Freizeit in Kochel am See:Filmkultur im Ehrenamt

Lesezeit: 3 Min.

Die Betreiber des Kinos in Kochel (vorne, v.l.n.r.): Michaela Wonisch, Steffen Wendler, Stefan Bauer. Hinten v.l.n.r.: Pia Schäfer und Ralf Pittermann. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In Zeiten von Streaming und Heimkinos hält ein engagierter Verein die Kinokultur in Kochel am See lebendig. Ein Besuch im Programmkino zeigt, warum das gemeinschaftliche Filmerlebnis auch im digitalen Zeitalter nichts von seiner Magie verloren hat.

Von Antonio-Gabriel Matošević, Kochel am See

In der oberen Etage der „Heimatbühne“ in Kochel am See öffnet sich eine Tür zur Vergangenheit. Rote Sitze reihen sich vor einer Leinwand auf, als wäre die Zeit stehen geblieben. Doch der Schein trügt: Hier, im „Kino in Kochel“, trifft Tradition auf modernes Engagement. Seit 1997 hält ein Verein die Kinokultur in der Gemeinde am Leben – ehrenamtlich und mit viel Herzblut.

Film ab heißt es, wenn hier täglich ein Projektor, mittlerweile digital, nicht mehr mit Filmrollen, über die Sessel hinweg die Leinwand bestrahlt. Stefan Bauer steht bereit und präsentiert stolz die atmosphärische Belichtungsanlage des Saals. Als Gründungsmitglied ist er seit 1997 Teil des Vereins – heute ist der 62-Jährige der Vorsitzende des Vereins. Auch die anderen Vorstandsmitglieder haben sich im Vorführungssaal versammelt. Dazu gehören Schriftführerin Pia Schäfer, Steffen Wendler, Betreiber des Kinos, sowie Michaela Wonisch, Kassiererin, und Ralf Pittermann, Zweiter Vorsitzender und Vorführer. Sie sind Teil eines rund 25-köpfigen Teams, das das kulturelle Erbe des Kinos in Kochel bewahrt.

Das Lichtspielhaus befindet sich im selben Gebäude wie die Heimatbühne. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ein Stück Großstadtkultur

„Man wollte im kulturellen Leben etwas schaffen“, erinnert sich Bauer an die Vereinsgründung. Das zuvor geschlossene Kino sollte wiederbelebt werden, um auch in einer Gemeinde dieser Größe ein Stück Großstadtkultur zu bieten. Für Pittermann war das Kino schon zu Studienzeiten ein besonderer Ort: „Hier liefen Filme, die es in Bad Tölz nicht zu sehen gab.“

Was macht das Kinoerlebnis einzigartig? Die Antwort ist einhellig: das Gemeinschaftsgefühl. „Der Austausch, der stattfindet“, betont Schäfer. Wonisch ergänzt: „Natürlich auch die Leinwand, der Sound. Das ist für mich das Ausschlaggebende.“ Bauer gibt augenzwinkernd zu: „Wenn man daheim auch ein Kino hätte, mit allem Drum und Dran, dann hätte man den Unterschied vielleicht gar nicht so deutlich.“ Ein Satz, der von seinen Kollegen mit Gelächter quittiert wird.

Stefan Bauer ist seit 1997 Teil des Vereins – heute ist er dort Vorsitzender. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Was eine Spardose in Schildkrötenform damit zu tun hat

Der Betrieb des Kinos fernab der Großstadt ist eine Herausforderung. Die kostenlose Mitarbeit der Vereinsmitglieder als Vorführer ist essenziell. „Wenn man da zahlen müsste, mit dem deutschen Mindestlohngesetz, da kann ich mir nicht vorstellen, dass das funktionieren würde“, sagt Bauer. Die Gemeinde Kochel unterstützt, indem sie die Räumlichkeiten mietfrei zur Verfügung stellt. Für Nebenkosten und Renovierungen muss der Verein selbst aufkommen. Mitgliedsbeiträge und Einnahmen an der Kinokasse reichen in der Regel aus, um den Betrieb „plus minus null“ zu halten. Bei größeren Investitionen wie der kürzlich installierten Klimaanlage half eine Förderung des Filmförderungsfonds (FFF) in Höhe von 4500 Euro. Auch die Vereinsmitglieder selbst springen bei Bedarf ein, wie Schäfer betont: „Irgendwie schaffen wir es immer, uns mehr oder weniger selbst zu helfen.“ Hilfe käme in kleinen Ausmaßen allerdings auch vom Publikum, wie Wonisch mit einem Hinweis auf die Schildkrötenspardose auf der Snacktheke indiziert. In dieser landet so mancher Euro von Besuchern, die das kleine Lichtspielhaus über den Eintrittspreis hinaus unterstützen möchten.

Spenden sind willkommen - hierfür gibt es eine Spardose im Schildkröten-Format. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Corona-Pandemie hat jedoch Spuren hinterlassen. Die Besucherzahlen sind seither gesunken, die Sehgewohnheiten haben sich verändert. Dennoch bleibt man optimistisch. Events wie das Freiluftkino an der Seepromenade, bei dem der Film „Barbie“ im vergangenen Sommer knapp 300 Besucher anlockte, zeigen, dass das Interesse am gemeinschaftlichen Filmerlebnis weiterhin besteht. Aktionen wie das Inklusionsprojekt mit der Lebenshilfe Bad Tölz und Schulen in der Region oder Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit dem katholischen Kreisbildungswerk und gelegentlich eine Matinee würden zusätzlich vom Kinoverein organisiert und fänden reichlich Zuspruch, erklärt Pittermann.

Ralf Pittermann ist Zweiter Vorsitzender und Vorführer. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Trotz der Herausforderungen macht sich Kinobetreiber Wendler keine Sorgen um die Zukunft. Streamingangebote sieht er nicht als Bedrohung: „Das Kino besteht ja immer noch.“ Die finanzielle Situation sei stabil, und auch um den Vereinsnachwuchs stehe es nicht schlecht. „Es kommen mehr dazu als weggehen“, versichert Schäfer. „Bei uns lebt es letztendlich davon, dass man sagt: ’Jeden Abend gibt es ein Programm’, sodass sich die Leute darauf verlassen können“, kommentiert Stefan Bauer.

Michaela Wonisch kümmert sich um das Finanzielle. (Foto: Harry Wolfsbauer)

So bleibt das „Kino in Kochel“ ein lebendiges Beispiel dafür, wie ehrenamtliches Engagement kulturelle Traditionen am Leben erhalten kann. In einer Zeit, in der viele kleine Kinos schließen müssen, leuchtet hier weiterhin jeden Abend die Leinwand – ein Zeichen dafür, dass das Kino als Ort der Gemeinschaft und des kulturellen Austauschs auch im digitalen Zeitalter nichts von seiner Magie verloren hat – nicht in der Stadt, aber eben auch nicht am Land.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Vereinsleben
:Mehr Kunst und Klassik für Münsing

Zwei junge Vereine – „Kultur am See“ und „Kunst am See“ – wollen Farbe und Musik in die Gemeinde bringen. Treibende Kräfte sind Ursula Scriba und der Cellist Graham Waterhouse sowie der Maler Michael Eckle.

Von Benjamin Engel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: