Von der Sozialpädagogin zur Bäuerin:Mit Leidenschaft im Stall

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Früher sei sie ins Fitnessstudio gegangen, um den Kopf freizukriegen, sagt Katja Habermann. Als Landwirtin auf dem Klostergut Schlehdorf reicht ihr dafür die körperliche Arbeit im Stall und auf dem Feld. (Foto: Manfred Neubauer)

Katja Habermann leitet seit vergangenem Jahr die Landwirtschaft der Öko-Genossenschaft "Klostergut Schlehdorf". Sie hat viele neue Ideen, wie die Nachhaltigkeit und Pädagogik ausgebaut werden können - und ein besonderes Faible für große und kleine Tiere.

Von Alexandra Vecchiato, Schlehdorf

Wenn Katja Habermann über Kühe spricht, spürt man ihre Zuneigung zu den großen Tieren. Deren Augen hätten eine besondere Tiefe, sagt die 34-Jährige, die die Landwirtschaft der Öko-Genossenschaft "Klostergut Schlehdorf" leitet. Dabei sind die Arbeit auf dem Hof, das Bewirtschaften von Äckern und Feldern und die Produktion von Nahrungsmitteln ihr nicht in die Wiege gelegt worden. Katja Habermann ist Quereinsteigerin. Sie studierte Soziale Arbeit und sah ihre Zukunft zunächst an der Uni. Forschen als Laufbahn - "vielleicht bin ich auch dahin gepusht worden", erzählt sie.

Es sollte jedenfalls anders kommen, als Habermann ihren Master über soziale Arbeit in der Landwirtschaft machte. Hilfebedürftige Kinder auf dem Hof betreuen und nebenbei Heuballen wuchten, das veränderte ihre Sicht. "Da spürte ich, wie gut körperliche Arbeit tut, und welche Sinnhaftigkeit sie hat", sagt sie. Anfang 2020 kam Habermann nach Schlehdorf. Ein Glücksgriff für die 34-Jährige und das Klostergut. Dort hat sie mit ihrer Partnerin eine neue Heimat gefunden.

Sechs Kälbchen, eines niedlicher als das andere. Die Murnau-Werdenfelser-Herde soll nach und nach vergrößert werden. (Foto: Manfred Neubauer)

Insgesamt 19 Kühe, Kälbchen und Ochsen - sie heißen Leila, Luna, Samira, Lorenzo oder Seppi - lassen es sich im Stall am Karpfsee, der in Eigenleistung umgebaut wurde, gut gehen. Die Mutterkuh-Rinderherde soll weiter wachsen. Die sechs Murnau-Werdenfelser Kälbchen, die sich derzeit im Heu tummeln, sind allerdings alle männlich - leider. Wären es Mädels, dürften sie bleiben. Immerhin einige Jahre sind den Kälbern, später Ochsen, auf saftigen Wiesen vergönnt, dann werden sie geschlachtet. Auch ökologische Landwirtschaft ist nun einmal kein Ponyhof. Der Betrieb muss sich tragen. Ochse Ludwig zum Beispiel soll vor Ostern geschlachtet werden. Er werde aber nicht wie viele seiner Artgenossen in einem engen, stickigen Lastwagen viele Hundert Kilometer zum Schlachthaus transportiert. Sondern er dürfe bis zuletzt auf der Wiese bleiben und werde per Weidenschuss getötet - schnell und stressfrei. Das gehöre dazu, sagt Katja Habermann.

"Es hakt an der Zeit, immer"

