Süddeutsche Zeitung

Fridays for Future in Bad Tölz:Klimastreik statt Sprechstunde

Lesezeit: 2 min

Die Ärzte einer Tölzer Gemeinschaftspraxis legen freitags ihre Arbeit nieder, um sich als"Doctors for Future" den Schülerprotesten anzuschließen. "Die Politik braucht den Druck", sagt der Mediziner Ulrich Danninger

Von Silver Lucia Breitkopf, Bad Tölz

Ulrich Danninger ist Allgemeinmediziner in Bad Tölz - und ernsthaft besorgt: "Wenn wir die Welt nicht retten, dann haben wir bald ganz andere Probleme", sagt der 50-Jährige. Deswegen haben er und seine Kollegen von der Gemeinschaftspraxis Maurer und Danninger sich dazu entschlossen, die jugendlichen Demonstranten bei "Fridays for Future" in Bad Tölz zu unterstützen. Die Idee brachte im Mai sein Kollege Thomas Maurer ein, der bei den Grünen politisch aktiv ist. Seitdem versuchen die drei Ärzte - Danninger und das Ärzte-Ehepaar Alexandra und Thomas Maurer, ihre Termine so zu legen, dass sie freitags pünktlich um 11 Uhr mitsamt Transparent auf dem Rathausplatz stehen können.

Bei den Mitarbeitern sei das Vorhaben gut angekommen, erzählt Danninger. Die diensthabenden Sprechstundenhilfen seien gleich mit zu den Demos gegangen. Die Arbeit niederzulegen, um für die Umwelt demonstrieren können, das sei schon "ein Statement". Und genau darauf komme es ihm an. "Die Politik braucht den Druck, sodass sie endlich Entscheidungen trifft", sagt der Mediziner. Dieser Druck würde fehlen, wenn Schüler nicht in diesen kleinen Ungehorsam treten und die Schule schwänzen würden.

Früher sei immer geklagt worden, die Jugend sei nicht politisch interessiert, sagt er. Nun aber, da die jungen Leute aktiv würden, lege man ihnen Steine in den Weg. Das halte er für falsch. Die gleiche Wirkung könne er als Arzt nur erzielen, wenn die Praxis am Freitagvormittag geschlossen bleibe. So bekämen auch die Patienten zu spüren, dass sich er und seine Kollegen nicht nur für die Gesundheit des Menschen, sondern auch für die Gesundheit der Erde einsetzten.

Negative Reaktionen von Patienten habe es bisher nicht gegeben, sagt Danninger. Im Wartezimmer der Praxis lägen Werbeflyer für die Umweltbewegung aus. Immer wieder beobachte er, wie sich Patienten einen der Zettel mitnähmen, erzählt er. Im persönlichen Arztgespräch hätten allerdings weder er, noch Patienten das Umweltthema bisher angesprochen. Dafür sei der Rahmen auch nicht der richtige. Von Ärztekollegen wünsche er sich jedoch etwas mehr Resonanz. Immer wieder motiviere er andere Kollegen, seinem Vorbild zu folgen. Doch viele wollten ihre Praxen für diesen Zweck nicht schließen. Danninger kann das bis zu einem gewissen Grad verstehen: "Das bedeutet nicht, dass sie nicht an dem Thema interessiert sind. Viele können es einfach nicht organisieren, ihre Praxis freitags zu schließen."

"Fridays For Future, Doctors for Future, Everyone for Future!" steht auf einem der Plakate, das die Tölzer Ärzte bei den Demonstrationen mit sich tragen. Danninger, der vor kurzer Zeit von einem Benzin- auf ein Hybridauto umgestiegen ist, gibt zu, dass er sich mitverantwortlich für die Umweltschäden fühlt, mit denen die Weltbevölkerung nun zu kämpfen hat. Er nehme sowohl als Familienvater, der seinen Kindern eine bessere Zukunft bieten möchte, als auch als Arzt an den Demonstrationen teil.

Die Probleme, die durch die zunehmende Umweltverschmutzung entstehen, wirkten sich auch auf seine Patienten aus. Besonders ältere oder kranke Menschen hätten mit den extremen Temperaturen und der schlechten Luftqualität zu kämpfen, berichtet der Arzt. Die Klimakrise treffe zuerst die Verletzlichsten. Ohne Gesundheit der Erde könne es keine Gesundheit des Menschen geben. So steht es auf der Internetseite der Untergruppe "Health for future", die aus engagierten Ärzten besteht und sich mittlerweile bundesweit für eine bessere Klimapolitik einsetzt. Mit dieser Organisation sind die Ärzte der Tölzer Praxis bisher nicht vernetzt, sie organisieren sich selbst. So auch für den globalen Klimastreik am Freitag, 20. September, bei dem sie sich wieder der demonstrierenden Jugend in Bad Tölz anschließen werden.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2019
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