Süddeutsche Zeitung

Junge Politik in Bad Tölz:Lernen, in einer Demokratie zu leben

Vor der U 18-Wahl diskutieren sechs Vertreter von politischen Jugendorganisationen mit jungen Menschen in Bad Tölz. Insbesondere das Thema Migration bewegt das Podium wie das Publikum.

Von Veronica Bezold

"Wir haben die Möglichkeit, den zu wählen, der uns passt", betonte Franz Späth, Leiter der Tölzer Jugendförderung. Deshalb sei es auch so wichtig, zu wissen, wem man da eigentlich seine Stimme gebe. Damit die Tölzer Jugendlichen ihr Kreuz bei der anstehenden U 18-Wahl also bewusst und gut informiert setzen können, haben verschiedene Vereine zur Jugendförderung in der Region eine "Politour" durchgeführt. Bei unterschiedlichen Veranstaltungen in Jugendeinrichtungen konnten Minderjährige jungen Politikern Fragen stellen. Ihren Abschluss fand die Politour in einer Podiumsdiskussion mit Jugendvertretern von insgesamt sechs Parteien im Jugendcafé Bad Tölz am Mittwochabend.

Ursprünglich eingeladen waren alle zehn Parteien, die einen Direktkandidaten im Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen-Miesbach stellen, erklärte Kreisjugendpflegerin Verena Peck. Vertreten waren letztlich die Junge Union (CSU/CDU), die Jungsozialisten (SPD), die Jungen Liberalen (FDP), die ÖDP, die Grüne Jugend (Bündnis 90/Die Grünen) und die Linke.

Direkt zu Beginn der Veranstaltung machten die Jungpolitiker selbstbewusst klar, worum es ihnen und ihren Parteien geht. "Die SPD steht für soziale Gerechtigkeit", so der 21-jährige Bruno Peetroons (SPD). Simon Roloff (19), entsendet von den Jungen Liberalen, machte klar: "Wir glauben an die Freiheit des Einzelnen." Jakob Hirn, 23 Jahre alt, sieht seine Partei, die Linke, "aufseiten der Schwächeren."

Bei der Debatte um die Preise von ÖPNV-Tickets wurden die unterschiedlichen Ansichten der jugendlichen Politiker auch in der Praxis schnell deutlich. Teresa Wimmer (24) von der Grünen Jugend forderte, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für alle Bürger kostenlos sein sollte. "Der ÖPNV ist ein Aspekt der sozialen Teilhabe", sagte sie. Janina Wessendorf (22) von der ÖDP hingegen machte sich für einen Ticketpreis von einem Euro stark. Das vermittle, dass der Transport durch öffentliche Verkehrsmittel nach wie vor eine Leistung darstellt, "die etwas kostet."

Nach einem kurzen Schlagabtausch zwischen den Diskutanten stellte die 17-jährige Zuschauerin Catharina Badde dem Vertreter der Jungen Union Josef Rohrmoser (24) die Frage, die den Großteil der weiteren Debatte bestimmen sollte: Wie steht die Union zu einer Obergrenze für Asylsuchende? Rohrmoser betonte, dass es seiner Partei lediglich um eine Begrenzung von ungeordneter, illegaler Migration durch beispielsweise Schlepperbanden gehe. Dies stellte die kritische Zuschauerin nicht zufrieden. Die Zahl der Hilfsberechtigten zu begrenzen, sei für sie "moralisch überhaupt nicht vertretbar." Ein großer Diskussionsbedarf entstand daraufhin unter den politischen Vertretern auf dem Podium. Jakob Hirn von der Linkspartei empörte sich: "Wir können doch nicht einfach sagen, dass wir da einen Deckel drauf machen." Auf die Sorge einer anderen Zuschauerin, dass mit illegaler Migration auch Kriminalität nach Deutschland komme, meldete sich Ramo Ali zu Wort, der selbst vor wenigen Jahren aus Syrien nach Deutschland geflüchtet ist: "Man kann nicht alle Asylbewerber nicht reinlassen, nur weil ein Bruchteil kriminell ist." Es folgte Beifall vom Publikum.

Zum Schluss machten die jugendlichen Parteienvertreter kurz ihre Positionen zu den von Zuschauern gewünschten Themen "Verbesserung des Gesundheitssystems" und "Brandmauer nach Rechts" klar. Zuschauerin Sabrina Lorenz (21) fand: "Es war eine attraktive Aktion für Jugendliche." Darüber, dass lediglich Vertreter der Jugendorganisationen und keine tatsächlichen Direktkandidaten an der Diskussion teilnahmen, war sie nicht enttäuscht: "Ich fand das richtig cool."

So sahen das am Ende der Veranstaltung auch die Sprecher. Sie hätten sich jedoch eine größere Themenvielfalt gewünscht. Bruno Peetroons fehlte beispielsweise das Wohnraumproblem bei der Debatte und Jakob Hirn meinte: "Das Thema Klimaschutz wäre wichtig gewesen." Trotzdem hielt er diese Möglichkeit zum Austausch mit anderen Jugendlichen und die U 18-Wahl an sich für sehr wichtig: "Man muss lernen, was es heißt, in einer Demokratie zu leben."

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Quelle:
SZ vom 17.09.2021
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