Tölzer Politik:"Es gab kein Hinterzimmer"

Josef Janker war zwölf Jahre lang Bürgermeister von Bad Tölz. Zum Ende seiner Amtszeit zieht er nun ein Fazit. Ein Gespräch über gescheiterte Hotelprojekte, Erfolge, missliebige Leserbriefschreiber - und unterschwellige Kritik an seiner Amtsführung

Von Klaus Schieder

Fast ein Vierteljahrhundert hat Josef Janker (CSU) die Stadtpolitik in Bad Tölz maßgeblich geprägt, genau die Hälfte davon als Bürgermeister. Mit 67 Jahren geht er nun in Rente. Aber ehe er Ende April das Chefbüro im Rathaus seinem Nachfolger übergibt, blickt er noch einmal auf seine beiden Amtszeiten zurück. Ein Gespräch mit der SZ über unerfüllte Träume, Enttäuschungen, stolze Momente und eine Reihe erfolgreicher Projekte.

SZ: Herr Janker, wenn Sie noch etwas jünger wären, hätten Sie dann für eine dritte Amtszeit kandidiert?

Josef Janker: Nachdem ich 24 Jahre lang in der Kommunalpolitik tätig sein durfte, was mir viel Spaß gemacht hat, hätte ich nicht mehr kandidiert. 24 Jahre sind ausreichend. Es muss dann auch etwas Neues möglich sein, neue Ideen, sicher auch neue Wege.

Es reicht Ihnen also?

Die Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren schon massiv verändert. Was mich persönlich nicht so freut, ist diese Facebook-, Social Media- und Leserbrief-Mentalität, wo jeder zu jedem Thema was zu sagen hat, auch ohne Hintergrundwissen, ohne nähere Kenntnisse.

Sind Sie als Bürgermeister einmal beleidigt oder bedroht worden?

Bedroht, nein. Persönliche Angriffe, ja. Aber sehr gelinde wie: Es ist Zeit, dass dieser Bürgermeister in Rente geht, der muss abgesetzt werden, der taugt nichts. Aber als Bürgermeister muss man so was einfach ignorieren.

Das beherrschende Thema in Ihrer Ära war die Ansiedlung eines großen Hotels. Dazu ist es bis heute nicht gekommen. Ist das Ihr große Enttäuschung?

Nein. In der Broschüre "Neue Tölzer Hotelkultur", die wir 2011 vorgestellt haben, ist dafür ja ein Zeitstrahl bis 2030 genannt. Wir haben Investoren gehabt, für die Arzbacher Straße, für die Bockschützstraße, für die Wackersberger Höhe. Aktuell sind die Projekte Bockschützstraße und Wackersberger Höhe in Arbeit. Im Übrigen haben wir auch die Sportjugendherberge mit der E-Motion-Base errichtet und das Deutsche Jugendherbergswerk als Betreiber gewonnen.

Das Hotelprojekt Bichler Hof ist hingegen an einem Bürgerbegehren gescheitert. Darüber haben Sie sich sehr geärgert . . .

. . . es hat mich betroffen gemacht. Das Bürgerbegehren war natürlich in Ordnung, aber die Argumentation der Unterstützer hat mich fürchterlich geärgert, weil mit Halbwahrheiten gearbeitet wurde. Man hat den Menschen suggeriert, dass, wenn man das Bürgerbegehren unterstützt, dort dann günstige Wohnungen entstehen. Das war ein Schuss in den Ofen. Wir stehen mit leeren Händen da, ohne Wohnraum, ohne Hotel.

Die "Neue Tölzer Hotelkultur", die Sie vor neun Jahren zusammen mit Michel Maass, dem ehemaligen Geschäftsführer der Kempinski-Hotelkette, vorgestellt haben, fußt auf den drei Pfeilern Gesundheit, Tagungen und Wellness. Das Spa "Natura Tölz" wird es nun aber nicht geben, für Tagungsgäste fehlt dagegen oft ein großes Hotel. Ist dieses Konzept inzwischen nicht obsolet geworden?

