Süddeutsche Zeitung

Jubiläum:Neuland in Penzberg

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Die Alpenvereinssektion der früheren Bergarbeiterstadt feiert ihr 100-jähriges Bestehen - mit aktuell 1830 Mitgliedern und Freunden

Von Benjamin Engel, Penzberg

Mit der Hütte am Fuß des Längenbergs zwischen Lenggries und Kochel am See hat die Sektion Neuland aus Penzberg einen immer beliebteren Stützpunkt. Wer in der Selbstversorgerhütte auf 1235 Höhenmetern am Wochenende übernachten will, wird sich dieses Jahr schwertun. Bis in die Oktober hinein ist schon fast alles ausgebucht. Und außerdem können nur Sektionsmitglieder dort reservieren. Wesentlich unkomplizierter können Bergbegeisterte mit den Sektionsmitgliedern hingegen das hundertjährige Bestehen feiern. Aus diesem Anlass organisiert die Sektion Neuland nämlich an diesem Samstag, 18. Mai, auf dem Penzberger Stadtplatz ein Fest für die Bevölkerung. Die einzelnen Abteilungen stellen sich und ihre Arbeit vor. Die Gäste können sich zwischen 11 und 14.30 Uhr im Hindernislauf, beim Holzsägen oder auf einem Mountainbike-Parcours versuchen.

Mit der Anfang der1930er-Jahre errichteten Neulandhütte nahe Penzberg hängt wohl auch zusammen, wie die Sektion in die frühere Bergarbeiterstadt gekommen ist. Denn das ist eine etwas verzwickte Geschichte. Die Vorläuferorganisation gründete sich im Januar 1910 in der bayerischen Landeshauptstadt als Ortsgruppe München der Sektion Saalfelden im heutigen Österreich. Nach Ende des Ersten Weltkriegs stieg die Mitgliederzahl in München stark, was wohl der Muttersektion im Alpenland missfiel. Die Saalfeldener verboten der Ortsgruppe in der bayerischen Landeshauptstadt, eigene Mitglieder aufzunehmen. 1919 spalteten sich die Bayern ab und gründeten eine eigene Sektion unter dem Namen "Bergwelt". Weil das der nahen Sektion "Bergland" zum Verwechseln ähnlich klang, wurde schließlich die heutige Bezeichnung "Neuland" gewählt. Die später gebildete Ortsgruppe Penzberg wurde zunächst von München aus geleitet, der Vereinssitz erst 2012 offiziell 50 Kilometer nach Süden verlegt.

Der heutige Vorsitzende der Penzberger Sektion Christian Waldenburg erklärt diese Verwicklungen mit den unterschiedlichen Einstellungen zur damaligen Zeit. "Der Deutsche Alpenverein ist vor 150 Jahren gegründet worden", sagt er. "50 Jahre später herrschte bei einigen noch die Vorstellung, es sollte sich um eine Art englischen Club handeln, zu dem nicht jeder Zutritt hat."

Der Unterschied zu heute ist gravierend. Denn der Alpenverein boomt. Die Mitgliederzahlen steigen seit Jahren rasant, so auch in Penzberg. Allein 2018 traten 191 neue Mitglieder in die Sektion Neuland ein. Zum Jahreswechsel waren in der örtlichen Alpenvereinsgliederung damit schon 1830 Personen registriert. Wie Kerstin Wehrberger von der Geschäftsstelle berichtet, sind darunter vermehrt Familien sowie 20- bis 30-Jährige. Das liege auch am breiten Angebotsspektrum in der Sektion, vermutet sie. Von gemütlicheren Aktivitäten bis zu anspruchsvollen Hochtouren und Mountainbike-Exkursionen bis hin zu den Kindergruppen finde jeder etwas für sich.

Gerade das Engagement für den Nachwuchs hat dazu beigetragen, dass der Sitz der Sektion "Neuland" inzwischen in Penzberg ist. Anfang dieses Jahrtausends habe der örtliche Verein die Jugendarbeit intensiviert, sagt Waldenburg. Zahlreiche Gruppen seien entstanden. Mittlerweile stammten etwa zwei Drittel der Mitglieder aus Penzberg, der Rest aus München und Umgebung. Deshalb sei vor etwa zehn Jahren entschieden worden, den Hauptsitz offiziell zu verlagern. Die jüngsten Mitglieder seien in Penzberg etwa sieben oder acht Jahre alt. Mit ihnen mache das Sektionsteam Ausflüge in die Umgebung. So könnten sie die Natur spielerisch entdecken, etwa beim Aufspüren von Tierspuren oder auf dem Barfußpfad. "Später werden die Touren dann anspruchsvoller", schildert Waldenburg.

An der Neulandhütte hat der vergangene Winter Spuren hinterlassen. Bis zu zweieinhalb Meter türmte sich dort der Schnee. Obwohl Vereinsmitglieder das Dach sogar zweimal abschaufelten, wurde der Kamin unter der Schneelast beschädigt. Am Weg durch das Längental lagen auch unter dem Gewicht des Schnees zusammengebrochene Äste und Bäume quer über dem Weg, wie der zweite Vorsitzende Sebastian Posselt berichtet. Dramatisch sei das aber nicht. In schneereichen Wintern passiere das eben.

Längst schaut der Vorstand in die Zukunft. Was die Sektion "Neuland" für Mitglieder so attraktiv macht und wie mit dem Zuwachs umzugehen ist, soll auf einem Workshop im Herbst thematisiert werden. Posselt findet es grundsätzlich positiv, dass mehr Menschen die Natur- und Bergwelt genießen wollen. Kritisch finde er es allerdings, wenn der sensible Lebensraum teilweise zum Abenteuerspielplatz entwickelt werde.

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Quelle:
SZ vom 18.05.2019
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