Süddeutsche Zeitung

Jugend- und Sozialarbeit:In Geretsried für Madagaskar lernen

Der Trägerverein begrüßt drei neue Freiwillige im sozialen Dienst. Claudia Realy will später in ihrer Heimat auf der afrikanischen Insel Kinder betreuen

Von Felicitas Amler

Claudia Realy kommt aus Madagaskar. Und da will sie auch wieder hin. Aber bevor die 21-Jährige in ihrer Heimat "den Kindern helfen" kann - das ist ihr Wunsch -, leistet sie ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) beim Trägerverein Jugend- und Sozialarbeit in Geretsried. Sie ist eine der drei neuen FSJ-lerinnen, die Geschäftsführer Rudi Mühlhans mit seinem Team betreut und die in Schulen eingesetzt werden. Wie wichtig diese Unterstützung nicht nur in den kommunalen Grundschulen, sondern inzwischen auch in der staatlichen Realschule ist, legten die Leiterinnen bei einem Pressegespräch dar. Rektorin Monika Bauer von der Isardamm-Grundschule sagte, ein FSJ-ler sei "das, was sich jede Lehrkraft wünscht".

Zwei der drei FSJ-Stellen bezahlt die Stadt Geretsried mit je 10 000 Euro. Bürgermeister Michael Müller (CSU) würdigte das Engagement der jungen Leute, da es "das soziale Leben in unserer Stadt heller macht - deswegen finanzieren wir es". Eine Tätigkeit für die Gesellschaft bereichere das Leben vieler Menschen, sagte er, auch das desjenigen, der sie leistet.

Müller und Mühlhans bedankten sich bei den drei scheidenden FSJ-lern Anna Koschnick, Laura Sigl und Jakob Arendt. Sie schilderten ihr Jahr in Geretsried als "wahnsinnig lehrreich" und "immer total lustig". Sie hätten nicht nur gelernt, wie man mit Kindern, sondern auch wie man mit Kollegen umgeht; und manche Herausforderung sei auch zu meistern gewesen. Laura Sigl erklärte, am Anfang hätten die Kinder schon "die Grenzen ausgetestet", sie habe die Erfahrung gemacht, dass es wichtig sei, ein Mittelmaß zwischen Nähe und Grenze zu finden.

Eine Backaktion am Buß- und Bettag, eine Schnitzeljagd und ein italienischer Abend im Ferienprogramm: Auch das haben die jungen Helfer organisiert und gestaltet. Im Alltag an den Schulen standen sie den Lehrkräften bei vielem zur Seite, von der Obstausgabe bis zu Leseübungen. Für Laura Sigl war das Soziale Jahr "ein Treffer ins Schwarze": Sie will nun fürs Grundschullehramt studieren. Jakob Arendt wusste vorher schon, dass er im richtigen Metier ist. Er geht an die Fachhochschule Benediktbeuern, um Soziale Arbeit zu studieren. Und Anna Koschnick will zwar etwas anderes studieren, aber "vielleicht nebenberuflich was mit Kindern machen".

Ein Test-Jahr

Für solche Entscheidungen haben die neuen FSJ-ler noch ein ganzes Jahr Zeit. Und genau die möchte sich die Jüngste unter ihnen, Anna Lemke, 16, auch nehmen. Sie habe nach der Mittleren Reife nicht genau gewusst, wie es weitergehen sollte, jetzt wolle sie "testen, ob ich fürs Soziale geschaffen bin", sagte sie. Sie sammelt ihre Erfahrungen an der Karl-Lederer-Grundschule. Dort ist sie sowohl in Klassen als auch in der Nachmittagsbetreuung dabei. Konrektorin Barbara Süßmann freut sich darüber: "Gerade jetzt in den ersten Klassen sind wir heilfroh", sagte sie, denn am Anfang brauchten viele Kinder Eingewöhnungshilfen: "Nicht nur die, die kein Deutsch sprechen." Später soll Anna auch in der Lernförderung mitarbeiten.

Bei Rektorin Monika Bauer an der Isardammschule ist Claudia Realy eingesetzt. Sie hat schon ein Jahr in Geretsried als Au-pair-Mädchen gearbeitet und spricht sehr gut Deutsch. Sie ist gezielt hierhergekommen, um sich erst im Freiwilligen-Dienst, dann im Studium auf ihr Ziel vorzubereiten: "Ich möchte Sozialarbeit im Süden von Madagaskar leisten."

Die dritte FSJ-Stelle, die über den Trägerverein läuft, ist neu und besonders. Denn Realschulen kommen gewöhnlich nicht in den Genuss einer solchen Unterstützung. Christine Venus-Michel, die stellvertretende Rektorin der Einrichtung im Geretsrieder Schulzentrum, sagte, das Kultusministerium sei der Schule entgegengekommen und habe eine Förderung bewilligt, um einmal auszuprobieren, wie sich das bewährt. Im Moment gehe es darum, dass sich die Freiwillige, Vanessa Ongerth, in den fünften Klassen "einfach dazusetzt und hilft". Denn erstens gebe es heuer besonders viele Neue an der Realschule Geretsried - mehr als 30 -, und zweitens seien darunter auch einige, die nicht oder nicht gut genug Deutsch könnten. Oder, wie Venus-Michel sagte: "Viele mit DaZ-Bedarf." DaZ ist die Abkürzung für Deutsch als Zweitsprache. Die FSJ-lerin arbeitet in den Lerninseln der fünften Realschulklassen mit. Dies ist ein räumlich und pädagogisch sehr offenes Modell, das auf selbständiges Lernen und Teamarbeit zielt. In der offenen Ganztagsschule soll sie bei den Hausaufgaben ebenso mitmachen wie in der Spielzeit.

Rudi Mühlhans sagt, die FSJ-ler hätten eine reguläre Arbeitszeit von 39 Stunden pro Woche, einen Urlaubsanspruch von sechs Wochen und nähmen an 25 Tagen an Seminaren teil. Das Taschengeld liege bei 642 Euro - "der Höchstsatz, darauf legen wir Wert". Die Stelle an der Realschule bezahlt der Trägerverein Jugend- und Sozialarbeit zu 30 Prozent. Und der Geschäftsführer blickt bereits aufs nächste Jahr: "Wir gehen davon aus, dass wir auch 2020/2021 zwei bis drei FSJ-Stellen anbieten werden können. Wir freuen uns deshalb natürlich über frühzeitige Bewerbungen."

www.jugendarbeit-geretsried.de

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Quelle:
SZ vom 26.09.2019
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