In diesen Tagen bietet sich in vielen Kirchen ein ungewohntes Bild: Die Reihen sind dicht gefüllt, so dicht wie sonst nur an Weihnachten. An Ostern, dem höchsten Fest im Kirchenjahr, feiern Christen die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Am Karfreitag, der auch stiller Freitag genannt wird, gedenken sie seiner Kreuzigung. Still ist es in manchen Kirchen jedoch längst geworden. Auch in der Region geht die Anzahl der Gläubigen zurück und damit auch die Einnahmen aus den Kirchensteuern. Zugleich fallen in vielen Gebäuden hohe Sanierungskosten an. Wie gehen die Kirchengemeinden damit um?
Erst profaniert, nun geschützt

Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Geretsried hat ein ganz außerordentliches Problem: die einstige Versöhnungskirche, ein wabenförmig strukturiertes Gebäude des Architekten Franz Lichtblau aus dem Jahr 1970. Der moderne Kirchenbau an der Richard-Wagner-Straße diente den Protestanten in Geretsried über Jahrzehnte als zweites Gotteshaus neben der Petruskirche an der Egerlandstraße. Weil auch in der größten Stadt des Landkreises die Zahl der Gläubigen sinkt, wurde die Versöhnungskirche im Oktober 2023 profaniert. Mit dem Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks sollte ein neues Gemeindezentrum an der Petruskirche finanziert werden.
Womit die Kirchengemeinde nicht gerechnet hatte: 2024 setzte das Landesamt für Denkmalpflege den Lichtblau-Bau überraschend auf die Denkmalliste. Dies hat weitreichende Konsequenzen. Der Eigentümer eines Baudenkmals ist verpflichtet, selbiges „instand zu halten, instand zu setzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen“, heißt es in Artikel 4 des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes. „Der Denkmalschutz hat uns quasi enteignet“, sagt Harald Michel, Vorsitzender des Bauausschusses im Kirchenvorstand. Der Wert des Grundstücks hat sich seiner Schätzung nach auf ein Fünftel reduziert. „Damit müssen wir erst einmal klarkommen.“
Die Kirchengemeinde mit etwa 4000 Mitgliedern sei nicht imstande, den Erhalt des sanierungsbedürftigen Gebäudes zu finanzieren. „Das ist unmöglich.“ Interessenten für eine weitere Nutzung des Lichtblau-Baus gebe es, sagt Michel. „Aber die wollen das Haus geschenkt haben. Die sagen: Wir nutzen und pflegen es, aber Geld bezahlen wir nicht dafür.“ Nun werde geprüft, ob sich ein Teil des Grundstücks abtrennen und veräußern lässt. Derzeit werde das Gelände rund um den Wabenbau von Passanten auf unerquickliche Weise genutzt – als Hundeklo und Müllabladeplatz.
„Besondere künstlerische Bedeutung“

