Kleines Glück, Folge 10:Das Miniatur-Idyll

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"Der Kiosk bin ich", sagt Annelie Gerken. Die 42-Jährige betreibt seit etwa sechs Jahren die "Seemadames" in Iffeldorf.Auf zwei Kochplatten zaubert sie frische Gerichte. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Auf dem großen Parkplatz an den Osterseen in Iffeldorf hat Annelie Gerken mit ihrem Kiosk "Seemadames" ein kleines Gesamtkunstwerk geschaffen. Die Gäste erwartet frische Küche mit regionalen Produkten in Bioqualität.

Von Alexandra Vecchiato, Iffeldorf

Die Osterseen - Naturschutzgebiet, Postkartenidylle und Besuchermagnet für Hunderte Badegäste an heißen Sommertagen. Natürlich kommt man gern im eigenen Auto. Der große Parkplatz unterhalb der Kirche Sankt Vitus ist für viele erste Station auf dem Weg in die verträumte Moorlandschaft. Dort macht das Idyll angesichts der tristen Blechansammlung eine Verschnaufpause. Wenn es da nicht einen kleinen Kiosk gäbe, eine Miniatur-Villa-Kunterbunt: die "Seemadames".

Ein Sammelsurium an bunten Stühlen und Tischen gruppiert sich um den Kiosk. Hier Blümchen in bunten Glasväschen, dort eine mit Kreide handgeschriebene Speisekarte. Die "Seemadames" einfach Kiosk zu nennen, trifft es nicht. Dieser Ort ist ein Gesamtkunstwerk, eine Open-Air-Bühne und an sich schon einen Ausflug nach Iffeldorf wert. Hinter dem Konzept steht Annelie Gerken. Wobei sie den Begriff "Konzept" vermutlich selbst nicht wählen würde. "Ich bin der Plan-B-Typ", sagt sie von sich selbst. Vieles entscheide sie aus dem Bauch heraus. "Unterm Strich geht es auf." Für sie soll der Kiosk ein Treffpunkt für Menschen sein, die sonst nichts miteinander zu tun hätten. Neben Badegästen machen Radfahrer, Reiter oder Wanderer Station. Manchmal kämen Gäste auch ganz gezielt nur zum Kiosk, erzählt die 42-Jährige. "Die bleiben hier hängen, vom Kaffee bis zum Abendessen."

Vor sechs Jahren hat sie sich entschieden, den damals seit Monaten leeren Kiosk am Parkplatz zu übernehmen. Annelie Gerken entdeckte den Aushang, dass der Kiosk zu verpachten sei, beim Joggen. Was Eigenes machen, das erschien ihr und ihrer Freundin Bea Glaß richtig. In der Gemeinde sei es positiv aufgenommen worden, dass sich "Leute aus dem Dorf" bewerben. Gastronomische Erfahrung hatten beide Frauen. Sie arbeiteten im Restaurant "Vitus" in Iffeldorf. Inzwischen betreibt Gerken den Kiosk allein, Bea Glaßl hat das "Vitus" übernommen.

Die Liebe zum Kochen überkam Annelie Gerken, die mittlerweile in Habach wohnt, schon als Mädchen. In ihrer Puppenküche habe sie Schokoladenfondue zubereitet. Im Jahr 1983, daran kann sich die 42-Jährige genau erinnern, im Alter von sechs Jahren habe sie zum ersten Mal die Zeitschrift Essen & Trinken angeschaut. "Das ist mir geblieben." Ihr gesamtes Studium ("Ich bin Grafikdesignerin mit Hang zur Kunst") habe sie in der Gastronomie gejobbt. Was ihr daran gefalle? "Das direkte Feedback. Wenn man sieht, wie Essen Leute zufrieden macht. Das ist ein gutes Gefühl." Dieses "Gefühl" kann da schon mal in einen Heiratsantrag münden. "Pro Wochenende einmal für meinen leckeren Kuchen", lacht Annelie Gerken.

Den Kiosk am Parkplatz gibt es seit Jahrzehnten. Kulinarisch gesehen war er Mainstream mit Cola, Leberkässemmel und Steckerleis. Das hat sich grundlegend geändert. Bei Annelie Gerken wird frisch gekocht. Regionale Produkte, frisch und bio - was anderes kommt ihr nicht in die Tüte oder vielmehr in den Kochtopf. Vier Standardgerichte und ein wechselndes Tagesgericht gibt es. Wie die Betreiberin und ihr Team diese in dem beengten Kiosk zaubern, grenzt an ein Wunder. Ein Backofen und zwei Kochplatten - mehr ist nicht. Gerichte mit orientalisch-asiatischem Touch sind eine Spezialität der 42-Jährigen. "Im Herbst wird es Erntedank-mäßig", sagt sie. Ihre Kunden nähmen es in Kauf, dass sie auch mal warten müssten. Oder dass der Kiosk nicht immer geöffnet habe. Wetterbedingt bleiben die "Seemadames" schon mal zu. Oder wenn Gerken und ihre Tochter einen "Schuljahr-hat-angefangen-Orientierungstag" brauchen, wie es auf der Facebook-Seite heißt. Ansonsten ist Betrieb von März bis November. Im Winter gibt es Glühwein und einen kleinen Weihnachtsmarkt. Legendär sind die Konzerte auf der kleinen Bühne. Da kann es vorkommen, dass Hunderte zu Musik über den Parkplatz tanzen.

Kioske im Oberland
:Die "Seemadams" in Bildern

An den Osterseen in Iffeldorf hat Annelie Gerken mit ihrem Kiosk "Seemadames" ein kleines Gesamtkunstwerk geschaffen.

Claudia Koestler

Beflügelt von der Idee, Menschen gutes Essen zu bringen, möchte Gerken im kommenden Frühjahr ein neues Projekt starten. Sie plant, einen Bauwagen als Slow-Food-Mobil umzurüsten und von Ort zu Ort zu fahren. Die Idee: "Die Leute bringen mir ihre Lebensmittel und ich koche was für sie", sagt die 42-Jährige.

Doch auch für die "Seemadames" hat sie einen Traum: eine größere Küche. Dazu müsste die Gemeinde Iffeldorf die öffentlichen Toiletten auf dem Parkplatz verlegen. An deren Stelle könnte die neue Wirkungsstätte der Autodidaktin entstehen, "mit Sitzplätzen im Inneren". Manchmal, sagt sie, dürfe man gar nicht so lange überlegen, sondern müsse einfach beherzt zugreifen.

© SZ vom 13.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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