Jubiläum am Samstag:Älter als Geretsried selbst

Die Freiwillige Feuerwehr feiert am Wochenende ihre Gründung vor 70 Jahren

Von Petra Schneider, Geretsried

Wenn man Florian Effenberger nach einem Einsatz fragt, der ihm besonders im Gedächtnis geblieben ist, muss er nicht lange überlegen: Der Brand in der Silvesternacht zum Jahreswechsel 2017/18. In einem Mehrfamilienhaus der Baugenossenschaft an der Sudetenstraße war kurz nach Mitternacht ein Feuer ausgebrochen. Eine aus der Hand abgefeuerte Rakete zerstörte eine Etage mit vier Mietwohnungen, Menschen kamen zum Glück nicht zu Schaden. Oder die Schneekatastrophe im Januar, wo auch Geretsrieder Feuerwehrler tagelang Schnee von den Dächern räumten.

Vom gewaltigen Brand im Jahr 1976, dem Schloss Eurasburg zum Opfer fiel, weiß Effenberger nur aus Erzählungen älterer Kameraden. Er selbst ist erst 37 Jahre alt. Mehr als sein halbes Leben, seit 21 Jahren, ist Effenberger Mitglied der Geretsrieder Feuerwehr, die am Samstag ihr 70-jähriges Bestehen feiert. Seit fast vier Jahren ist er Vorsitzender und hat die Jubiläumsfeier organisiert. Beim Telefonanruf ist der selbständige Zimmerer gerade auf einem Dach beschäftigt, Zeit für ein kurzes Gespräch nimmt er sich trotzdem. Auslöser für die Gründung der Geretsrieder Feuerwehr sei ein Lagerbrand gewesen, erzählt Effenberger. Im ehemaligen Zwangsarbeiterlager auf der Böhmwiese lebten nach dem Zweiten Weltkrieg Heimatvertriebene vor allem aus Graslitz, die 1946 in Geretsried angekommen waren. Im östlichen Teil der Barackensiedlung brach am 3. Juli 1949 ein Brand aus. Vermutlich hatten sich bei einem Ofenrohr Funken angesammelt, die sich durch die von der Sommerhitze ausgetrocknete Holzdecke im Nu ausbreiteten. Als die Feuerwehren aus Königsdorf, Wolfratshausen und Gelting eintreffen, ist Baracke 9 bereits völlig zerstört, zwei weitere zu einem großen Teil. 100 Heimatvertriebene verlieren erneut ihre mühsam und notdürftig aufgebaute Heimat.

Jubiläum am Samstag: Im Winter musste die Feuerwehr viele Dächer in Geretsried vom Schnee befreien - auch das Rathaus.

Im Winter musste die Feuerwehr viele Dächer in Geretsried vom Schnee befreien - auch das Rathaus.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Um solche Brandkatastrophen künftig zu verhindern, findet sich am 16. November 1949 im Gasthaus Böhm eine Gruppe Männer zusammen, die schließlich die Geretsrieder Feuerwehr gründen. Das Landratsamt stellt eine Tragkraftspritze zur Verfügung. Einer der Gründungsväter ist Rudolf Effenberger, Großvater des heutigen Vorsitzenden. Die Feuerwehrler waren schneller als die Gemeindeväter: Denn die Gründung der Kommune folgte erst einige Monate später am 1. April 1950. Bereits bei der ersten Sitzung unter Bürgermeister Karl Lederer beschloss der Gemeinderat, die Lagerfeuerwehr als Freiwillige Feuerwehr Geretsried in das junge Gemeinwesen zu integrieren.

Die Gründung vor 70 Jahren wird an diesem Samstag groß gefeiert. Effenberger freut sich, ist aber auch froh, "wenn alles gut rum ist", sagt er. Denn die Organisation von Kranzniederlegung, Fackelzug und großer Jubiläumsfeier in den Ratsstuben mit 230 geladenen Gästen habe viel Zeit in Anspruch genommen.

Die Freiwillige Feuerwehr Geretsried ist eine der größten Stützpunktfeuerwehren im Landkreis. Anders als sonst in Bayern üblich gibt es in Geretsried zwei Gerätehäuser: Die Feuerwache "Nord" an der Elbestraße und "Süd" an der Jeschkenstraße. Weil sich die Stadt auf einer Länge von rund sieben Kilometern entlang der B 11 und westlich der Isar erstreckt, könnte mit nur einer Feuerwache die vorgeschriebene "Hilfsfrist" nicht eingehalten werden. Denn das Bayerische Feuerwehrgesetz schreibt vor, dass spätestens zehn Minuten nach Eingang eines Notrufs alle an einer Straße gelegenen Einsatzorte erreichbar sein müssen.

Jubiläum am Samstag: An Silvester vor zwei Jahren brannte es im Obergeschoss eines Wohnhauses an der Sudetenstraße.

An Silvester vor zwei Jahren brannte es im Obergeschoss eines Wohnhauses an der Sudetenstraße.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

In den 1950-er Jahren gab es in Geretsried sogar drei Feuerwehrhäuser: Im Ortsteil Stein, in der Sudetenstraße und am Schalmeienweg, wo jahrzehntelang die Hauptstelle war. Diese Wache wurde 2007 abgerissen und durch die Feuerwache Nord an der Elbestraße ersetzt. 16 Fahrzeuge hat die Feuerwehr zur Verfügung. Knapp 90 ehrenamtliche Einsatzkräfte, darunter zehn Frauen, sind rund um die Uhr in Bereitschaft. 50 Fördermitglieder unterstützen finanziell bei der Beschaffung von Gerätschaften und Material und stocken städtische Zuschüsse auf. Durchschnittlich 240 Einsätze pro Jahr leisten die Ehrenamtlichen in ihrer Freizeit.

Seit 2017 ist Erik Machowski Kommandant. Geretsried sei nicht nur Standort von Altenheimen, Kindergärten und Schulen mit den üblichen Gefahrenpotenzialen, sondern auch Sitz mehrerer Chemie- und Industriebetriebe, deren Produktionsgüter zum Teil ein erhöhtes Gefahrenpotenzial bergen.

Nachwuchssorgen haben die Geretsrieder Feuerwehrler nicht, sagt Effenberger. Bei der Jugendgruppe machen derzeit 15 Teilnehmer zwischen zwölf und 18 Jahren mit. Probleme gebe es eher, wenn die Nachwuchsretter wegziehen, weil sie anderswo studieren oder eine Ausbildung beginnen. "Aber mit diesem Problem sind wir in Geretsried nicht alleine", sagt Effenberger.

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