Sankt Benedikt in Ebenhausen ist die erste und bislang einzige Kirche der Erzdiözese München-Freising, die seit dem Zweiten Weltkrieg ohne Ersatzbau profaniert wurde. Dies geschah im Dezember 2023. Im März nun teilte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege mit, die Erhaltung der 1965 geweihten katholischen Kirche liege wegen ihrer „besonderen geschichtlichen und künstlerischen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit“. Diese Einschätzung kam für die politische wie die katholische Gemeinde äußerst überraschend. Beide hatten mit dem Abriss des Gebäudes an der Lechnerstraße gerechnet.
Pfarrer Stefan Scheifele möchte sich dazu aktuell nicht äußern, er verweist auf das Erzbischöfliche Ordinariat München-Freising. Dessen Pressestelle erklärt, die Erzdiözese und die Kirchenstiftung seien „in den Prozess einer Feststellung des Denkmalstatus nicht involviert“. Vielmehr sei die Kommune im Austausch mit dem Landesamt für Denkmalpflege.
Der Schäftlarner Bürgermeister Christian Fürst (CSU) ist hingegen in seiner Haltung ganz eindeutig: „Ich möchte diese Kirche nicht geschenkt“, sagt er. „Das ist ein Fass ohne Boden.“ Seine Gemeinde habe bis 1. Juli Zeit, fachlich und sachlich zum Bescheid des Denkmalsamts Stellung zu nehmen. Das werde die Verwaltung tun und dabei, wie gefordert, auf die Denkmalschutz-Aspekte eingehen. „Es bringt da natürlich nichts, wenn wir schreiben: Wer soll es bezahlen?“
Persönlich halte er allerdings die Entscheidung für vollkommen falsch. „Es kann nicht sein, dass die Kommunen, dass der Staat Kirchen rettet.“ Und da weder Schäftlarn noch die Kirchenstiftung Geld hätten, um das Gebäude zu erhalten, drohe dort eine Ruine zu stehen. Fürst räumt ein, dass seine Gemeinde einen Veranstaltungsraum brauche, aber keinesfalls in dieser Größe; Sankt Benedikt habe eine Grundfläche von 800 Quadratmetern.
Nach der Profanierung des Kirchengebäudes hatten sich Bürgerinnen und Bürger für eine säkulare Weiternutzung starkgemacht. Ein ehrenamtliches Team hatte eine Machbarkeitsstudie erarbeitet, wonach in dem Gebäude von Kultur bis Yoga und von einem Café bis zur Kletterhalle vieles möglich wäre. Allerdings fehlte dazu ein Investor. Den zu finden hält der Bürgermeister nach wie vor für unrealistisch, da er nicht glaube, „dass sich das Gebäude dauerhaft wirtschaftlich selbst trägt“. Und das Leben, das einst in der Kirche war, bringe der Denkmalschutz allein nicht zurück.
Bürgerwerkstatt geplant

Das Schicksal der evangelischen Auferstehungskirche Icking ist noch offen. Allerdings soll auch dieses Gotteshaus profaniert werden, weil der evangelischen Kirchengemeinde Ebenhausen, zu der es gehört, eine Kirche genügt. Dies ist die Heilandskirche in Ebenhausen.
Pfarrerin Elke Soellner betont aber, dass das Gebäude als sozialer Treffpunkt, als Versammlungs- oder als Veranstaltungsort, erhalten werden soll. Die Diskussion darüber laufe bereits seit längerem in einem Arbeitskreis. Mit der politischen Gemeinde Icking und mit einzelnen Bürgerinnen und Bürgern sei man ebenso im Gespräch. Zudem sei für Juli eine Bürgerwerkstatt geplant, um auch jene interessierten Personen einzubeziehen, die nicht der evangelischen Kirche angehören.
Wie bei allen anderen Kirchen ist es in Icking eine Frage der Finanzierung, ob und wie die Gebäude gerettet werden können. Das Ensemble aus Kirche und Gemeindesaal ist architektonisch reizvoll um einen Innenhof gruppiert, sodass auch im geschützten Freien Begegnungen möglich sind.
Pfarrerin Elke Sommer, die seit 14 Jahren in Icking arbeitet, sagte in einem früheren Gespräch mit der SZ, wenn die Auferstehungskirche profaniert werde, müsste das nicht bedeuten, dass es keine evangelischen Gottesdienste mehr im Ort gebe. Es sei vorstellbar, die Alte Kirche in Icking zu nutzen, dort hätten früher schon evangelische Gottesdienste stattgefunden. „Möglichkeiten gibt’s immer“, so Sommer.
Zwei große Kirchen sind eine zu viel

