Süddeutsche Zeitung

Kampf gegen Klimawandel:Den Rückenwind nutzen

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Nach dem erfolgreichen Volksbegehren wollen die Wolfratshauser Grünen zu mehr ökologischem Denken animieren

Von Arnold Zimprich, Wolfratshausen

Hans Schmidt, Fraktionssprecher der Grünen im Wolfratshauser Stadtrat, will alle Teilnehmer an der Ortsvereinsversammlung eng um sich wissen: "Kommt's alle an den Tisch!", sagt er. Gleich zu Beginn appelliert er eindringlich an das grüne Gewissen. "Es wird ausgebeutet, als ob es kein Morgen gäbe" - der enthemmte Kapitalismus bringe die Menschen dazu, ihre Konsumgewohnheiten nicht zu hinterfragen. "Den Erdüberlastungstag hatten wir 2018 schon am 1. August", betont Schmidt. Er meint damit den Tag, an dem die Ressourcen, die der Menschheit in einem Jahr zustehen, verbraucht sind.

Schmidt fordert einen Paradigmenwechsel. Grünes Denken und ein anderes Wirtschaften seien von Nöten, meint er. Den Staat sieht er in der Pflicht, dem enthemmten Konsum mit entsprechenden Instrumenten Einhalt zu gebieten. "Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will", bringt Schmidt ein Zitat Albert Schweitzers ein, das sich jeder vor Augen halten solle.

Das Dauerthema "Auswege aus der Klimakrise" steht an diesem Abend ganz im Zeichen des Kongresses der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Solarinitiativen, der am 15. und 16. Februar in Rosenheim stattfand. "Wir müssen jetzt sofort und überall soviel Photovoltaik installieren wie möglich", appelliert Stadtrat Rudi Seibt an die Runde. Photovoltaik-Anlagen arbeiteten ohne jeden Zuschuss wirtschaftlich, "eine kleine Zelle kann sich jeder auf den Balkon stellen". Eine andere Maßnahme, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen, sei die globale Humusinitiative. Landwirte sollen angeregt werden, "Boden aufzubauen", also die Humusschicht um etwa 15 bis 50 Zentimeter zu erweitern, um mehr Kohlendioxid zu binden. Schmidt verweist auf das Buch "Die Humusrevolution" - auf der Pariser Klimakonferenz sei die Humusinitiative ein großes Thema gewesen. Doch wie soll die Humusinitiative auf lokaler Ebene umgesetzt werden? Schmidt bleibt eine Antwort darauf schuldig, die Gegner aber glaubt er zu kennen: "Mächtige Agrarkonzerne, mit denen der Bauernverband durch Aufsichtsratsmandate eng verbandelt ist."

Mit Blick auf das erfolgreiche Volksbegehren Artenvielfalt zeigen sich die Grünen euphorisch. Schmidt fordert, dass die Partei dieses Hochgefühl für sich nutzen und das grüne Bewusstsein in der Bevölkerung stärken müsse. Der geplante Parkplatz hinter der Happ'schen Apotheke in Wolfratshausen sei ein Beispiel dafür, wie man ohne viel Federlesens eine "urbane Grünfläche" anlegen oder ergänzend gar ein Kneippbecken einrichten könne. Man müsse im Kleinen anfangen.

Der von Ministerpräsident Söder anberaumte Runde Tisch sei schön und gut, nur würde sich selten etwas verändern, wenn die CSU einen solche Runden Tisch organisiere, bemängelt Rudi Seibt. Ein engeres Netz aus "Insekteninseln" schlägt Lena Gneist aus Geretsried vor. Die Grünen seien nun gefragt, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Auf lokaler Ebene, sagt Gneist, könne man noch viel mehr zur Gewissensbildung beitragen und eine "Rebellion anzetteln, anstatt dabei zuzusehen, wie die Ergebnisse des Volksbegehrens verwässert werden".

Zur Sprache kommen auch die "Fridays for Future", wie die Freitagsdemos von Schülern genannt werden, die von der jungen Schwedin Greta Thunberg mitinitiiert wurden und inzwischen auch im Landkreis Nachahmer finden. "Seit Wochen wird auf die Straße gegangen, es kann ja nicht angehen, dass daraus Monate und Jahre werden", gibt Gneist zu bedenken. Lehrer und Schulen seien in Sachen Meinungsbildung gefragt, man müsse sich aber erst ein Bild machen, inwiefern dies nicht schon geschehe.

Die Entwicklungen der geplanten Surfwelle beobachtet Hans Schmidt skeptisch. Ob sich die nun avisierte Konstruktion der Welle auch in Wolfratshausen umsetzen lasse, müsse man erst sehen. Außerdem prognostiziert er ein Parkplatzproblem wegen des beengten Raumes. Was die Bürgerbeteiligung zur Aufwertung der Altstadt angeht, ist man von der Durchführung von Seiten der Stadt sehr angetan: "Die Umsetzung war super." Einig ist man sich, dass die Grünen statt Verboten und Einschränkungen andere Methoden anwenden wollen, um die Menschen von grüner Politik zu überzeugen.

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Quelle:
SZ vom 25.02.2019
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