Süddeutsche Zeitung

Kochel am See:Barthel fordert Sozialticket

Weil der Südlandkreis vom RVO zum MVV wechselt, zieht der SPD-Gemeinderat seinen Antrag für kostenlose Busfahrten aber vorerst zurück.

Von Petra Schneider, Kochel am See

Wenn es nach Klaus Barthel (SPD) ginge, sollte es im Gemeindegebiet von Kochel ein "Senioren- und Sozialticket zur kostenlosen Nutzung der RVO-Busse" geben. Berechtigt sollten nach Ansicht Barthels Gemeindebürgerinnen und -bürger über 65 Jahre sein, Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, Schwerbehinderte und Empfänger von Grundsicherung. Bereits Mitte September hatte Barthel seinen Antrag eingereicht, am Dienstag wurde dieser im Gemeinderat diskutiert und am Ende zurückgezogen. Denn im Dezember 2023 wird auch der Südlandkreis in den MVV-Tarifverbund integriert. "Alles, was wir jetzt mit dem RVO verhandeln würden, gilt dann nicht mehr", erklärte Bürgermeister Thomas Holz (CSU). Er sagte jedoch zu, dass die Gemeinde mit dem MVV entsprechende Gespräche führen werde - woraufhin Barthel seinen Antrag zurückzog.

Nach dessen Vorstellungen sollte das Sozialticket für Senioren und Bedürftige bereits am 1. Januar 2023 gelten und zunächst für ein Jahr eingeführt werden. Die Kosten für die Gemeinde würden sich nach Ansicht Barthels auf 25 000 bis 30 000 Euro belaufen und sollten gedeckelt werden. Technisch sei das einfach umzusetzen: Berechtigte könnten eine elektronische Karte bei der Gemeinde beantragen, die von den Busfahrern eingelesen würde. Barthel verwies auf das Tegernseer Tal, wo sich fünf Kommunen zusammengeschlossen hätten und ein kostenloses Seniorenticket anbieten. Die Erfahrungen seien gut; in Bad Wiessee habe etwa die Hälfe der Berechtigten von dem Angebot Gebrauch gemacht. Der Landkreis Miesbach werde ebenfalls im kommenden Jahr in den MVV-Bereich integriert, habe aber trotzdem für die Übergangszeit das Seniorenticket eingeführt. Zwar sei der ÖPNV im Landkreis verbessert worden, lobte Barthel. Aber das Tarifsystem sei kompliziert und die Preise für viele kaum erschwinglich. "Wenn man von Kochel nach Bad Tölz fahren will, ist man im zweistelligen Bereich dabei", sagte Barthel. Im Unterschied zu den Urlaubsgästen, die Kurbeiträge entrichten und kostenlos mit den Bussen fahren könnten. Dass Einheimische den vollen Fahrpreis zahlen müssten, sei schwer zu vermitteln. Und habe außerdem zur Folge, dass sie die Busse kaum nutzten.

Bürgermeister Holz führte diverse Gegenargumente auf. Der Antrag habe "im Kern sicher was Gutes", erklärte er. "Aber er kommt zum falschen Zeitpunkt". Denn alles, was man jetzt mit dem RVO bespreche, sei ab Dezember 2023 hinfällig. Dennoch sei man tätig geworden: Insgesamt 1665 Personen wären nach Recherchen der Verwaltung berechtigt. "Eine erhebliche Anzahl", sagte Holz, aber wie das finanziert werden sollte, sei im Antrag nicht erwähnt. Markus Greiner (Junge Liste) warf Barthel vor, er bewege sich in einer "sozialromantischen Blase". "Bei all Ihren Wünschen und Anträgen wäre es schon gut, wenn Sie vorher die Finanzierbarkeit prüfen." Wie Holz erklärte, gehe der RVO, mit dem er im Oktober über ein Seniorenticket gesprochen habe, von Kosten von rund 40 000 Euro für die Gemeinde aus. Eine Einführung wäre frühestens ab März 2023 möglich. Im kommenden Jahr werde aber ohnehin das 49-Euro-Ticket eingeführt, und das werde für viele "eine erhebliche Erleichterung bringen". Außerdem biete der MVV interessante Angebote wie das 365-Euro-Ticket für Auszubildende und Schüler. "Die sollten wir uns genauer anschauen."

Zu den kostenlosen ÖPNV-Fahrten für Urlaubsgäste erklärte der Bürgermeister: Diese würden voll über die Kurbeiträge finanziert, die Gäste zahlen müssten. Eine halbe Million Euro würde so jährlich in die Kasse gespült, für die Gästefreifahrten zahle die Gemeinde aber nur 70 000 Euro.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5722413
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/aip
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.