60 Jahre Brauneck-Bergbahn:Gondeln zum Gipfel

Walter Knirk war dabei, als die ersten Bäume am Berg fielen. Der 98-Jährige wurde der erste Geschäftsführer. Am Sonntag steigt ein großes Fest.

Von Benjamin Engel, Lenggries

Meter um Meter haben sie sich nach oben gearbeitet. Am steilen Hang oberhalb der Gilgenhöfe frästen sie in den Fünfzigerjahren eine lange, schmale Schneise durch den Bergwald. Mit Handsägen fällten sie die Bäume. Im Winter schafften sie die Stämme ins Tal, weil sie sich über den Schnee leichter hinunterziehen ließen. Zwei Jahre ging das so. Dann war zumindest die Trasse fertig - für den Bau der Bergbahn auf den Lenggrieser Hausberg Brauneck.

Walter Knirk war von Anfang an dabei. Er setzte sich entscheidend für den Bau ein und wurde der erste Geschäftsführer der Bergbahn. Heute ist er 98 Jahre alt. Mit der Baumfällung wollten er und die anderen Gründer der Vorbereitungsgesellschaft Fakten schaffen, um einen Investor anzulocken. "Uns war klar, dass wir den Bau der Bahn nicht alleine finanzieren konnten. Mit der Trasse wollten wir schon etwas vorweisen, damit jemand gleich einsteigen kann." Der Grundstein für die Fertigstellung der Bergbahn vor 60 Jahren war damit gelegt: Die Umlaufkabinenbahn wurde am 16. November 1957 offiziell in Betrieb genommen. Das feiert das Unternehmen am Sonntag mit einem großen Fest.

Schon fünf Jahre zuvor hatte eine Gruppe von Lenggriesern um den damaligen Bürgermeister Franz Xaver Taubenberger den Gesellschaftsvertrag für die Brauneck-Bergbahn GmbH unterzeichnet. Der Landkreis Bad Tölz war ebenso beteiligt. Knirk war damals Journalist beim Tölzer Kurier und hatte für die 1951 eröffnete Wallbergbahn am Tegernsee Werbung gemacht, wie er erzählt. "Ich habe mir gedacht, wenn die das können, können wir das auch." Schließlich seien die Münchner schon seit den Zwanzigerjahren mit der Eisenbahn nach Lenggries gefahren und dann mit geschulterten Skiern zu Fuß auf das Brauneck gestiegen. In der Gemeinde habe er große Unterstützung für den Bau einer Bergbahn bekommen. "Alle Lenggrieser waren dafür, dass die entsteht", sagt Knirk. Nicht zuletzt die Gastwirte hätten gute Geschäfte erwartet.

60 Jahre Brauneck-Bergbahn: Am 16. November 1957 brachte die Bergbahn am Brauneck zum ersten Mal Passagiere auf den Gipfel. Die Fahrt kostete damals für Einheimische 3,50 Mark, Auswärtige zahlten 5,50 Mark.

Am 16. November 1957 brachte die Bergbahn am Brauneck zum ersten Mal Passagiere auf den Gipfel. Die Fahrt kostete damals für Einheimische 3,50 Mark, Auswärtige zahlten 5,50 Mark.

(Foto: Brauneck-Bergbahn)

Nach dem Freischlagen der Trasse legten Arbeiter Mitte der Fünfzigerjahre eine Materialbahn auf das Koteck an. Und mit der fuhr Knirk auch zum ersten Mal am Brauneck nach oben. "Ich habe mich in einen Baukübel gesetzt", sagt er. Das sei zwar schon damals verboten gewesen. Doch er habe sich gedacht, dass er das machen könne, wenn damit die Baumaterialien ohne Zwischenfall oben ankämen. Mit ihren Vorarbeiten hatten die Gesellschafter schließlich das Interesse des Stahlbauunternehmens Friedrich Krupp aus Essen geweckt.

Die Firma trug als Mehrheitseigner das finanzielle Risiko. Im Juli 1956 war Spatenstich. Nach 16 Monaten Bauzeit war die Bergbahn fertig. Die 3,2 Kilometer lange Strecke einschließlich Gipfel- und Talstation zu errichten, hatte rund drei Millionen Mark gekostet. Die Gesellschaft hatte hohe Schulden. Wie sich Knirk erinnert, hätten die hohen Kosten den damaligen Chef der Lenggrieser Sparkasse den Job gekostet, weil er so viel vorfinanziert habe. Auch ein leitender Projektverantwortlicher von Krupp sei entlassen worden.

