Mit seinen Erdgeschoss-Mauern aus dem 16. Jahrhundert zählt das Kochler Schusterhaus zu den ältesten Gebäuden der Kommune. Besonders ist das Haus, weil es jahrhundertelang weitgehend originalgetreu erhalten geblieben ist. Ende des 18. Jahrhunderts wurden das Obergeschoss und der Dachstuhl in Holzbauweise erneuert. Das war die größte Veränderung am Haus. Wer die frühere Schusterwerkstatt betritt, fühlt sich unter den bis zu mehr als hundert Jahre alten Geräten wie auf einer Zeitreise zurückversetzt.
Viele Generationen von Schustern - daher der Hausname - haben in dem Gebäude gearbeitet, das die Kommune 2014 gekauft und dem Verein für Heimatgeschichte im Zweiseenland Kochel bereitgestellt hat. Dessen Mitglieder haben Tausende Stunden damit verbracht, das Gebäude zur Kulturwerkstatt mit Besichtigungsmöglichkeit herzurichten. An diesem Freitag zeichnet der Bezirk Oberbayern dieses Engagement mit dem neu geschaffenen Oberbayerischen Denkmalpreis aus.
"Für uns bedeutet das sehr viel in mehrfacher Hinsicht", sagt Max Leutenbauer. Den Vorsitzenden des Vereins für Heimatgeschichte freut, dass damit öffentlich honoriert werde, wie viel die Mitglieder in den vergangenen fünf Jahren geleistet hätten - beginnend mit dem Um- und Ausräumen, Sichten und Dokumentieren des Inventars. Die Wertschätzung durch den Bezirk Oberbayern sei ein Zeichen gegen die teils verbreitete Meinung, dass so alte Gemäuer nicht erhaltenswert seien. Zudem komme das Preisgeld von 3000 Euro dem Heimatgeschichtsverein zugute, der sehr viel in das Schusterhaus investiert habe.
Noch bis vor elf Jahren war das Gebäude bewohnt. Bis zu seinem Tod lebte darin der Schuster Josef Schöffmann. Seine zwei Jahre zuvor gestorbene Schwester Anni half ihm beim Schuhverkauf. Beide waren kinderlos. Warmwasser gab es im Haus keines. Nur in der Küche stand ein alter Holzofen zum Einheizen. Vor den 1950er-Jahren mussten die Bewohner auf das Plumpsklo im Stall, ehe eine "Abortanlage" eingebaut wurde. In der Werkstatt stehen noch Gerätschaften aus der Periode um 1900 wie eine Singer-Nähmaschine oder eine Maschine zum Weichmachen von Leder.
Neuerdings ist eine zum Boden der Tenne heraufführende Treppe eingebaut worden. Damit wird ein Raum für Wechselausstellungen und Veranstaltungen erschlossen. Im früheren Stall ist ein kleiner Ausschank geplant. Dort sollen Besucher etwa in den Veröffentlichungen des Heimatgeschichtsvereins blättern können.
Mit dem Oberbayerischen Denkmalpreis will der Bezirk Oberbayern private und öffentliche Eigentümer würdigen, die ihre denkmalgeschützten Objekte vorbildlich saniert haben. Die Preisträger müssen innerhalb der vergangenen drei Jahre Geld aus dem Förderprogramm zur Denkmalpflege des Bezirks Oberbayern erhalten haben. Dafür gibt der Bezirk laut einer Pressemitteilung jährlich um die 2,5 Millionen Euro aus, für das Kochler Schusterhaus gab es etwa im Jahr 2018 eine Summe von 26 000 Euro.
Bewertungskriterien der Auszeichnung sind die fachliche Qualität, nachhaltige und ökologische Aspekte sowie der kulturelle Wert der Denkmäler für Oberbayern. Mitglieder des oberbayerischen Bezirkstags, Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler sowie je ein Vertreter des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege und des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege zählten zur Auswahljury.
Die Sanierungskosten für das Schusterhaus sind auf bislang um die 600 000 Euro geschätzt worden. 210 000 Euro übernahm die Kommune Kochel. Zahlreiche weitere Fördergelder flossen an das Projekt, von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, der Bayerischen Landesstiftung und Landesamt für Denkmalpflege. Die jetzige Auszeichnung sei für den Kochler Heimatgeschichtsverein ein weiterer Motivationsschub, sagt der Vorsitzende Leutenbauer.