Nein, das Thema Gesundheit wird beständig erweitert, wie im neu errichteten Vitalzentrum, mit den BKK-Wochen und vielen weiteren Angeboten. Und zum Tagungshotel: Es sind ein Zwei- und ein Vier-Sterne-Hotel an der Bockschützstraße in Planung, das auch für Tagungen sehr gut geeignet sein wird. Die Planung für ein Spa in Tölz wurde aufgegeben und hat sich tatsächlich erledigt.

Darüber können Sie doch froh sein. Das wäre ein Millionen-Grab geworden.

Ja, da haben Sie Recht. Das Spa wurde geplant, weil wir wussten, dass unsere Gastgeber nur in wenigen Fällen entsprechende eigenes Wellness-Angebot haben. Wir waren der Meinung, wir helfen ihnen, indem wir ein städtisches Spa bauen. Das war der Grundgedanke. Der Bürgermeister und der Stadtrat waren begeistert, die Stadtverwaltung stand voll hinter dem Projekt.

Aber dann wurde es zu teuer.

Als der Architektenwettbewerb gelaufen war und wir tiefer eingestiegen sind, haben wir feststellen müssen, dass wir keine Unterstützung durch die Gastgeber erwarten können. Nur von Ralf Munkert (Frisia-Klinik, Anm. d.Red.) kam Unterstützung, obwohl der eine eigene Wellnesseinrichtung hat. Dazu kamen die Investitions- und Betriebskosten, und wir hätten jährlich ein entsprechendes Defizit abdecken müssen. Das Defizit im städtischen Hallenbad ist nicht unerheblich. Dasselbe wäre in einem städtischen Spa zu erwarten. Da haben wir die Reißleine gezogen.

Nach dem Ende des Alpamare und des Jodquellenhofs verhandelte die Stadt mit der Jodquellen AG über die Zukunft das Areals, jedoch ohne Erfolg. Die Jod AG will Wohnungen, die Stadt eine touristische Nutzung - dieser Streit beschäftigt jetzt das Verwaltungsgericht München. Gab es da wirklich keine Kompromisslinie?

Die Schließung des Alpamare war eine unternehmerische Entscheidung. Die Stadt hat versucht, das Alpamare zu kaufen, das ist an der Kostenfrage gescheitert. Wir haben uns dann mit Vorstand Anton Hoefter auseinandergesetzt und ein städtebauliches Entwicklungskonzept mit vier Varianten erarbeitet. Die Kosten hierfür trugen die Stadt und die Jod AG je zur Hälfte. Die Varianten sahen Wohnungen, Gewerbeeinheiten, touristische Nutzung und eine Wellnessanlage vor. Dies war die Grundlage für den Bebauungsplan "Badeteil Mitte", mit dem wir 2015 an den Stadtrat herangetreten sind. Mit 16 zu sechs Stimmen wurde dann leider eine überwiegend touristische Nutzung beschlossen. Damit war das Thema für Herrn Hoefter erledigt - und der war darüber natürlich enttäuscht und verärgert. Aber eine Entscheidung des Stadtrats ist insbesondere für den Bürgermeister, auch wenn er anderer Meinung ist, bindend.

Am Ende könnte es aber genau auf einen solchen Kompromiss hinauslaufen.

Klar. Es muss ein Kompromiss gefunden werden. Die Basis dafür kann nur unser 2013 erarbeiteter Rahmenplan sein - die städtebauliche Entwicklung des Areals Alpamare mit vier Varianten.

Anton Hoefter sagt, Bad Tölz sei eine ehemalige Kurstadt, aber keine Touristenstadt. Hat er damit nicht recht?

Ja und Nein. Bad Tölz ist natürlich keine Kurstadt im herkömmlichen Sinn mehr. Aber für Tagungsgäste und Übernachtungsgäste ist sie hochinteressant. Wir arbeiten beständig an der Transformation von der ehemaligen Sozialkurstadt zu einer modernen Tourismus-Destination, und das werden wir auch schaffen.

