Isar:Vom Wildwasser zum kostenlosen Freizeitpark

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Von David Costanzo

Jedes Frühjahr fragt sich Isar-Ranger Kaspar Fischer: Kann es heuer wieder mehr Andrang am Fluss geben? Kann es noch eine neue Trendsportart geben? Um eine Antwort auf die erste Frage zu bekommen, braucht der Hüter des Flusses nicht einmal in seinen Jeep zu steigen. Der 44-Jährige hört sie schon in seinem Haus in Gaißach, die Schreie, 300 Meter Luftlinie vom Wasser. "Aaaaahhhh!", kreischen die Teilnehmer, wenn die Schlauchboote die kleine Stromschnelle hinabsausen. Dann weiß Fischer: Es geht schon wieder los.

Und für eine Antwort auf die zweite Frage muss der Isar-Ranger nur einen Blick im Computer in die sozialen Netzwerke werfen. Von Scubing hat er neuerdings erfahren: Taucher mit Schnorchel lassen sich im Wildwasser flussabwärts treiben.

Kaspar Fischer ist an der Isar aufgewachsen. Heuer hütet er zum fünften Mal von April bis Oktober im Auftrag des Landratsamts gemeinsam mit einem Kollegen "Klein-Kanada", wie er sein Einsatzgebiet südlich von Bad Tölz nennt. Zwei weitere Wächter sind im nördlichen Landkreis unterwegs. "Die gewerbsmäßige Nutzung ist explodiert", sagt der Isar-Ranger. "Geschäftemacherei auf Kosten der Natur." So kann es nicht weitergehen.

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Das sieht auch eine Mehrheit in der Umfrage zum Jubiläum der SZ Bad Tölz-Wolfratshausen so. 52 Prozent der Teilnehmer stören sich an den Besuchern aus Stadt und Umland, die längst nicht mehr nur an den Wochenenden Flüsse, Berge und Seen im Landkreis bevölkern. In der Altersgruppe unter 50 Jahren ärgern sich mit 73 Prozent sogar noch mehr Menschen über den Andrang. Zudem ist im südlichen Landkreis mit 63 Prozent der Frust größer als im Norden mit 47 Prozent.

An der Isar protestieren Umweltschützer schon lange gegen das wilde Treiben auf dem Fluss und am Ufer, unter dem bedrohte Vögel wie der Flussuferläufer und seltene Fische wie der Huchen leiden. Im Einsatzgebiet des Isar-Rangers gibt es viele Pflanzenarten, die auf der Roten Liste stehen. Seit Jahren müssen Wasserwacht und Feuerwehr immer wieder Schlauchbootfahrer aus dem Hochwasser bergen. Im vergangenen Sommer war der Fluss mehrere Tage für Freizeitkapitäne gesperrt. Das Landratsamt erarbeitet derzeit eine Bootsverordnung. Landrat Josef Niedermaier (FW) sagt: "Wir werden um Einschränkungen nicht herumkommen."

Nun sind es nicht nur die Bootsfahrer, die sich die Isar untertan gemacht haben. Sie ist seit Menschengedenken kein Wildwasser mehr, Anrainer und Profiteure haben die Reißende gezähmt. Dem Fluss fehlt es an Wasser, Geschiebe und Treibholz, sagt etwa Isar-Ranger Kaspar Fischer. Der Fluss war und ist Handelsweg und Lastenschlepper, Kraftwerk und Hochwasserschutz, Fischfabrik und Flößerstraße. Und eben auch ein kostenloser Freizeitpark für Camper, Wanderer und Mountainbiker.

Für viele Kritiker sind kommerzielle Anbieter das größte Übel

Auch die Bootfahrerei ist nichts Neues: Vor genau 20 Jahren ermittelte ein Gutachten des Kanuverbandes im Schnitt 72 Boote pro Sommersamstag. Im vergangenen Jahr allerdings zählte der Isartalverein an einem Julitag am Kloster Schäftlarn rund 130 schwimmende Untersätze - in nur zwei Stunden.

Anders als der Landrat und manche Naturschützer hält Isar-Ranger Kaspar Fischer nicht die Freizeitkapitäne, sondern die kommerziellen Anbieter für das größte Übel. Denn während die Privatleute nur an den ganz heißen Sommertagen ihre Schlauchboote aufpusten, buchen die Rafting-Unternehmen alle Wochenenden voll - bei fast jedem Wetter.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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