Wer in diesen Tagen den Kunstraum Oltremare betritt, wird von Gianna Nannini begrüßt, und zwar von einer sehr, sehr jungen Gianna Nannini in schwarzer Lederjacke, mit steil hochfrisiertem Pony und dunkel geschminkten Augen. „Bello e impossibile“, möchte man sagen. Aber Michael Eckle und Kerstin Stelter machen’s möglich. Die Fotografin zeigt in der Ateliergalerie ihres Münsinger Kollegen die Ausstellung „Rockstars. London in the 80s“.
Vor vierzig Jahren kannte Stelter sie alle: U2, Boy George, Simple Minds, Annie Lennox ... Sie selbst war damals angehende Fotografin, Studentin der Folkwangschule und für die TV-Sendung „Rockpalast“ als Bandmanagerin bei Festivals in der Essener Grugahalle und auf der Loreley engagiert. Diese Kontakte zu heute legendären Künstlerinnen und Künstlern nutzte sie schließlich für die Porträtserie „Rockstars“.
Wie eine Ahnengalerie habe sie diese Serie damals gestalten wollen, sagt die Fotografin. Die meisten Porträts – alle natürlich noch analog, mit einer heute auch schon legendären Hasselblad-Mittelformatkamera aufgenommen – sind im Backstagebereich unmittelbar vor einem Auftritt entstanden. Brustbilder vor dunklem Hintergrund, direkter Blick in die Kamera, keinerlei Chichi. „Ich wollte sie nicht mit diesem bunten Cover-Gedöns zeigen“, sagt Stelter, „sondern einfach als Menschen.“ Schwarzen Molton für den Hintergrund habe sie immer dabeigehabt, und ausgeleuchtet wurde nur mit Blitz.
Im Gespräch erinnern sich Stelter und Eckle nur zu gern an die Eighties: „Das ist ja auch meine Zeit“, sagt Eckle – und seine Musik. Annie Lennox und Gianna Nannini seien seine Favoritinnen aus diesen Jahren. Die Fotos seiner Kollegin nennt er „ikonenhaft“ und absolut zeitgemäß. Denn die Retrospektive, besonders in die Achtziger, sei gerade im Zeitgeist.
Kerstin Stelter hat als Fotografin dann aber nicht im Glamour der Musik, sondern in der Welt des Films Karriere gemacht, mit dem Schwerpunkt Standfotografie („Stills“). Auf ihrer Homepage begegnet man vielen Größen der deutschen Film- und Theaterszene, Matthias Brandt und Sunnyi Melles, Martina Gedeck und Ronald Zehrfeld, Johanna Wokalek, Edgar Selge ... Die bekanntesten Film- und Serientitel sind darunter, vom „Tatort“ bis zu „Effi Briest“. Nach Hollywood habe sie’s allerdings nicht geschafft, sagt die Künstlerin scherzend. Es sei dann eben Jenhausen statt Los Angeles geworden. In dem kleinen Ort, der zur Gemeinde Seeshaupt gehört, lebt die Fotografin, der man den Ruhrgebietsklang gelegentlich noch anhört.
Und zuhören sollte man ihr durchaus, denn: „Ich kann zu jedem Porträt ’ne Story erzählen.“ Etwa die, wie sie Annie Lennox und Dave Stewart nach einem Konzert fotografieren konnte: „Die warteten um zwei Uhr nachts auf ein Taxi.“ Mehr kann man womöglich erfahren, wenn man die Ausstellung besucht. Sie läuft noch bis 6. Oktober, und Kerstin Stelter wird zu den Öffnungszeiten immer anwesend sein.
Oltremare, Bachstraße 7b, Münsing; täglich von 11 bis 18 Uhr, Finissage am Sonntag, 6. Oktober, bis 18 Uhr. www.kerstinstelter.de