Welche Zielgruppen muss Bad Tölz ansprechen? Der Gast, der wegen seiner Gesundheit kommt, dabei auch Urlaub macht und alles selbst zahlt, reicht ja nicht aus.

Wir haben in unserem Portfolio jede Menge Angebote, die Familien ansprechen, die Sportler ansprechen. Wir haben zwar keinen Skiberg, aber wir befinden uns in einer Skiregion und bieten etwa eine kostenlose Busverbindung zum Brauneck. Wir haben Wanderwege, Bergrouten und Radwege. Wir haben jede Menge Sportanlagen wie eine Boulderhalle, ein Eisstadion, Fußballplätze, eine Sportjugendherberge. Bei Familien denke ich einfach an den Blomberg, Was dort angeboten wird, ist für Familien mit Kindern hochinteressant. Zudem beweisen die nachvollziehbaren Zahlen des Referats für Stadtmarketing, Tourismus und Wirtschaftsförderung Zuwächse bei den Ankünften und den Übernachtungen.

Aber lange nicht mehr so viele Übernachtungen wie früher einmal.

Zu Zeiten der Sozialkur hatten wird etwa 850 000 Übernachtungen im Jahr, jetzt haben wir knapp 350 000. Aber dies sind meist Selbstzahler, die in der Stadt auch konsumieren. Sie gehen zum Essen, kaufen ein, nehmen Dienstleistungen in Anspruch. Wohingegen die Sozialkurgäste Vollverpflegung bekamen und sonst nichts konsumierten.

Ihre beiden Amtszeiten waren stark vom Thema Hotel geprägt. Es gab auch viele erfolgreiche Projekte, die davon überlagert und öffentlich wenig wahrgenommen wurden. Hat Sie das manchmal frustriert?

Ja, manchmal. Nur immer: Hotel, Hotel, Hotel. Dabei haben wir in den letzten Jahren unglaublich viel auf die Beine gestellt und investiert.

Sie haben dafür gesorgt, dass die Tölzer Vereine wieder genügend Hallenkapazitäten haben. Dafür müssen Ihnen die Vereinsbosse dankbar gewesen sein . . .

. . . die Reaktionen waren, dass die Vereine dies grundsätzlich positiv aufgenommen haben. Unser Sporthallenkonzept stammt aus dem Jahr 2012. Wir haben jetzt 13 Halleneinheiten, 18 ungedeckte Sportanlagen und vier Gymnastikhallen. Wir haben in den vergangenen zwölf Jahren ein Sportzentrum auf der Flinthöhe geschaffen, den neuen Sportplatz und das Vereinsheim für den SV Bad Tölz, den Sportplatz und das Vereinsheim für den SC Rot-Weiß Bad Tölz, das Klubheim für American Football, eine Kletterhalle, ein Boulderhalle. Ich glaube, das kann sich sehen lassen.

Fast das Gleiche gilt für Schulen und Kindergärten.

Ja, die Jahnschule und die Südschule wurden saniert und erweitert. Es wurde eine sechsgruppige Kinderkrippe an der General-Patton-Straße errichtet, und an der Jahnschule wird aktuell ein viergruppiger Kindergarten gebaut. Wir haben die Tölzer Jugendförderung personell massiv aufgestockt, die Jugendsozialarbeit an Schulen und Schulweghelfer an den Grundschulen initiiert. All diese Maßnahmen sind jeden Euro wert.

Nach jahrelanger Debatte wurde das Rathaus unter Ihrer Führung saniert. Andernorts taucht in solchen Fällen irgendwann eine Bürgermeister-Gedächtnistafel an der Außenmauer auf. Hätten Sie auch gerne ein solches Schild?

