Klamauk in Oberambach:Spektakulär sinnlos

Klamauk in Oberambach: Klamauk ist Programm auf und vor der Rumpel-Pumpel-Bühne, hier aufgebaut am Gut Oberambach.

Klamauk ist Programm auf und vor der Rumpel-Pumpel-Bühne, hier aufgebaut am Gut Oberambach.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Das "Rumpel Pumpel Theater" lässt es ganz wunderbar krachen. Handlung? Überflüssig. Hauptsache, es rührt sich was

Von Paul Schäufele, Münsing

Dieser Moment, wenn beim Kindergeburtstag plötzlich die Wohnung zur Bühne wird: Vom Bett gerissene Laken machen das Gespenst, geplünderte Küchenschränke den Koch, Mutters schwarzes Kleid hält als Soutane her. Man kann die Hände über dem Kopf zusammenschlagen oder sich zurücklehnen und die Vorstellung genießen. Gleiches gilt für die Aufführung des Rumpel Pumpel Theaters auf Gut Oberambach. Hier weht der bunte Geist der Anarchie, hier wird getanzt, getobt, geträllert. Und das Publikum hat seinen Spaß dabei.

Es sind (ungefähr) fünf Akteure: eine Dame, zwei Herren, ein unsichtbarer, aber sehr präsenter Affe und der umgebaute Marktwagen aus dem Jahr 1968. Das Gefährt dient als Bühne, auch wenn sich die Spielfläche im Laufe des Abends bis ins Publikum ausweitet. Dieser Wagen ist an sich schon eine Attraktion, ein Zauberkasten, aus dem vor der Vorstellung bunter Nebel quillt. Man ahnt schon, in diesem Wagen geht es heiß her. Wenn sich dann durch heftiges Handkurbeln die Vorderklappe herunterbewegt, sieht man in einen fantastischen Raum, halb Bürobox, halb Tropenhaus. Diese hybride Kammer ist Loli Jacksons Affenagentur, denn darum geht es ja: "Loli Jackson auf der Suche nach dem Sinn von allem" heißt das Stück, so hat Pirmin Sedlmeir es als Schauspieldirektor in glänzendem Anzug und Zylinder angekündigt. Und Loli Jackson leitet eben eine Agentur, die Affen vermittelt, an Film und Fernsehen. Sehr erfolgreich ist sie damit nicht, sie hat überhaupt nur einen (schwer vermittelbaren) Schimpansen, macht ihren Job dafür aber mit umso umtriebigerer Leidenschaft und passionierter Geschäftigkeit.

Lisa Jopt im Wendepaillettenkleid jagt über die Bühne, raucht, tanzt an der Stange und bringt mit ihrem ungezügelten Temperament die Luft zum Flirren. "Ich will alles, und zwar sofort", singt sie. Man glaubt es ihr. Und so entsteht die Figur Loli Jackson als Frau zwischen unerfülltem Berufsleben und hastiger Sinnsuche.

Doch einige Zwischenfälle stören den Tagesablauf der Alleinunternehmerin. Nicht nur, dass tatsächlich ein TV-Produzent (schon am Rande der Verzweiflung: Johannes Lange) einen Affen bestellen möchte, eine Meerkatze, die Loli nicht in Reserve hat. Nein, da kommt etwa auch ein Handwerker samt Geselle, der sich professionell um Loli Jacksons Oberweite kümmert. Dass der "Tittenpacker" in sanftem Ruhrdeutsch parliert ("Wissen Se wat, Frau Jackson?"), gibt der ganzen hirnrissigen Szene nicht nur ihren kumpeligen Charme, sondern verweist auch auf die Geschichte der Truppe. Das Stück feierte 2018 als Straßentheater unter der Ägide des Schauspielhauses und des Interimsintendanten Olaf Kröck in Bochum Premiere. Seitdem zieht der Wagen durchs Land und macht als Wanderbühne Furore.

Nachdem die Handwerker abgefertigt sind, gilt es, den eigenen Kunden zufriedenzustellen. Woher nimmt man eine Meerkatze? Das fragt sich Loli, da kommt schon eine um die Ecke, die sich als Schauspieler ausgibt und einen Anspielpartner braucht. Den gibt flugs der "Katzenmann", ein halbanimalisches, vage unsympathisches Wesen. Gemeinsam stellen sie Kätzchenvideos nach.

Wo in der Ferne ein Handlungsstrang erkennbar sein könnte, zückt die Rumpel-Pumpel-Truppe die Schere. Es sollen noch einige Figuren auftauchen, die kurz Krawall machen und schnell wieder verschwunden sind, ein Schuhdieb, ein mythisches Seeungeheuer ... Wer hier nach Logik sucht, ist schon verloren. Dieses Theater lebt von Illusion und Allusion, von Geschwindigkeit und Witz, von Effekt und dem Schwung seiner Schauspieler. "Loli Jackson" ist eine Revue, ein Szenenkarussell. Das verbindende Element sind die Schauspieler selbst, in immer neuer Gestalt agierend und mit ganzem Körpereinsatz. Rennende, tanzende, krabbelnde, zuckende, hüpfende Körper, in großem Kostüm oder halb nackt, männlich, weiblich, tierisch.

Dabei ist die Form, in der das Rumpel-Pumpel-Ensemble seine Show präsentiert, auch eine Liebeserklärung an eine spezifische Form des Theaters, die es kaum noch gibt und die doch über Jahrhunderte hinweg die gängige war. Nicht nur in der örtlichen Ungebundenheit erinnern Jopt, Lange und Sedlmeir an die Vertreter des antiken Mimus, der mittelalterlichen Joculatores (Spielleute) oder die Wandertruppen der Renaissance und des Barock. Auch mit der schieren körperlichen Präsenz, dem Ineinandergreifen von Komik und Erotik und dem oftmals derben, hinreißend albernen Wortwitz stellen sich die drei in die Tradition einer Volkskomödie, die schon immer over the top war. Anders kann man die comicartige Verfolgungsjagd des Trios mit übergroßen Kochlöffeln nicht nennen, oder den perfekt fingierten Zweikampf bis aufs Blut.

Was ist denn nun der Sinn von allem? Das Stück endet mit dieser Frage. Doch die Antwort könnte nicht offensichtlicher sein. Der Sinn ist das Spektakel selbst. So sieht es auch das Bravo rufende Publikum.

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