Karikatur:Zeugnisse eines begnadeten Spötters

Die Fachberatung Heimatpflege zeigt in Benediktbeuern Karikaturen des "Kasperlgrafen" Franz von Pocci. Er war einer der ersten deutschen Künstler, der den Zeichenstift zur satirischen Gesellschaftskritik nutzte

Von Benjamin Engel, Benediktbeuern

Schon als Kind hat Franz Graf von Pocci (1807-1876) die Gäste seiner Eltern genau beobachtet. Mit gerade einmal sieben, acht Jahren brachte er deren Eigenheiten in karikaturistischen Abbildungen zu Papier - zum häufigen Missfallen seiner Umgebung. Sein Onkel soll diese Darstellungen vernichtet haben, erzählt Michael Köhle. Der Vorsitzende der Münsinger Franz-Graf-von-Pocci-Gesellschaft bereitet derzeit eine Ausstellung zum humoristischen Schaffen des vielbegabten Künstlers und späteren hohen Hofbeamtens vor.

Die Schau "Franz von Pocci und der Humor" wird am Sonntag, 21. Oktober, in den Räumen der Fachberatung für Heimatpflege im Kloster Benediktbeuern eröffnet. 40 Karikaturen, darunter Faksimiles aus der Bayerischen Staatsbibliothek, sind dort bis Sonntag, 16. Dezember, zu sehen. In einem sogenannten Kabinett der Theorie können sich die Besucher zu Schlagworten rund um das Ausstellungsthema von Satire bis Zynismus informieren.

Für Köhle zählt Pocci zu den ersten Karikaturisten im deutschen Raum. Diese Ausdrucksform blühte von den 1830er Jahren an auf. Durch die Printmedien ließ sich das Genre überregional verbreiten. "So entsteht eine vorsichtige Form, soziale und politische Verhältnisse öffentlich kritischer darzustellen", sagt Köhle. Beispielhaft dafür ist etwa die Satire-Serie "Der Staatshämorrhoidarius" von Pocci in der seit 1844 herausgegebenen humoristischen Wochenschrift "Fliegende Blätter". In der Bildergeschichte karikiert Pocci den Berufsalltag des obrigkeitshörigen Hofbeamten. "Das ist der erste deutsche Comic", sagt Köhle.

In der Residenzstadt München zählte Pocci zum Mittelpunkt des Gesellschaftslebens. 1830 ernannte ihn König Ludwig I. zum Zeremonienmeister, später zum Kammerjunker und Kammerherr. Unter König Max II. wurde Pocci schließlich Hofmusikintendant, schließlich Oberstkämmerer unter Ludwig II. Andererseits war Pocci eine Persönlichkeit von fast manisch anmutender Kreativität. Er schrieb rund 600 Musikwerke und 40 Theaterstücke um die Figur des Kasperl Larifari. Obendrein sind mehr als 3000 Karikaturen und Zeichnungen erhalten.

In den Alben der Künstlervereinigungen "Zwangslose Gesellschaft" und "Alt-Anglia" - Pocci war in beiden Mitglied - hinterließ der Hofbeamte viele Zeugnisse seines karikaturistischen Talents. Zwei Alt-Anglia-Mitglieder ließ er beispielsweise zu ihrem Jahresessen - "Diner" genannt - als goldenes und blaues Vögelchen fliegen. Oder er versteckte das ausgelassene Treiben der Herrengesellschaft samt zerbrochener Weinflaschen hinter einem roten Theatervorhang. Wie Köhle berichtet, bezeichnete sich Pocci selbst als "Schmähredner". In den Herrengesellschaften habe er seine alte Leidenschaft, vertraute Menschen mit spitzer Feder zu porträtieren, ungehindert fortgesetzt.

Ausstellung "Graf Pocci und der Humor"

Sich selbst karikiert er als Hofmusikintendant

(Foto: Michael Köhle/oh)

Genauso konnte Pocci über sich selbst spotten, etwa indem er sich als schlaksiger Hofmusikintendant im notenbedruckten Anzug samt Degen und Dreispitz darstellte. Im Landsitz der Familie im Münsinger Ortsteil Ammerland setzte Pocci auch den Starnberger See und die umgebende Landschaft ins Bild.

Ludwig I. hatte 1842 Poccis' Vater Fabrizio für dessen Verdienste das Schloss am See übertragen. Dieser war beruflich häufig abwesend. Er diente am Hof als Generalleutnant, war Obersthofmeister der Königin Karoline, als Pocci geboren wurde.

Als dreijähriger Bub musste Pocci erleben, wie seine eineinhalb Jahre jüngere Schwester starb. Daraus könne, wer spekulieren wolle, seine lebenslange Auseinandersetzung mit dem Humor erklären, sagt Pocci-Gesellschafts-Vorsitzender Köhle. "Der Humor könnte eine kreative Problemlösung für das Kind geworden sein."

Ausstellung "Franz von Pocci und der Humor", Fachberatung für Heimatpflege, Maierhof, Benediktbeuern, 21. Oktober bis 16. September, Dienstag bis Samstag 13 bis 16 Uhr, sonntags 11 bis 16 Uhr, Vernissage mit Puppenspiel 11 Uhr, Eintritt frei.

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