Jugendbildung:Wählen wie die Großen

Jugendbildung: U18-Wahlen waren eine Forderung des Geretsrieder Jugendrats. Der erste Urnengang fand 2017 zur Bundestagswahl statt. Dafür warben (v. li.) Bürgermeister Michael Müller, Heidi Dodenhöft und Rudi Mühlhans.

U18-Wahlen waren eine Forderung des Geretsrieder Jugendrats. Der erste Urnengang fand 2017 zur Bundestagswahl statt. Dafür warben (v. li.) Bürgermeister Michael Müller, Heidi Dodenhöft und Rudi Mühlhans.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Zum dritten Mal können Jugendliche im Landkreis am Projekt U 18 teilnehmen. Bisher war die Resonanz "sehr ermutigend", sagt Jugendamtsleiter Ulrich Reiner. Und die Ergebnisse glichen den tatsächlichen verblüffend

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Rudi Mühlhans war bloß am Anfang und dann wieder am Ende bei "Go for Europa" in der Jugendbildungsstätte Königsdorf. Brexit und Dexit, Migration, Klimawandel, grenzenloses Studieren: Der Aktionstag im März bot fast fünf Stunden lang Workshops für Jugendliche zu diesen Themen. Am Abend fuhr der Geschäftsführer des Trägervereins Jugendarbeit Geretsried dann fünf junge Benediktbeurer nach Hause. Und die ganze Zeit habe sich die Unterhaltung in seinem Auto über nur um europäische Politik gedreht, sagt Mühlhans. "Das war Oberklasse." An der Europawahl am 26. Mai dürfen seine Fahrgäste - sofern sie noch nicht 18 Jahre alt sind - allerdings nicht teilnehmen. Da stelle sich die "grundsätzliche Frage, was traue ich Jugendlichen zu", sagt Kerstin Barth, Geschäftsführerin des Kreisjugendrings.

Deshalb findet eine U 18-Wahl gut eine Woche zuvor am Freitag, 17. Mai, an neun weiterführenden Schulen im Landkreis statt. Dazu zählen die Realschule, die Mittelschule, die Berufsschule und die Montessori-Schule in Bad Tölz, das Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium Icking, das Max-Rill-Gymnasium in Reichersbeuern, die Mittelschule Wolfratshausen, die Realschule Geretsried und die Montessori-Schule Dietramszell. Ihre Stimmen können alle Mädchen und Jungen von der fünften Jahrgangsstufe an abgeben, je nach Ressourcen der jeweiligen Schule klassenweise oder insgesamt. Es gibt Wahllokale mit Kabinen, Urnen, Stimmzetteln, an den Schulen selbst und auch in den Jugendhäusern in Geretsried und Tölz. Die Ergebnisse werden dann auf der Homepage www.u18.org veröffentlicht. Die Wahl wird im Landkreis von einem Organisationsteam mit Vertretern der Kreisjugendpflege, des Kreisjugendrings, der Jugendbildungsstätte Königsdorf, dem Trägerverein Jugendarbeit Geretsried, der Tölzer Jugendförderung, dem Kinder- und Jugendförderverein Wolfratshausen, der Evangelischen Jugend im Dekanat und der Katholischen Jugendpflege des Landkreises unterstützt.

Eine U 18-Wahl gab es schon zwei Mal im Landkreis: vor der Bundestagswahl 2017, vor der Landtagswahl 2018. Dabei zeigte sich, dass das Narrativ einer unpolitischen Smartphone-Generation, die sich bloß für Facebook, Twitter oder Instagram interessiert, blanker Unsinn ist. Nach der U 18-Abstimmung vor den Wahlen in Bayern im Herbst vorigen Jahres hätten ihm Lehrkräfte erzählt, sie hätten es selten erlebt, wie sich Schülerinnen und Schüler plötzlich dermaßen engagieren, berichtet Ulrich Reiner, Jugendamtsleiter des Landkreises. Kultusministerium und Sozialministerium, Schule und Jugendarbeit - zwei unterschiedliche Systeme mithin, die sich manchmal argwöhnisch beäugten - hätten mit der U18-Wahl damals geradezu "ein Feuerwerk" an Engagement der Jugendlichen entfacht, sagt Reiner. "Das war eine Sternstunde." Für Mühlhans gab es eine solche bereits 2017 bei der Premiere vor der Bundestagswahl. Schon damals sei die U18-Wahl, die vom Geretsrieder Jugendrat vorgeschlagen wurde, ein "sehr ermutigender Erfolg" gewesen, sagt er.

Für Kreisjugendpflegerin Verena Peck liegt der Termin für die Europawahl jedoch ungünstig. Das Datum falle mitten in die Prüfungsphase an den Schulen. Zudem sei es bereits die zweite U18 -Wahl binnen sieben Monaten. Dies sind für Peck die Gründe, weshalb sich diesmal, Stand jetzt, nur ein Drittel der weiterführenden Schulen im Landkreis beteiligt. Ebenso wie Peck verwies Franz Späth darauf, dass der Urnengang nichtsdestoweniger ein "Stimmungsbild der Jugend" liefere. Dies habe auch Einfluss auf die "weichenstellende Europawahl" am 23. Mai, meint der kommunale Sozialplaner der Stadt Bad Tölz.

Ebenso wie Mühlhans erinnerte Kerstin Barth daran, dass Teenager bei U 18-Wahlen, die es bundesweit seit 1999 gibt, fast genauso abstimmen wie volljährige Wähler. Sie sei daher erstaunt, wenn es Erwachsene überraschend finden, "dass Jugendliche normal wählen", so Barth. Auch 2020 soll es eine U18 -Wahl geben, dann vor den Kommunalwahlen. "Das wird eine schöne Herausforderung", findet Peck.

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