Bundestagswahl im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen:Vom Außenseiter zum Vollblutpolitiker

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Bundestagsabgeordneter Karl Bär von den Grünen ist Agrarexperte und setzt auf regional erzeugte Lebensmittel. (Foto: privat/oh)

Karl Bär von den Grünen tritt zum fünften Mal für den Bundestag an. Der Kandidat, der 2021 erstmals gewählt wurde, setzt seine Schwerpunkte auf Klimaschutz, Investitionen in die Infrastruktur und den Kampf gegen Rechtsextremismus.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz-Wolfratshausen

Das Schaufenster seines Wahlkampfbüros in Holzkirchen hat Karl Bär auf ungewöhnliche Weise dekoriert. Hinterm Glas sind keine Plakate aufgehängt und keine Sonnenblumen angeklebt, dafür gibt es jede Menge Zahlen. Wie viel die Mieten für seine Büros in Holzkirchen und Berlin kosten, was er für Bürobedarf, Hotelübernachtungen, Porto, Weihnachtsgeschenke, Zeitungs-Abos ausgegeben hat, wie hoch seine Einkünfte sind, wie viel Steuern er bezahlt, was er als Parlamentarier erstattet bekommt, was nicht. Und und ... Alles ausgerechnet bis auf die zweite Stelle hinterm Komma, für die Jahre 2022 und 2023. Das Update für 2024 ist in Arbeit. „Ich bemühe mich, ein transparenter und ehrlicher Abgeordneter zu sein“, sagt der Bundestagskandidat der Grünen.

Ökologische Themen fand Karl Bär schon als Grundschüler spannend

Sein Interesse an grüner Politik wurde früh geweckt. In der Grundschule in Holzkirchen, später am Gymnasium Tegernsee hätten die Lehrkräfte ihn und seine Mitschüler für Ökologie sensibilisiert, zum Beispiel dafür, ein Lineal aus Holz zu verwenden, erzählt er. Bei ihm rannten sie damit offene Türen ein: „Ich fand ökologische Fragen wichtig und spannend.“ Aber nicht deshalb sei er in der Schule gemobbt worden – „das war Willkür“. Die Rolle des Außenseiters, sagt er, habe indes sein Bewusstsein geschärft, wie eine Gesellschaft zu bauen sei. Und zwar so, „dass verschiedene Leute zufrieden leben können, und nicht nur die, die sich anpassen“.

Der Weg zu den Grünen war für Bär von daher kurz. Neben seinem Doppelstudium in Agrarwissenschaft und Islamwissenschaft in Berlin engagierte er sich stark in der Grünen Jugend. Erst in der Holzkirchner Ortsgruppe, später im Bundesverband der Grünen Jugend, den er von 2011 an als Sprecher vertrat. Auf lokaler Ebene wurde er 2014 in den Marktgemeinderat Holzkirchen gewählt, ebenso in den Kreistag Miesbach, dem er immer noch angehört. Für den Bundestag bewirbt sich der erst 39-Jährige nun bereits zum fünften Mal, nach 2009, 2013, 2017 – und 2021, als es mit dem Sprung nach Berlin für ihn klappte. Für die Grünen sitzt er dort als Obmann im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft.

Karl Bär setzt auf ein starkes Europa. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Erlebnis, das ihn als Politiker am meisten beeindruckte, hatte Bär vor drei Jahren. Damals setzte der Chef einer Münsinger Firma alle Hebel in Bewegung, um einem Afghanen, der eine Lehre bei ihm absolviert hatte, den Familiennachzug zu ermöglichen. Das war kompliziert: Der Mann hatte keine Aufenthaltserlaubnis, seine Frau war mit den beiden Kindern in den Iran geflüchtet. Der Unternehmer alarmierte das Büro des CSU-Landtagsabgeordneten Martin Bachhuber, dessen Referent rief Bär an, der wiederum die Außenministerin Annalena Baerbock einschaltete. Das Tölzer Landratsamt, das sich anfangs querstellte, wirkte am Ende auch noch tatkräftig mit – und so fand die Familie am Münchner Flughafen nach jahrelanger Trennung wieder zusammen. „Das war sehr cool“, sagt Bär.

Aufgewühlt ist der 39-Jährige auch jetzt wieder, allerdings aus ganz anderem Grund. Die Hakenkreuz-Schmierereien an Hauswänden, die Hetze gegen die queere Szene, das Verunstalten von Wahlplakaten in Wolfratshausen und Umgebung: „Da liegt eine Bedrohung drin“, warnt Bär. Ein Verbotsverfahren gegen die in Teilen rechtsextreme AfD ist jedoch auch unter der Ampel-Regierung nicht in Gang gekommen. Zwar gibt es nun einen fraktionsübergreifenden Antrag von 124 Parlamentariern, „aber das hätte man viel früher machen müssen“, findet Bär. Dafür habe sich jedoch keine Mehrheit im Bundestag gefunden.

Eine Gefahr für die Demokratie sieht er auch in autoritären Führern wie Wladimir Putin oder Xi Jinping. Dem US-Präsidenten Donald Trump und dem Tech-Milliardär Elon Musk, der für die AfD wirbt, müsse man die Stärke eines vereinten Europas entgegensetzen, meint der 39-Jährige. Eine Giorgia Meloni in Italien – „eine harte Rassistin, aber sie blockiert nicht“ – bereitet ihm dabei weniger Kopfzerbrechen als ein Herbert Kickl. Der neue Kanzler von der FPÖ vertrete eine antidemokratische und prorussische Haltung, so Bär. „Mit Österreich steht uns ein großes Problem ins Haus.“

Nach Berlin fährt Karl Bär meist mit der Bahn. Die Strecke München-Berlin sei "gar nicht so verspätungsanfällig" sagt er. (Foto: privat/oh)

In der Innenpolitik haben die Grünen auch eines: Die Akzeptanz von Klimaschutz-Maßnahmen hat laut mehreren Umfragen abgenommen. Eine Folge grüner Politik? Von schlechter Kommunikation? Mitnichten, meint Bär. Da habe es immer ein Auf und Ab gegeben. Ansonsten halte sich der Klimawandel nun mal nicht an Umfragen. Hochwasser, Dürren, Brände – „es gibt immer krassere Katastrophen“. Für Bär leitet sich daraus seine politische Agenda ab. Eine Klimaschutz-Politik, weil sonst „unsere Lebensgrundlagen zerstört werden“. Eine Agrarpolitik, die auf gesunde, regionale Lebensmittel setzt. Eine Infrastruktur-Politik: Schulen, Bahn, Energiesystem, Ladesäulen, Wohnraum, Sicherheit, Digitalisierung – „wir müssen in einen funktionierenden Staat investieren“, so Bär.

Auf die Frage, wo das Geld herkommen soll, erwidert der Grünen-Kandidat: „Ich hoffe, Sie stellen diese Frage den anderen Kollegen auch.“ Dann aber plädiert er dafür, die Superreichen stärker zu beteiligen und die Schuldenbremse zu reformieren. Außerdem, so Bär, habe der Staat durch die Inflation so viele Einnahmen wie nie zuvor. Eine große Volkswirtschaft könne man im Übrigen nicht wie eine Familie führen, sagt er. Das Prinzip der schwäbischen Hausfrau gilt für ihn in der Politik nicht. Auch wenn seine Transparenz-Zahlen im Schaufenster einem penibel geführten Haushaltsbuch ähneln.

Drei Fragen an: Die Direktkandidaten im Video

Karl Bär, Direktkandidat der Grünen im Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen-Miesbach (Video: SZ)
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