Kampf den Drogen:Modellprojekt gegen die Sucht

Kampf den Drogen: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig (Bildmitte auf der Bank) war in Geretsried zu Gast.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig (Bildmitte auf der Bank) war in Geretsried zu Gast.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Bei einem Gespräch mit der Drogenbeauftragten der Bundesregierung in Geretsried entsteht die Idee, Jugendliche besser über soziale Medien zu erreichen

Von Valerie Gleisner, Geretsried

Weniger Alkohol und mehr Cannabis: Das hat sich beim Drogenkonsum unter Jugendlichen nach Einschätzung von Fachleuten verändert. Für Michael Hanfstengl ist diese Entwicklung gefährlich. Gerade in jungen Jahren, wenn sich das Gehirn noch entwickle, schade der Konsum von Cannabis besonders, sagt der Leiter der Fachambulanz für Suchtkranke der Caritas im Landkreis. "Ein früher Konsum kann schwere Psychosen und Entwicklungsverlangsamungen auslösen."

Probleme mit ihrem Cannabiskonsum haben 30 Prozent der Menschen, die sich in der Suchtambulanz der Landkreis-Caritas beraten lassen. Allerdings sind Jugendliche heutzutage weitaus schwieriger mit klassischen Streetworkern zu erreichen. Daher ist bei einem Fachgespräch die Idee entstanden, ein Modellprojekt zu installieren, um die jungen Leute vermehrt in sozialen Medien anzusprechen.

In der therapeutischen Wohngemeinschaft in Geretsried debattierten Vertreter von Verbänden und Behörden über Möglichkeiten, die Jugendsuchtprävention zu verbessern. Sabine Lorenz, Krankenschwester für Psychiatrie und geschäftsführender Vorstand des Vereins "Freunde psychisch Behinderter" hatte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU) eingeladen.

Für die Politikerin ist es ein "Herzensanliegen" jungen Leute für die Folgen des Drogenkonsums zu sensibilisieren. "Wir müssen aufpassen, dass wir in der öffentlichen Debatte beim Thema Cannabis nicht in eine Schieflage geraten", sagte Ludwig. Denn in der Diskussion über die Legalisierung des Rauschgifts habe sie das Gefühl, dass der Konsum verharmlost werde. Die Bundestagsabgeordnete forderte deshalb, dass Präventionsmaßnahmen dort sichtbar sein müssen, "wo die Jugend ist": und das bedeutet in den sozialen Medien.

Ähnlich sah das auch Ulrich Reiner, Leites des Amtes für Jugend und Familie im Landkreis. Die Jugendlichen würden sich weniger als früher im öffentlichen Raum aufhalten, sagt er. Daher seien sie für klassische Streetworker schwerer zu erreichen. Keine leichte Aufgabe also für das Jugendamt, ihre junge Zielgruppe anzusprechen. "Wie wir uns mit der sozialen Arbeit in den sozialen Medien einmischen, da sind wir noch ganz am Anfang", sagte Reiner.

Daher kam in der Gesprächsrunde die Idee auf, in einem Modellprojekt eine halbe Stelle für soziale Medien einzurichten. Dieses Modellprojekt müsse einen präventiven Charakter haben, sagt Ludwig, und fügt hinzu: "Also ich fände das super". Der amtierende Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller (CSU) bot, wie bei anderen Präventionsmaßnahmen die Unterstützung der Stadt an und zeigt sich bemüht, den Rat der "geballten Fachkompetenz" für zukünftige Förderung der Stadt zu berücksichtigen.

In der ambulanten Wohngemeinschaft in Geretsried leben aktuell 17 Männer und Frauen mit unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Die Bewohner sind zwischen 20 und 70 Jahre alt. Wie Lorenz erläuterte, würden immer wieder junge Mütter mit drogeninduzierter Psychose betreut.

Strafverfahren für Drogendelikte bei Jugendlichen dauerten aus Sicht der Experten zu lange. Das müsse beschleunigt werden, waren sie sich einig. Wenn erst nach ein bis zwei Jahre eine Strafe folge, sei das viel zu spät, um daraus zu lernen, machte der Kreisjugendamtsleiter Reiner deutlich. Franz Schöttl, Chef der Polizeiinspektion Geretsried sagte: "Wir sind im öffentlichen Raum präsent, mit der Gefahr, dass sich der Konsum dann in die Wohnungen verlagert." Denn die Geretsrieder Jugendlichen "wissen inzwischen, dass die Polizei da ist", wie es Rudi Mühlhans vom Trägerverein Jugend- und Sozialarbeit Geretsried formuliert.

Nach Mühlhans Meinung sollte die Schule als "positiver Lebensort" gestaltet werden. Denn wenn die jungen Leute Gelegenheit hätten, ihre Stärken auszubilden, dann "brauchen sie das Zeug nicht". Helgard van Hüllen, Vorsitzende des Vereins Freunde psychisch Behinderter und Wolfgang Schweiger, Kreisgeschäftsführer der Caritas Bad Tölz/Wolfratshausen sind sich außerdem einig, dass in der Präventionsarbeit immer auch die Familien der Jugendlichen eingebunden werden müssten. Schweiger sagt dazu: "Wir müssen uns anmaßen, auch die Erziehung zum Thema zu machen und das nicht nur einfach den Eltern zu überlassen". Denn Drogen konsumieren heiße immer, etwas anderes zu "kompensieren".

Dank der Präventionsarbeit ist der Alkoholkonsum der Jugendlichen laut Hanfstengl von der Caritas stark zurückgegangen. Nur noch vereinzelt sei er inzwischen mit sogenannten "Komasäufern" konfrontiert. "Da sieht man, was Prävention schafft", sagte er.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung zeigte sich erfreut, was in der Region alles funktioniere. Davor, was in Geretsried bereits in Sachen Drogenprävention geleistet werde, "muss ich meinen Hut ziehen", sagte Ludwig.

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