Kandidat für den Tassilo 2018:Immer mit der Ruhe

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Herbert Konrad ist Pastoralreferent mit psychotherapeutisch geschultem Talent zum Zuhören. (Foto: Manfred Neubauer)

Herbert Konrad schafft in der Erwachsenenbildung kreative Oasen.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Herbert Konrad verschafft vor allem eines: Ruhe. Mit Studienreisen, Vorträgen, Pilgerwanderungen, Lesungen und Seminaren erzeugt er Oasen für Menschen, die ansonsten durch die Wüsten des Alltags hetzen, getrieben von Smartphones und E-Mails, dauerpräsent in den sozialen Medien, permanent unter Druck im Job, mit finanziellen Sorgen, weil zum Beispiel gerade die Miete wieder erhöht wurde. Sie sollen eine Atempause bekommen - und eine Ahnung davon, "dass das Leben mehr ist, als bloß zu funktionieren", sagt Konrad. Das geschieht in der Berührung mit Kultur und Natur, mit Kunst und Spiritualität. Als eine Art Wellness-Onkel sieht sich der theologische Referent des Katholischen Kreisbildungswerks Bad Tölz-Wolfratshausen allerdings nicht. Wenn die Teilnehmer neue Kraft aus dem Bildungsangebot schöpfen, sollen sie damit Verantwortung für die Gesellschaft und für mehr Gerechtigkeit in der Welt tragen.

Aus dem Mund eines ausgebildeten Pastoralreferenten klingt ein solcher Satz leicht gestanzt. Aber der 61 Jahre alte Familienvater meint ihn genau so. Sein Wirken geht über das Sakramentale und Liturgische hinaus, "meine Sakristei ist die Welt", sagt er. Den Begriff der spirituellen Bildung verstehe er sehr breit, "sie soll nahe an der Lebenswirklichkeit der Menschen sein". In der zeitgenössischen Kunst ist dies für ihn immer dort der Fall, wo nach einem Sinn im Leben gesucht wird, wo Sehnsüchte ausgedrückt sind, wo Fragen gestellt werden. "Da sind viele Spuren, die für mich wichtig sind."

Eine solche Entdeckungsreise sollen für die Besucher auch die Filmabende unter dem Motto "Kunst, Kirche, Kultur" zusammen mit dem Kochler Kino sein, die Fahrten zu diversen Ausstellungen, die Lesungen von Schriftstellern wie Pierre Stutz aus der Schweiz, die Vorträge von Referenten wie Anselm Grün, die Gesprächsabende mit Gästen wie dem ehemaligen Bundesarbeitsminister Norbert Blüm, oder die Seminare, die mit Tanzen oder Qigong verknüpft sind. Wenn ein Museum besichtigt wird, ist es Konrad "nicht so wichtig, die ganze Kunstgeschichte zu reflektieren". Ihm geht es darum, dass die Teilnehmer dabei "Impulse für ihr eigenes Leben" bekommen.

Und dann sind da natürlich die Pilgerwanderungen. Seit 2002 gibt es dieses "geprägte Unterwegssein", wie Konrad formuliert. Das Interesse an den ein- oder mehrtägigen Touren auf den Segmenten des Jakobswegs im Landkreis ist ungebrochen, ein ganzes Team von Pilgerbegleitern hat das Kreisbildungswerk in all den Jahren dafür ausgebildet. Mag sein, dass Hape Kerkeling mit seinem Buch "Ich bin dann mal weg" zu dem Pilgerboom beigetragen hat. Klar ist für Konrad, dass die meist von Frauen gebuchten Wanderungen ein Image haben, das übers Kirchliche hinausgeht. Nicht wenige Pilger seien Leute, die mit Kirche sonst nichts am Hut haben, erzählt er. Manchmal kommt er mit ihnen sogar in seelsorgerliches Gespräch, "das passiert oft am Rande".

Dabei profitiert Konrad von seinem Werdegang. In Raubling nahe Regensburg geboren und aufgewachsen, studierte er in München zunächst Germanistik und katholische Theologie fürs Lehramt. Nach zwei Schulpraktika schwenkte er auf Diplom-Theologie über, ohne jedoch Priester werden zu wollen. Nach dem Studium absolvierte er seinen Zivildienst bei der Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse, einem Ausbildungsinstitut für Psychologen und Ärzte. Das faszinierte ihn, weshalb er sich weiterbildete in der klientenzentrierten Gesprächstherapie nach Carl Rogers. Nach mehreren Stellen als Pastoralreferent in Münchner Pfarreien kam er 1990 in den Landkreis und leitete bis 1998 die Katholische Jugendstelle Bad Tölz-Wolfratshausen. Nach der Geburt seiner Tochter nahm er ein Jahr Elternzeit, ehe er 1999 als theologischer Referent zum Kreisbildungswerk ging.

Daneben war er bis 2015 für die Beratungsstelle "Münchner Insel" tätig. Schon dort kam ihm sein psychotherapeutisch geschultes Talent zum Zuhören und Verstehen zugute. "Man wusste ja nie, wer dort reinkam, ob jemand suizidal war, oder ob er sich verlaufen hatten und nur einen MVV-Automaten suchte". Eine Erfahrung hat er schon damals gemacht: Waren es anfangs Besucher, die Probleme in der Ehe, im Beruf oder mit dem Sinn ihres Leben quälten, kamen am Ende vorwiegend Leute, die vor allem wegen aberwitziger Mieten in finanzieller Not steckten - obwohl sie eine ganz normale Arbeitsstelle hatten.

Seit 2008 leitet Konrad außerdem die Tourismus- und Kurseelsorge in Bad Tölz, die bis dahin in den Händen des Franziskanerordens gelegen hatte. Auch dabei geht es ihm um das Zur-Ruhe-Kommen, um Atempausen, um eine stade Zeit. Der Tourist suche im Urlaub mehr als reine Bespaßung, sagt der Pastoralreferent. Die Führungsspitze im Rathaus und die Stadträte nehmen dafür gerne den Begriff "Entschleunigung" in den Mund. Konrad lächelt leicht: "Die 'Entschleunigung' wird oft missbraucht, um die Leute ein bisserl schläfrig zu halten - sie sollte aber wacher machen."

Leserinnen und Leser der SZ haben Gelegenheit, Personen und Gruppen vorzuschlagen, die künstlerisch wirken oder in der Kulturarbeit aktiv sind. Vorschläge an tassilo@sueddeutsche.de oder SZ Bad Tölz-Wolfratshausen, Untermarkt 2, 82515 Wolfratshausen (bis Mittwoch, 28. Februar).

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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