Monate vor der offiziellen Eröffnung war Knirk als einer der ersten mit der Bergbahn auf das Brauneck gefahren. "Wir mussten ja den Betrieb testen", sagt er. "Zwei, drei Gondeln haben wir leer nach oben fahren lassen, dann bin ich mit einigen Arbeitern eingestiegen." Die Talstation lag damals viel näher bei Lenggries im Bereich der Gilgenhöfe. Denn die meisten Wanderer und Skifahrer kamen damals mit dem Zug in den Ort. Der Fußmarsch bis zur Bergbahn sollte nicht so lang sein. Die überwand auf zehn Stützen 830 Höhenmeter in 17 Minuten. 400 Fahrgäste transportierte sie in einer Stunde nach oben. Für Einheimische kostete die Berg- und Talfahrt 3,50 Mark - und Einheimische waren damals alle Bewohner des Tölzer Landkreises. Auswärtige mussten 5,50 Mark berappen. Für eine Halbe Bier waren damals 80 Pfennig fällig. Ein stolzer Preis, schließlich lag der durchschnittliche Stundenlohn seinerzeit bei 0,50 Mark.

60 Jahre Brauneck-Bergbahn: Der erste Chef Walter Knirk war zuvor schon im Kübel der Materialbahn hinaufgefahren. Der heute 98-Jährige kann sich noch gut an die ersten Jahre erinnern.

Der erste Chef Walter Knirk war zuvor schon im Kübel der Materialbahn hinaufgefahren. Der heute 98-Jährige kann sich noch gut an die ersten Jahre erinnern.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Um für die Bahn zu werben, klapperte Geschäftsführer Knirk anfangs Reisebüros in ganz Ober- und Niederbayern ab und verteilte Prospekte. Zur Eröffnung wurden an bayerischen Bahnhöfen Plakate angebracht. 1958 verzeichnete die Bergbahn 170 000 Fahrten. Acht Jahre später waren es 240 000 Passagiere. Laut Knirk kam die Bergbahn nach etwa zehn Jahren erstmals in die Gewinnzone. 1967 übernahm der Münchner Bauunternehmer Josef Schörghuber die Anteile von Krupp.

In den Sechzigerjahren dann explodierte die Zahl der Lifte am Brauneck. Fast jedes Jahr eröffnete ein neuer. 1977 surrten am Berg bereits 21 Lifte und Bahnen. Anfangs hatte Knirk noch jeden Morgen im Winter die örtlichen Skilehrer auf das Brauneck geschickt. "Die durften als erstes mit der Bahn fahren und haben die Spuren auf den Abfahrten in den Schnee gelegt." Ehe in den Sechzigerjahren erste Pistenraupen aufkamen, hätten die Skilehrer eine Handwalze hinter sich hergezogen, um die Piste zu präparieren.

Heute ist Hightech längst in die Pistenpflege eingezogen. Rund 130 Kanonen und Lanzen sprühen Schnee auf die Hänge. Im Garlandkessel wurde dafür ein Speicherteich gebaut. Drei von vier Pistenraupen der Brauneck-GmbH, zu der heute auch die Wallbergbahn gehört, sind mit GPS-Schneehöhen-Messgeräten ausgestattet, um die weiße Unterlage optimal verteilen zu können.

1993 rückte die Talstation direkt an die Unterkante des Braunecks heran. Das spart Zeit und damit ließ sich die Beförderungsleistung erhöhen. Dafür hatte Knirk - er schied nach 30 Jahren Ende 1986 als Geschäftsführer aus - noch den Grund gekauft. Im Winter 1999/2000 wurden die alten Gondeln nach 42 Jahren ersetzt. Liebhaber konnten die historischen Stücke zu je 100 Mark kaufen. Um Naturschutz, so gibt Knirk zu, hat er sich in den Anfangsjahren der Brauneckbahn noch keine Gedanken gemacht. "Heute könnten wir die Trasse wahrscheinlich nicht mehr so einfach bauen", sagt er. Neue Berge mit Bahnen zu erschließen sei nicht sinnvoll. Doch ohne die Brauneck-Bergbahn hätten sich Lenggries und der Isarwinkel wirtschaftlich nie so stark entwickelt. Davon ist er überzeugt. Was er sich beim Anblick der Bergbahn heute denkt? "Befriedigung", sagt er.

Das Programm

Am Sonntag holt die Bergbahn das Fest nach, das bereits für den 3. September geplant war, aber wegen des schlechten Wetters ausfallen musste. Höhepunkt wird das Open-Air der Tölzer Kultband "The Heimatdamisch" um Bananafishbones-Schlagzeuger Florian Rein am Ausstieg des Ahornlifts. Beginn ist um 16.30 Uhr. Los geht das Fest um 10 Uhr mit Jodeln. Danach feiert der Skiclub Bad Tölz eine Bergmesse, später gibt es junge Plattler, Goaßlschnalzer und eine Greifvogelschau des Falkners Paul Klima. Um 20 Uhr geht das Fest zu Ende, wenn die letzte Gondel zu Tal fährt. Berg- und Talfahrt kosten wie immer 20 Euro pro Person, Kinder zahlen zehn Euro. Der Eintritt zum Fest ist frei.

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