Nein, das mag ich nicht. Was mir wichtig ist: Wir haben jetzt ein modernes, funktionierendes, mitarbeiter- und bürgerfreundliches Rathaus, das barrierefrei, brandschutztechnisch absolut sicher, in der Datenverarbeitung optimiert und energetisch auf dem neuesten Stand ist. Es gab Kritik, dass das alles viel Geld - 10,4 Millionen Euro - gekostet hat. Ja, aber es ist eine kluge Investition in die Zukunft.

Worauf sind Sie sonst noch stolz?

Das Mehrgenerationenhaus im Franziskuszentrum ist eine ganz tolle Einrichtung. Das hat uns auch bei der Flüchtlingsthematik im Jahr 2015 sehr geholfen. Wir hatten dem Landkreis im Vorfeld angeboten, 60 Asylsuchende aufzunehmen, als wir sahen, wie schwierig die Unterbringung war. Der Helferkreis im Mehrgenerationenhaus bestand damals aus etwa 20 Leuten, von der Caritas, dem MGH, der katholischen und der evangelischen Kirche. In kürzester Zeit ist dieser Kreis auf mehr als 200 Personen angestiegen. Wir hatten damals gut 450 Flüchtlinge, mehr als Wolfratshausen und Geretsried zusammen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, wir schaffen das. Ich sage, wir haben es geschafft. Und zwar ohne große Probleme. Das war für mich ein unglaublich gutes und befriedigendes Gefühl.

Um Ihre Nachfolge bewarben sich vier Männer. Wäre es nicht mal Zeit für eine Frau an der Spitze der Stadt Bad Tölz?

Ja. Ohne den vier Kandidaten nahe treten zu wollen, wäre es natürlich wünschenswert, wenn auch eine Frau kandidiert hätte. Aber offensichtlich sind weniger Frauen als Männer bereit, sich politisch zu engagieren. Warum, weshalb, weiß ich nicht.

In der CSU-Stadtratsfraktion gab es sechs Jahre lang gar keine Frau mehr.

Ja, richtig. Aber auf der aktuellen CSU-Kandidatenliste waren jetzt sieben Frauen. Das finde ich wichtig. Und richtig gut.

Alle vier Bewerber hatten angekündigt, für mehr Transparenz in der Stadtpolitik zu sorgen. Anders ausgedrückt: Unter Janker war sie intransparent.

Das muss man fast so auffassen. Ich weiß aber nicht, was darunter zu verstehen sein soll. Alles, was in öffentlichen Sitzungen beschlossen worden ist, wurde über die Medien an die Öffentlichkeit gebracht. Alles, was nicht öffentlich war, hat man später, als der Grund für die Nicht-Öffentlichkeit wegfiel, öffentlich gemacht. Es gab kein Hinterzimmer, kein Gemauschel. Es gab kein einziges Thema, das von Stadträten oder Fraktionen an mich herangetragen wurde, das ich nicht auf die Tagesordnung gesetzt hätte. Aber wir werden ja sehen, was unter der angestrebten, propagierten Transparenz zu verstehen war.

Kommen Sie künftig als normaler Zuschauer noch zu den Ratssitzungen? Oder haben Sie von den Debatten die Nase voll?

Ich werde sicher ab und zu kommen und zuhören. Ich habe den Wahlkampf verfolgt, die verschiedenen Themen der Kandidaten und deren Programm zur Kenntnis genommen. Nun bin ich brennend interessiert daran, wie und was davon umgesetzt wird. Meine Prämisse war immer: Du kannst nicht alles versprechen, du brauchst für alles eine Mehrheit im Stadtrat.

Was haben Sie sonst im Ruhestand vor?

Ich werde mehr Zeit für die Familie haben, mehr Zeit für meine beiden Enkel. Ich werde in die Berge gehen, in meinem Garten arbeiten und meinem Sohn in der Firma helfen. Ich werde nicht mehr von Terminen abhängig sein. Langweilig wird mir nicht. Und noch eins: Ich habe immer furchtbar gerne gearbeitet, und das wird auch in Zukunft so sein.

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