Kabarett in der Penzberger Stadthalle:Mehr Botschaft, weniger Pointen

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Der Kabarettist Han's Klaffl ist politisch schärfer geworden. Seine Spieldauer aber brachte das Publikum an die Grenzen der Aufnahmefähigkeit. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Hans Klaffl zeigt sein viertes Programm "Nachschlag" Eh ich es vergesse"

Von Susanne Hauck, Penzberg

Es ist eine Art Feuerzangenbowle, die Han's Klaffl im vierten Aufguss seines Programms angerührt hat. Denn diesmal erinnert er sich an seine eigene Schulzeit. Doch was er serviert, geht nicht immer so süffig runter wie die harmlosen Streiche von Heinz Rühmann als Schüler Pfeiffer im gut abgehangenen Filmklassiker. Im Hals stecken bleibt dem Publikum manchmal das Lachen, so viel Sprengstoff enthält sein Rückblick auf Altnazis und Ewiggestrige. In "Nachschlag! Eh ich es vergesse" schlägt Klaffl ein neues Kapitel auf, ist politisch deutlich schärfer geworden. Mehr Message, weniger Pointen.

Die Stadthalle ist gesteckt voll, was Bürgermeisterin Elke Zehetner mit Befriedigung zur Kenntnis nimmt, nachdem sie für zehn Millionen Euro saniert und letztes Jahr wiedereröffnet wurde. Dass der Auftakt der Kulturreihe so gut angenommen wird, freut sie umso mehr, zählt dieses Jahr doch wegen des Stadtjubiläums besonders viel.

Dem mittlerweile pensionierten Musiklehrer Klaffl eilt ein enormer Ruf als Kabarettist voraus, dessen Talent anfangs allerdings verkannt wurde. "Johann hat sich zu einem großen Flegel und Störenfried entwickelt", schrieb ihm einst Lehrer "Gulasch" ins Zeugnis und empfahl: "Die Umschulung in die Oberschule ist das einzige, um ihn auszulasten." Der Therapeut habe ihm wegen seiner Vergesslichkeit geraten, die Erinnerungen aufzuschreiben und jemand vorzulesen, beginnt Klaffl sein Programm. Und da kommen halt nicht nur Heile-Welt-Geschichten vor wie die von der brettlharten Lederhose, die man abends neben das Bett stellte und morgens wieder hineinstieg, oder vom ekelhaften Lebertran, bei dem es für jeden Löffel von der Mutter als Belohnung ein Zehnerl gab. Klaffl rechnet mit der Nachkriegszeit ab, in der Kinder gedankenlos Judenwitze erzählten und die Lehrer Sprüche wie "Das hätt's beim Adi nicht gegeben" klopfen durften. Die Evangelischen, die "Ketzer", wurden gesondert im Keller unterrichtet. Lehrer waren Sadisten wie der "Dalliwack", der das gefürchtete "Schmalzfedern", das schmerzhafte Ziehen an den Schläfenhaaren, praktizierte und den Buben auf dem Klo voyeuristisch nachspionierte. Ganz schön starker Tobak, auch wenn Klaffl im heiteren Plauderton eine Anekdote an die andere reiht und zwischendurch zum Kontrabass und zum Klavier eilt. Spätestens dann, wenn er in die Zukunft blickt, wo 2030 die AfD an der Regierung ist, geht jedem ein Licht auf: Wir haben aus der Geschichte nichts gelernt.

Es wird viel geschmunzelt, gekichert und freundlich gelacht, aber es sind dann doch Geschichten wie diese, bei denen sich alle schlapp lachen: In seiner Schule war der Direktor kleinwüchsig, weshalb er von den Schülern hinter vorgehaltener Hand "Laurin", wie der Zwergenkönig, genannt wurde. Eines Tages beim Unterricht ist ein Poltern an der Tür zu hören und der Klassenlehrer rätselt, was das sein könnte. "Es ist der Chef, der nach der Türklinke springt", entfährt es Hänschen Klaffl respektlos. Herrlich. Zu Höchstform läuft der Ebersberger auch auf, wenn er sich über die Absurditäten von mathematischen Textaufgaben lustig macht und sich in immer skurrilere Varianten hineinschraubt. Klaffl weiß natürlich, was von ihm erwartet wird und füttert das Publikum mit Beobachtungen aus dem Schulalltag. Der Eltern-Kampfbund, das Grundschulabitur werden ebenso aufs Korn genommen wie die aktuelle Schwemme an Einser-Abiturienten. "Das Kultusministerium überlegt derzeit, ob es die Noten nicht an die Energieeffizienz-Bezeichnung der Kühlschränke angleichen soll: von A+ bis A+++." Nach der Pause geht es mit leichter Kost weiter. Klaffl sammelt verunglückte Schlagzeilen und Redensarten, die er so spitzfindig zum Besten gibt, dass ihm mit diesen Albernheiten die größten Erfolge gelingen. Der unbedarfte Werbespruch "Damen-BHs 50 Prozent reduziert" lässt ein modisch fragwürdiges Bild entstehen. Die Zuschauer lachen Tränen, genauso wie über den unfreiwillig komischen Satz wie "Alle sind sauber ins Ziel gekommen", den ein aufgeregter Schwimmtrainer ins Reportermikro spricht. Zum Schluss packt Klaffl noch mal der Zorn, und er nimmt die verfehlte Bildungspolitik aufs Korn. Der Lehrplan wird von der Wirtschaft diktiert, der Bachelor landet als Penner unter der Brücke.

Zeitlich meint es Klaffl viel zu gut mit seinem Programm, eine Netto-Spielzeit von zweieinhalb Stunden überfordert einige im Publikum dann doch ziemlich. Eine Doppelstunde Klaffl, das wäre die richtige Dosis. Empfehlenswert wäre ein Kickstart ins Programm gewesen, anstatt den Einstieg mit den Possen über das Älterwerden unnötig in die Länge zu ziehen. In der Kürze liegt die Würze, möchte man Klaffl ins Zeugnis schreiben. Um 23 Uhr will jeder nur noch eines: nach Hause. So bekommt er freundlichen Beifall, aber sein engagiertes Programm hätte mehr Applaus verdient.

© SZ vom 28.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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