebäudekomplexe einer Projektentwicklungsgesellschaft gehören: Vor zwei Jahren hat die Kavun-Gruppe das sogenannte Brandmeier-Haus, in dem sich zuletzt der Obstladen „Tutti Frutti“ befand, gekauft, das kurz danach unter Denkmalschutz gestellt wurde. Der neue Eigentümer wollte in dem Haus mit dem Erker vollständig Wohnungen einrichten. Der Gemeinderat lehnte den Antrag im Februar 2023 ab, weil man die Geschäftsräume im Erdgeschoss erhalten wollte. Das Landratsamt als übergeordnete Behörde war anderer Ansicht und genehmigte den Bauantrag. Voraussichtlich im Herbst werde Kavun nun mit dem Komplettumbau zu sieben bis acht Wohnungen beginnen, sagt Müller.
Für den zweiten Leerstand im sogenannten „Konsum“ – einem Komplex mit zuletzt Schreibwarenladen und dem Eiscafé Tre Scalini – hat der Bürgermeister eine andere Idee: Er könnte sich vorstellen, dass die Gemeinde die beiden voll eingerichteten Café-Räume im Erdgeschoss mietet und dort, an zwei bis drei Tagen pro Woche, einen Treffpunkt für Jugendliche und Senioren schafft. Eigentümer des Gebäudes, das im Obergeschoss vermietet ist, ist ebenfalls die Kavun-Gruppe. Er habe vor einigen Tagen „vorgefühlt“, sagt Müller, aber bislang keine Antwort erhalten. Noch habe der Projektentwickler keine eigenen Planungen vorgelegt. Falls die Gemeinde die Erdgeschossräume pachten könnte, werde er die Idee im Gemeinderat vorstellen, kündigt Müller an.
Auch beim ehemaligen Allianz-Gebäude wenige Meter weiter südlich habe der Besitzer einen Komplettumbau zu Wohnungen beantragt – was der Gemeinderat aber aus demselben Grund wie beim Brandmeier-Haus abgelehnt habe. Das Landratsamt korrigierte auch diese Entscheidung. Müller, der damals selbst Mitglied des Gemeinderats war, ist inzwischen froh darüber. Der Umbau liege „in den letzten Zügen“, und das sanierte Haus sei für den Ortskern „ein absoluter Gewinn“. Es sei einfach schwer, Gewerbe anzusiedeln, sagt Müller. Denn die gesetzlichen Vorgaben, etwa in Bezug auf Toiletten oder Brandschutz, seien hoch und für kleine Betriebe kaum zu finanzieren. Und viele Kundinnen und Kunden kauften eben doch lieber bei großen Filialisten oder bei Amazon.
Müller ist froh, dass es in Kochel noch Familienbetriebe in der Ortsmitte gibt, die wegen der persönlicher Beratung bei der Kundschaft beliebt seien: Bäckerei, Metzgerei, Feinkost-Käseladen, ein Modegeschäft. Auch Cafés seien ausreichend vorhanden, findet Müller. „Lena’s Café im Schusterhaus“, Danner-Hof, das Café König in der Kalmbachstraße beim Rathaus, die Eisdiele Da Michele gegenüber dem Hotel Schmied von Kochel. Damit der Dorfkern attraktiver wird, habe man außerdem ein paar Parkplätze beim Schmied-von-Kochel-Denkmal mit Blumenkübeln verstellt. „Damit nicht der ganze Platz zugeparkt wird“, sagt Müller. Nicht alle fänden das gut, aber der zentrale Platz habe so gewonnen.
Dass sich im ebenfalls leer stehenden „Erika’s Café“ am Döllerfeldweg vorübergehend ein Kunstraum eingerichtet hat – die „Werkstatt für Transformationen“, die auch Impulsgeber für den Ort sein will – findet Müller gut. Kunst und Politik seien zwar „zwei paar Stiefel, sagt der Bürgermeister. „Aber Ideen gibt es nie genug.“