Wegen Politik zur Kreisklinik:Donnerwetter auf den Landrat

Wegen Politik zur Kreisklinik: Schon vor der Bürgerversammlung protestierten 30 Mitarbeiter gegen eine Privatisierung der Kreisklinik.

Schon vor der Bürgerversammlung protestierten 30 Mitarbeiter gegen eine Privatisierung der Kreisklinik.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Bürgermeister Michael Müller nutzt die Bürgerversammlung Geretsried zu heftigen Attacken gegen Josef Niedermaier. Er wirft ihm Feigheit, schlechte Manieren und Überrumpelungstaktik vor.

Von Susanne Hauck

Die Stadt Geretsried hat am Mittwochabend eine Bürgerversammlung erlebt, in der weniger die Eingeladenen ihren Verdruss loswurden als der Einladende. Bürgermeister Michael Müller (CSU) lieferte eine große Abrechnung mit Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) und dessen Gebaren in der Affäre Wolfratshauser Kreisklinik. Dass sich der Landrat mit Verweis auf die aufgeheizte Debatte kurzfristig hatte entschuldigen lassen, brachte das Fass zum Überlaufen. Müller kanzelte den Landkreischef derartig ab, dass den etwa fünfzig Anwesenden in den Ratsstuben die Spucke wegblieb. Er warf ihm nicht nur schlechte Manieren und Feigheit vor, sondern machte ihn auch für eine, wie er sagte, nie dagewesene Spaltung des Landkreises verantwortlich. Seit Wochen wird darüber diskutiert, ob die Klinik in öffentlicher Hand bleiben oder an einen Investor vergeben werden soll.

Im Saal saßen am Mittwoch auch Wolfratshausens Bürgermeister Klaus Heilinglechner (Bürgervereinigung), Bundestagsabgeordneter Andreas Wagner (Linke), der Vorsitzende des Vereins Freunde der Kreisklinik Wolfratshausen, Gerhard Hasreiter, und Chefarzt Josef Orthuber. Schon die erste Erwähnung des Namens Niedermaier quittierte das Publikum mit einem lautstarken Buh. "Das ist ein Affront gegen die Stadt Geretsried", sagte Müller wütend. Einen Tag vorher abzusagen - das habe keinen Stil. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass man es nach 14 Monaten Corona nicht für notwendig hält, die Bürgerversammlung der größten Stadt des Landkreises aufzusuchen und sich nicht traut, Rede und Antwort zu stehen", sagte Müller.

Nach einer kleinen Verschnaufpause in Form des obligatorischen Rechenschaftsberichts ging er nochmals zum Angriff über. Sein Urteil über den Landrat in Sachen Kreisklinik fiel vernichtend aus. "Was soll man ihm noch glauben", fragte er rhetorisch. Im Kreistag habe der Landrat eine Überrumpelungstaktik betrieben und die wahre Brisanz der Sache absichtlich mit nichtssagenden Wortungetümen in der Beschlussvorlage versteckt.

Müller warf Niedermaier vor, die Pandemiesituation bewusst für seine Zwecke ausgenutzt zu haben, um die Entscheidung durchzudrücken und jeden Widerstand im Keim zu ersticken. Weil ja im Lockdown jegliche Versammlung verboten war. Alles habe hinter verschlossenen Türen stattfinden sollen, so Müller. Mit einem "Maulkorbbeschluss" habe der Landrat den ohnehin zum öffentlichen Schweigen verpflichteten Kreisräten überdies noch jede Besprechung untersagen wollen. "Als gewählter Kreisrat spreche ich mit wem ich will, wo ich will und wann ich will", sagte Müller unter donnerndem Applaus.

Starkbierfest 2020

Ein Bild aus unbeschwerten Zeiten: Beim Starkbierfest vergangenes Jahr saßen Josef Niedermaier (Mitte) und Michael Müller (re.) noch vergnügt zusammen am Tisch. Nun wirft der Geretsrieder Bürgermeister dem Landrat Feigheit und Verschleierungstaktik vor.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Bürgermeister hat längst den Schluss gezogen, dass es für Niedermaier nur darum gehe, die vor 20 Jahren privatisierte Tölzer Klinik zu retten, um "nicht blöd dazustehen". "Die Filetstückchen gehen deswegen nach Tölz, und in Wolfratshausen gibt's nur noch Pflaster und Spritzen." Nun stehe der Landkreis vor einem Scherbenhaufen. "Es ist eine Frage von Nord und Süd", sagte Müller. "Nächstes Jahr feiern wir das 50-Jährige des Landkreises und sind gespalten wie nie."

Zwischendurch gab es dann auch so etwas wie die übliche Bürgerversammlung. Die Bürger hatten einige wenige Anträge eingereicht, in denen es um die Einrichtung einer Kneippschen Wassertretanlage und die Taktverbesserung des 378er-Busses nach Gelting ging. Ein Anwohner vom Künnekeweg hatte sich schriftlich über zu viel Kindergeschrei beschwert und verlangte von der Stadt "eine Räumung des Spielplatzes nach 20 Uhr", stieß damit aber auf Granit. Die Feierlichkeiten zum ausgefallenen Doppeljubiläum - 70 Jahre Gemeinde, 50 Jahre Stadt - will Müller am liebsten auf 2025 als nächstes rundes Datum verschieben.

Großes Thema war auch der neue Karl-Lederer-Platz (KLP). Es gibt Bürger, denen die, wie sie es nennen, "hässliche Betonwüste" nicht gefällt. Den Beschwerdeführern hielt der Bürgermeister mit einem Foto des Stadtzentrums vor dem Umbau entgegen: "Die Realität sah so aus." Zudem klagen Anwohner über angeblich ausufernden Kinderlärm. "Mir sind spielende Kinder lieber als 80 parkende Autos", meinte Müller unter Applaus. "Aber wir schauen, dass wir eine Lösung für die Nutzerkonflikte finden."

Der Bürgermeister bekannte sich zum Umbau des Zentrums und räumte lediglich ein, dass man über Geschmack streiten könne. Sein Fazit zum KLP: "Aber ich bin heute über den Platz gelaufen, habe mir ein Eis gekauft, und kann sagen, er ist ein Erfolg."

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