Aufgewachsen ist die zierliche, blonde Frau in Bruchsal bei Karlsruhe. Zum Studium ging sie nach Frankfurt am Main. Nach dem Master entschloss sie sich, eine Ausbildung zur Landwirtin zu machen. Bald musste sie erkennen, dass die beiden Berufe Sozialpädagogin und Bäuerin in einer Person schwer zu vereinen sind. "Es hakt an der Zeit, immer", erzählt Katja Habermann. Zwei Jahre arbeitete sie auf dem Bioland-Betrieb Konradsdorf in Hessen. Dort wird auf rund 300 Hektar ökologischer Landbau betrieben. 170 Milchkühe hatte Habermann zu versorgen. Wie es bei Azubis nun mal so sei, habe die Arbeit im Stall dominiert. "Immer nur melken und füttern", beschreibt sie ihren Alltag damals. Vom Ackerbau habe sie so gut wie nichts mitbekommen, obschon ihr die Produktion von Nahrungsmitteln ein wichtiges Anliegen sei. "Das war nicht mein Leben", erzählt Habermann und schildert, dass auf dem Hof die Kälber von ihren Müttern getrennt wurden, wie es bei vielen landwirtschaftlichen Betrieben üblich ist. Die Kleinen isoliert in ihren Kunststoffboxen - "das wollte ich nicht machen".

Sie wechselte zur Lebensgemeinschaft Bingenheim, eine Einrichtung für Menschen mit und ohne Behinderung mit anthroposophischer Ausrichtung. Dort gibt es nicht nur Betreuungsangebote, es wird uch das produziert, was die Bewohner zum Leben brauchen. Aber auch dort fand Katja Habermann letztlich nicht, was sie suchte. Allein mit elf Menschen mit Hilfebedarf im Stall, wo 40 Kühe warten - "das war unheimlich anstrengend. Mein Tag begann um halb sechs morgens und endete um halb sechs abends". Auf Dauer habe sie beide Professionen eben nicht schaffen können, sagt die 34-Jährige.

2021 entdeckte sie die Stellenanzeige des Klosterguts Schlehdorf. Ihre Bewerbung war erfolgreich. Im Januar 2022 übernahm sie dann die Landwirtschaft der Öko-Genossenschaft. Dass Habermann eine pädagogische Ausbildung besitzt, sei entscheidend bei der Auswahl gewesen, sagt Manfred Gassner vom Vorstand der Genossenschaft. Und da wäre natürlich ihre Liebe zu Tieren. "Wie sie etwa mit den Kühen umgeht, ist schon toll", betont Gassner. "Ich habe eine Leidenschaft", sagt Habermann dazu.

Der Kuhstall am Karpfsee wurde umgebaut. Die Rinder haben dort viel Platz und können sich frei bewegen. (Foto: Manfred Neubauer)

Das pädagogische Programm rund um die Klostergut-Landwirtschaft will Habermann weiter ausbauen. "Wir sind noch dabei, ein Konzept zu erstellen", erzählt sie. Vorgenommen hat sich die Landwirtin, in diesem Jahr die Fruchtfolge auf den Ackerflächen zu verbessern. Luzerne und Kleegras sollen ausgebracht werden. An Ideen mangelt es Katja Habermann nicht. "Es ist schön zu sehen, dass es funktioniert und was wächst."

Die Gruppe der Murnau-Werdenfelser soll sich vergrößern: zum einen, um genügend Dünger für die eigenen Klostergut-Flächen zu erzeugen; zum anderen, um mehr Butter und Käse aus deren Milch vermarkten zu können. Und eben auch das Fleisch der Rinder. Habermanns Traum wäre es, auch noch zwei bis vier Muttersäue anzuschaffen. So könnte auch die Molke, die bei der Käseherstellung entsteht, als Futter verwertet werden - ganz im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit, der sich das Klostergut Schlehdorf verschrieben hat.

"Früher bin ich im Fitnessstudio gesessen", sagt Habermann. "Heute gehe ich raus aufs Feld oder in den Stall, um den Kopf freizukriegen." Und als ob ihr Job als verantwortliche Landwirtin nicht reichen würde, drückt sie auch wieder die Schulbank, in der Fachschule für Agrarwirtschaft in Weilheim. Dort will sie den Abschluss als Landwirtschaftsmeisterin machen, in der Fachrichtung ökologischer Landbau. Ein Wintersemester hat sie schon hinter sich. Im Sommer folgt ein Semester mit Blockunterricht, dann noch ein Winter in Vollzeit. "Das war jetzt schon anstrengend", gesteht sie: Nach dem Unterricht am späten Nachmittag auf dem Klostergut ankommen und noch die Tiere versorgen und andere Arbeiten erledigen. Aber für ihre Leidenschaft nimmt sie das in Kauf.

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