Die Penzberger Pfarrgemeinde Christkönig hat von 2015 bis zu Beginn des vergangenen Jahres 1400 Mitglieder verloren. Mit der Diözese Augsburg haben Kirchenverwaltung und Pfarrgemeinderat daher ein Pilotprojekt initiiert. Gemeinsam mit ihren Mitgliedern möchten sie ein Konzept entwickeln, wie sich die katholische Gemeinde in Penzberg künftig aufstellt. Eine der Fragen war und ist, ob zwei große Gotteshäuser in der Stadt noch gebraucht werden. Im Fokus steht die Kirche Zu Unserer Lieben Frau von Wladimir im Ortsteil Steigenberg. Sie ist mit 400 Sitzplätzen nur unwesentlich kleiner als die Christkönigkirche.
Seit der ersten öffentlichen Versammlung zum Thema ist mehr als ein Jahr vergangen. Stadtpfarrer Bernhard Holz berichtet, dass es nach wie vor keine Entscheidung gebe. „Wir wollen uns nicht drängen lassen, nichts übers Knie brechen“, sagt er auf Nachfrage. Es müssten noch viele Gespräche geführt werden, bis ein Ergebnis präsentiert werden könne. Man befinde sich in einem pfarreiinternen Findungsprozess.
2024 stellte Christian Taufenbach vom Architekturbüro „Element A“ den Gemeindemitgliedern vor, welche Möglichkeiten es für eine Umnutzung von Kirchen gebe. Auch ein Abriss sei möglich, sagte der Architekt. Er hatte die kirchlichen Immobilien in Penzberg in Hinblick auf Kosten und Nutzen betrachtet: darunter die Christkönigkirche, Zu Unserer lieben Frau von Wladimir, das ehemalige Kinderheim an der Bahnhofstraße 35 und das ehemalige Pfarrhaus in Steigenberg. Sechs der zehn Gebäude befinden sich in der Stadtmitte um Christkönig herum. In alle – mit Ausnahme des Franziskus-Kindergartens – muss investiert werden. Das könnte in die Millionen gehen.
Die Kirche in Steigenberg, geweiht 1964 und nach der berühmten russischen Marien-Ikone benannt, hat Risse in den Wänden. Momentan werde die Statik überprüft, sagt Pfarrer Holz. Eine Gefahr bestehe nicht. Das Ergebnis der Untersuchungen werde in die Entscheidung einfließen. „Es ist die Frage, wie sinnvoll es noch ist, Geld in Baumaßnahmen an einer Kirche zu stecken, die eigentlich keiner mehr braucht.“ Der Keller, einst beliebt bei Jugendlichen für Partys, könne aus Brandschutzgründen nicht mehr genutzt werden. Die Möglichkeit, ein eventuell profaniertes Gotteshaus als Kulturzentrum künftig zu nutzen, sieht Holz in der momentanen finanziellen Situation nicht. Denn auch die Stadt Penzberg habe Geldsorgen. So ein Vorhaben könnte die Pfarrei nur mit ihr stemmen. Ob es auf einen Abriss hinauslaufe, vielleicht auch nur in Teilen, sei offen, so der Pfarrer. Auf dem Areal könnte ein Mehrgenerationenprojekt realisiert werden. „Geschehen muss aber etwas.“
Gut besucht, doch glockenlos

In Beuerberg, einem knapp 1000 Einwohner zählenden Klosterdorf, ist die Kirchenwelt augenscheinlich noch in Ordnung. Die Stiftskirche Peter und Paul ist nicht nur an Feiertagen, sondern jeden Sonntag gut gefüllt, bestätigt Pfarrer Bernhard Häglsperger. Mit 80 bis 120 Gläubigen dürfe er immer rechnen – eine Quote, von der viele Gemeinden nur träumen können. Vor Schicksalsschlägen ist man aber auch in Beuerberg nicht gefeit.
Vor zwei Jahren, im Mai 2023, bemerkte der Mesner, dass etwas mit dem Glockenklang nicht stimmte. Wie sich herausstellte, waren im tonnenschweren Geläut der Stiftskirche zwei von vier Befestigungsbolzen gebrochen. Die größte der vier gusseisernen Glocken drohte abzustürzen. Das Geläut wurde gesichert, seither sind die Glocken von Peter und Paul verstummt. Die Kosten für ein neues Geläut aus Bronze und den Einbau im Glockenturm dürften eine halbe Million Euro übersteigen. „Wir sind insofern fein raus, als die Kirche nicht zur Kirche gehört“, sagt Hägslperger. Die ehemalige Klosterkirche sei mit der Säkularisierung in das Eigentum des Freistaats Bayern übergegangen. Für das neue Geläut sei das Hochbauamt in Weilheim zuständig. Die Regierung von Oberbayern habe eine Summe von 600 000 Euro bewilligt.
In der Kirche Sankt Laurentius im benachbarten Königsdorf, die Häglsperger als Pfarrer ebenfalls betreut, hat Kaspar Demmel ein Auge darauf, dass kleinere Schäden sofort behoben werden. „Nichts auflaufen lassen“, lautet die Devise des Verwaltungsleiters. Von der Diözese gebe es jährlich einen kleinen Pauschalbetrag für Bausachen. „Damit muss man sehr sparsam haushalten“, sagt er. „Und ansonsten ist das Ehrenamt gefragt.“