Immer mehr Stühle werden in den Saal der Musikschule gebracht, Reihen werden angeschlossen, stellenweise wird die strenge Konzertsaalsymmetrie aber auch aufgegeben. Man ist gespannt. Einen böhmischen Violinvirtuosen des Barock und den King of Soul an einem Abend hören zu können, passiert einem nicht jeden Tag. Doch das hoch motivierte Lehrerkollegium der Wolfratshauser Musikschule stellt sich zum Jahresauftakt mit einem Programm von Heinrich von Biber bis Stevie Wonder vor, ein Programm, das auch Musikschulleiter Manfred Heller "abenteuerlich" nennt und das Publikum mitreißt.
Mit Bibers "Sonata representativa" hat sich Geigenlehrer Josi Vorbuchner ein Kleinod des siebzehnten Jahrhunderts ausgesucht. Am Cembalo begleitet von Emanuel Schmidt, führt er verschmitzt durch die Sonate und ihre zahlreichen Tierimitationen. Auf kleinstem Raum bekommt man mit, welche zoologische Vielfalt klanglich auf vier Saiten realisiert werden kann. Der didaktische Anspruch fällt dabei nicht unter den Tisch: Für jedes erratene Tier gibt es in der Pause Gummibärchen. Und während das Publikum noch diskutiert, ob es eben eine Taube oder einen Kuckuck gehört hat, folgt schon der Sprung ins zwanzigste Jahrhundert. Ein Gitarrenduo, bestehend aus Manfred Heller und Rainer Krüger führt in die Musiklandschaft Südamerikas, zwischen sanften Harmonien und ausdrucksvollem Tango.
Dass eine der schönsten Erfahrungen als Musikschüler das Ensemblespiel ist, wird im Laufe des Programms immer wieder deutlich. So auch, wenn sich Hannes Schempp (Klavier), Sigrid von Kracht (Geige) und Catarina Wendtlandt (Cello) zusammenfinden, um das Finale von Antonin Dvořáks f-Moll-Trio Opus 65 zu musizieren. Mit Schwung und Engagement zeigen sie, wie musikalische Kommunikation funktioniert und wie es am Ende klingen kann, mal dramatisch, mal zärtlich.
Musik kann auch jenseits der Proben verbinden. Das beweist Posaunenlehrerin Birgit Oblasser, die ihren Mann mitgebracht hat, um mit diesem den "Devil's Waltz" des belgischen Komponisten Steven Verhelst aufzuführen. Im Duo zertrümmert das Posaunisten-Paar alle Klischees, denen zufolge das tiefe Blechblasinstrument nicht zu den flexibelsten, klangschönsten gehört. Mit Humor und Virtuosität aufgeführt, begeistert die teuflische Einflüsterung das Publikum.
Immer größer werden die Ensembles, immer mehr in Richtung unterhaltsamer Musik geht es, denn auch das hat schließlich seinen Platz an einer Musikschule. "Heinrich Zapf und Kollegen", so ist eine Combo angekündigt, die unter Federführung des Klarinetten-Pädagogen und Volksmusik-Experten Zapf für Tanzstimmung sorgt. Das gelingt mit Klezmer-Sound, den Zapfs munter trillernde, glucksende Klarinette produziert, im Zusammenspiel mit dem grundierenden Bass von Maximilian Fraas, Rainer Krügers Gitarre und dem Akkordeon von Helmut Sinz, der später noch als Jazzpianist brillieren soll. Für ein Stück von Herbert Pixner gesellen sich noch drei Musiker dazu, sodass am Ende eine siebenköpfige Band Musik macht, mit Elan und Improvisationslust. Trompeter Andreas Unterreiner erntet für sein gekonntes Ad-Hoc-Spiel gar Szenenapplaus.
Auch dem Jazz verschließt sich die moderne Musikpädagogik nicht. Die Wolfratshauser Musikschule kann sich daher freuen, mit Melanie Kemser eine fähige Vokalistin dieses Genres neu im Kollegium zu haben. Mit Sinz am Klavier und Lorenz Rutigliano am Schlagzeug entführt die junge Sängerin mit ihrer weichen Stimme in die Welt des südamerikanischen Jazz, lässt Swing-Rhythmen schweben und schließt das Programm, unterstützt noch vom Saxofon Markus Maiers, mit "Sir Duke" von Stevie Wonder. Das Publikum freut sich über eine Zugabe und hätte sich auch über noch eine und noch eine gefreut, aber der nächste Tag ist ein Arbeitstag und das Kollegium bereitet sich auf den Unterricht vor.
Ein Unterricht, der im Falle dieses beschwingten Kollegiums sicher das reine Vergnügen ist.