Jugend musiziert:"Eine gewisse Robustheit ist vonnöten"

Nicht für jedes talentierte Kind ist die Teilnahme an Musik-Wettbewerben ein Gewinn

Von Sabine Näher, Bad Tölz-Wolfratshausen

Heuer verzeichnen die Musischulen deutlich weniger Teilnehmer bei "Jugend musiziert" als in den Vorjahren. Das liege zum einen an der Besetzung, für die der Wettbewerb diesmal ausgeschrieben war, erklärt Franz Deutsch, Gründer der Musikwerkstatt Icking. "Nämlich für Solobläser und Zupfinstrumente, Klavier plus Streichinstrument sowie Klavier zu vier Händen." Erfahrungsgemäß fänden Klavier und Streicher solo mehr Zuspruch. Aber das dürfte nicht der einzige Grund sein.

Musikschullehrer allerorten beklagen, dass das achtstufige Gymnasium den Kindern zuviel Druck gemacht und ihnen zu wenig Zeit für anspruchsvolle Beschäftigungen wie das Erlernen eines Instruments gelassen habe. Aber auch die zunehmenden Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten, forderten ihren Tribut, sagt Sabine Beyer, musikalisch-pädagogische Leiterin der Musikschule Geretsried. Einen weiteren Aspekt bringt Harald Roßberger ins Spiel. Er ist Leiter der Tölzer Musikschule, die traditionell besonders viele Teilnehmer und Sieger bei "Jugend musiziert" stellt: "Für manche Kinder ist das eine sehr wertvolle Maßnahme, für viele andere aber auch nicht", sagt er. Wichtiger als die Begabung eines Schülers sei die "unbedingte Bereitschaft", dabei sein zu wollen. "Und eine gewisse Stabilität und Robustheit ist auch vonnöten." Ein Kind, das nur den Eltern oder dem Lehrer zuliebe bei "Jugend musiziert" teilnimmt, läuft seinen Worten nach Gefahr, beschädigt zu werden. Zumal eine Tendenz der Jurys festzustellen sei, den Leistungsgedanken immer mehr in den Vordergrund zu rücken, so Roßberger. Umso mehr müsse geprüft werden, welches Kind von einer Wettbewerbsteilnahme profitieren könne. Diese Entscheidung müsse der Lehrer fällen. Und sie verlange ihm viel ab. "Die Kinder müssen intensiv vorbereitet werden", betont Roßberger, "und zwar nicht nur, was die Fertigkeiten am Instrument angeht. Man muss sie auch auf die Wettbewerbssituation selbst einstimmen und sie mental auf den Umgang mit einer Niederlage vorbereiten." Das kostet viel Zeit, die nicht alle Lehrkräfte in die Vorbereitung eines Wettbewerb stecken möchten. "Manche initiieren lieber ein besonderes Orchester- oder Musiktheaterprojekt, das alle Kinder mitnimmt", sagt Roßberger. Schließlich habe die Musikschule eine doppelte Aufgabe: Sie soll sowohl die Spitzenbegabungen entdecken und fördern als auch der großen Mehrheit der Schüler Spaß an der Musik vermitteln.

Franz Deutsch sieht eher die Vorteile des Wettbewerbs: "Das Bewusstsein, was Musik ist, was ihre Qualität ausmacht, wächst bei der Vorbereitung und Teilnahme am Wettbewerb immens." Die Gefahr, dass eine negative Bewertung Kinder verschreckt, ist seiner Erfahrung nach eher gering. Außerdem seien die Jurymitglieder in den vergangenen Jahren vermehrt darauf bedacht, ihr Urteil einfühlsam zu verkünden.

Auch Beyer betont ihre positive Einstellung zu "Jugend musiziert", weist aber ebenfalls darauf hin, dass man die Kinder mit Bedacht auswählen müsse. Roßberger bringt es auf den Punkt: "Das Wichtigste ist, dass alle Teilnehmer mit einem guten Gefühl vom Wettbewerb heimkehren!"

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