Karl Straub ist wütend. Ein Anschlag wie in Solingen oder München – und jahrelange Bemühungen seien zunichtegemacht, sagte der Integrationsbeauftragte der bayerischen Staatsregierung. Straub war am Mittwoch zu Gast bei der Islamischen Gemeinde in Penzberg. Natürlich überwiege im ersten Moment die Betroffenheit und die Anteilnahme, aber dann komme sie eben hoch – diese Wut, erzählte er. Denn in Folge solch schrecklicher Ereignisse würden Muslime über einen Kamm geschert, Geflüchtete pauschal verdächtigt. Dass Mitbürger muslimischen Glaubens nicht generell Extremisten sind und sie ein für alle Mal als Teil der deutschen Gesellschaft angesehen werden, ist ein Ziel, das Straub und die Islamische Gemeinde in Penzberg verbindet. Der Besuch des Forums an der Bichler Straße ist da nur ein Anfang.
Ein Ergebnis des Treffens vorweg: Im kommenden Jahr feiert die Islamische Gemeinde das 20-jährige Bestehen ihres Forums an der Bichler Straße. Nicht nur dieses Fest steht an. Imam Benjamin Idriz wünscht sich, dass der bayerische Ministerpräsident 2025 zum Ramadanfest vorbeischauen würde. Eine „schöne Gelegenheit“, wie er es nennt. Straub ermutigte die Anwesenden, Markus Söder eine Einladung zu schicken. Wenn es sein Terminkalender zulässt, werde der Ministerpräsident sicher kommen, meinte Straub.

Idriz und Straub hatten sich erst kurz zuvor bei einer Veranstaltung in der Hanns-Seidel-Stiftung zum Thema „Demokratie und Religion“ getroffen. Der Integrationsbeauftragte lobte den Penzberger Imam, der in seinem Impulsvortrag überzeugend seine Position dargestellt habe, so Straub. Man habe als Muslim nicht oft die Gelegenheit, seine Gedanken, Gefühle und Perspektive zum Ausdruck zu bringen, erwiderte Idriz. Für ihn, sagte der Penzberger Imam, stelle die Veranstaltung, zu der der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) eingeladen hatte, einen Wendepunkt in der bayerischen Politik dar. Es sei ein deutliches Signal gewesen, dass zu diesem interreligiösen Austausch auch Muslime eingeladen wurden. Straub wiederum bekräftigte, es solle eine Nachfolge-Veranstaltung geben, einen „Fachtag“, der die Zusammenarbeit zwischen Glaubensvertretern und Staat vertiefen solle.
Am Rande war ferner das Anti-Salafismus-Video Herrmanns Thema. Der Minister habe sich bei der Veranstaltung in München, bei der Vertreter der christlichen Kirchen, des Islam und des Judentums diskutierten, dafür entschuldigt. Der Rat der Muslime in Deutschland habe dem Innenminister am Dienstag einen Brief geschrieben, berichtete Idriz. Viele Muslime hätten sich beleidigt gefühlt.
Islamisches Forum platzt aus allen Nähten
Doch solche Vorkommnisse sollen der künftigen Kooperation nicht im Weg stehen. Straub erfuhr bei der Besichtigung von Forum und Moschee, dass „Penzberg eine Oase des gegenseitigen Respekts“ sei. Aber auch, dass die Islamische Gemeinde in puncto Integration an ihre Grenzen stößt. Konkret geht es um die Deutschkurse. Seit 20 Jahren werden sie in dieser Form im Landkreis Weilheim-Schongau nur in Penzberg angeboten. Die Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer steigt. Hinzu kommt noch der Religionsunterricht aus Deutsch. Die Schüler stammen nicht allein aus Penzberg. Das Einzugsgebiet sei groß, so Idriz. Es sei eine große Verantwortung, den jungen Menschen Werte zu vermitteln, die sowohl ihre Identität und Religiosität berücksichtigen als auch die demokratischen Grundsätze der Bundesrepublik.
Vize-Direktorin Gönül Yerli erzählte, dass es vielen Eltern nicht darauf ankäme, dass ihre Kinder perfekt den Koran lesen könnten. „Wir vermitteln ein Islamverständnis in und für Deutschland“, betonte sie. Wichtig sei, auf die Fragen der Buben und Mädchen einzugehen, die mit vielen Themen alleingelassen würden – gerade auch nach den jüngsten Terroranschlägen. Auf Straubs Rückfrage brachten Idriz und Yerli als Beispiel die Frage nach dem Status von Christen und Juden im Islam. Beide seien keine „Ungläubigen“, sondern „Andersgläubige“. Sprache spiele eine wichtige Rolle. Auf Gewalttaten könne die Antwort nur lauten, dass „Islam immer Friede heißt“, sagte Yerli.
Einen pädagogischen Weg zu finden, stellt die Verantwortlichen im Penzberger Forum vor Schwierigkeiten. Etwa wenn Kinder aus Afghanistan erst verinnerlichen müssten, dass die Taliban nicht die wahren Werte des Islam vermitteln würden oder die Stellung der Frau keineswegs eine untergeordnete sei. „Alle erreichen wir nicht“, so Yerli. Daher wäre es so wichtig, dass es Religionsunterricht für muslimische Kinder an den Schulen gäbe. Die Islamische Gemeinde, die im nächsten Jahr das 20-jährige Bestehen des Forums an der Bichler Straße feiert, sei überfordert.