Süddeutsche Zeitung

Klimafrühling Oberland:Vom Energieverbrauch zur Nachhaltigkeit

Der Biologe Helmut Hermann beleuchtet mit Penzberger Schülern anhand eines Dorfmodells anschaulich die komplexe Thematik heutiger Stromgewinnung und Nutzung und gibt Tipps zur Ressourcenschonung

Von Sally-Victory Jüssen, Penzberg

Auf dem fünf Meter langen Tisch waren Bilder von Äckern, Rapsfeldern, Blumenwiesen und Mooren zu sehen. Darauf standen 20 Holzbauten, eine Kirche, eine Fabrik und Wohnhäuser. Das Modell auf dem Tisch sollte eine fiktive Stadt mit 800 000 Einwohnern darstellen, erklärte der Biologe Helmut Hermann vom Bund Naturschutz (BN). Im Rahmen des Klimafrühlings Oberland zeigte er den 30 Schülern der Regenwald AG der Penzberger Mittelschule und der Regenwald AG des Penzberger Gymnasiums am Mittwoch, wie der Energiebedarf um 80 Prozent gesenkt werden könnte, ohne einen Komfortverlust zu haben.

Um den Fünft- bis Siebtklässlern einen Überblick zu verschaffen, wie viel Energie benötigt wird, um diverse Geräte zu betreiben, brachte Hermann ein Ergometer mit, worauf eine Schülerin strampeln durfte. Bereits eine 60-Watt-Glühbirne zum Leuchten zu bringen, war mit großer Anstrengung für die Sechstklässlerin verbunden. Die Sechs-Watt-LED-Lampe brachte sie hingegen mühelos zum Strahlen. Der Biologe erklärte, dass zehn Menschen mit hoher Kraft strampeln müssten, um eine Kilowattstunde Energie zu erzeugen. Im Durchschnitt verbrauche man 180 Watt pro Tag. Wenn diese aus menschlicher Energie erzeugt würden, bräuchte jede Person zwölf Menschen, die Strom für sie produzierten, so Hermann.

Eine Möglichkeit, Strom einzusparen, sei, den Router über Nacht auszuschalten: dieser verbrauche bis zu acht Watt. Oder die 60-Watt-Glühbirnen durch Sechs-Watt-LEDs zu ersetzen. Auch seien Geräte, die älter als zehn Jahre sind, Stromfresser, und es lohne sich die Anschaffung eines neuen Gerätes. Je mehr Wärme ein Gerät erzeuge, desto mehr Energie benötige es, sagte Hermann. Und: Wärme sollte nie mit Strom erzeugt werden.

Die Platinen, die zu den Modellen der imaginären Siedlung gehörten, sollten den Kindern zeigen, wie viel beispielsweise eine Konsole oder ein Kühlschrank verbraucht. Nach und nach steckten die Schüler die Kabel in die Platinen. Auf die Wand war der Energieverbrauch der fiktiven Stadt in Kilowatt pro Stunde projiziert. Eine Schülerin schlüpfte in die Rolle der Energieversorgerin und notierte den Verbrauch und die Kosten, die dadurch entstehen. Im zweiten Abschnitt des Projekts erhielten die Schüler die Aufgabe, eine Gemeinderatssitzung nachzustellen. Dabei wurden unterschiedliche Rollen und Positionen verteilt. Beschlossen werden sollte, den CO₂-Ausstoß im fiktiven Dorf zu senken.

Ziel des Klimadorfprojekts war es, Kindern die Notwendigkeit des Energiesparens beizubringen. Zudem sollte die Begeisterung für Forschung und Technik gefördert werden. "Eure Aufgabe für die Zukunft ist es, intelligente Technik zu entwickeln", sagte Hermann. Bei den Schülern kam die Aktion gut an. Der elfjährige Anton sagte: "Ich will helfen, dass das Klima besser wird und der Wandel soll aufhören. Es ist faszinierend wie viel Strom verbraucht wird und wie viel Energie benötigt wird." Durch das Klimadorf habe er gelernt, wie die Menschheit Strom sparen könne, so der 13-jährige Nico: "Wir müssen den Erwachsenen klar machen, dass zu viel CO₂ in die Umwelt gelangt und dass wir irgendwann nicht mehr hier leben können", sagte er.

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Quelle:
SZ vom 29.03.2019
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