Stadtbild:Stückchen für Stückchen

Lesezeit: 3 min

Die Abrissarbeiten am ehemaligen Isar-Kaufhaus in der Wolfratshauser Altstadt laufen nach eineinhalb Jahren Stillstand wieder. Weil sie aber so kompliziert sind, werden sie noch eine ganze Weile dauern.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Der Bauzaun vor dem einstigen Isar-Kaufhaus in der Wolfratshauser Altstadt ist nicht besonders hoch, so kann man leicht einen Blick auf die Ruine dahinter werfen, die nun wieder eine Baustelle ist. Auf den Resten der Decke zum Obergeschoss sieht man Bauarbeiter hin und her laufen, hinter Bergen aus Schutt und Aushub dreht sich ein Betonmischer und auf dem künftigen Parkplatz am Hang zum Bergwald bewegen sich ein großer Bohrkran und ein Bagger. "Hier bewegt sich was", so lautet der Slogan der Stadt für Baustellen. Eineinhalb Jahre lang hat er wie blanke Ironie gewirkt an der eingefrorenen Ruine, die eher ein Mahnmal des Stillstands war. Nun trifft er endlich wieder zu - wenn auch nur bedingt. Denn der Abriss, der im Juni 2019 gestoppt und erst Anfang dieses Jahres wieder aufgenommen wurde, läuft sehr langsam.

„Hier bewegt sich was“, proklamieren Zaun-Plakate an der Isar-Kaufhaus-Baustelle. (Foto: Hartmut Pöstges)

Warum das so ist, hat Frank Maiberger schon oft erklärt: Weil das unmittelbar angrenzende Nachbarhaus mit der Nummer 5 aufwendig abgesichert werden muss, kann der Abriss immer nur schrittweise erfolgen. Der Projektleiter der Untermarkt 7-11 GmbH, die an der Stelle einen Neubau mit Laden und 15 Mietwohnungen errichten will, sagt am Dienstag vor der Baustelle: "Das geht nur Stück für Stück, man muss sehen, was man findet." Eine Abrissbirne sucht man auf der Baustelle vergeblich. Stattdessen sieht man die Arbeiter mit einer langen Düse hantieren, die mit einem Schlauch verbunden ist und die sie immer wieder vorsichtig in die Wand des Nachbarhauses stecken. Damit werde ein Spezialklebstoff für die Anker gesetzt, die den nächsten Stahlträger stabilisieren sollen, erklärt Maiberger. Zwei davon sieht man schon an der Außenwand, sie stützen jeweils die Decken des Nachbarhauses.

1 / 2
(Foto: Hartmut Pöstges)

Seit Anfang des Jahres wird wieder abgerissen - wenn auch extrem langsam.

2 / 2
(Foto: Hartmut Pöstges)

Komplex ist beispielsweise die Hangsicherung.

Das Prinzip, mit dem die Arbeiter mehrerer Spezialfirmen vorgehen, erklärt Maiberger so: Einen Teil freilegen, die Verhältnisse überprüfen, stabilisieren und dann abreißen - Stück für Stück. "Bevor wir eine Wand wegnehmen, müssen wir schauen, ob der Altbestand mit dem Nachbaranwesen verbunden ist oder nicht", sagt er. "Das ist schon sehr unterschiedlich vorgefunden worden." Treffe das zu, müsse der Statiker kommen und den Abschnitt freigeben. "Das kostet wieder Zeit." Einen Termin für die Vollendung des Abrisses mag der Projektleiter daher nicht nennen. Wenn es so weitergehe wie gehabt, sagt er aber, gehe er davon aus, dass vordem Sommer der letzte Stein abgetragen werden könne. Noch sieht man durch die einstigen Schaufenster die Rolltreppe und große Schuttberge im Inneren des Kaufhauses.

Die abzureißenden Abschnitte müssen immer wieder und Stück für Stück von einem Statiker freigegeben werden. (Foto: Hartmut Pöstges)

Mehr als vier Jahre ist es her, dass Rechtsanwalt Harald Mosler den neuen Besitzer des Isar-Kaufhauses vorgestellt hat: Der Grünwalder Rainer Scherbaum hatte die fünf Jahre leer stehende, zentrale Immobilie übernommen, um sie abzureißen und dort einen Neubau mit Wohnungen und einem Laden im Erdgeschoss zu errichten, in dem die Drogeriekette Müller eine Filiale betreiben will. Vor ziemlich genau zwei Jahren wurde dann der Abriss begonnen - und knapp zwei Monate später vom Landratsamt wieder gestoppt, weil das Nachbargebäude einsturzgefährdet war. Kurz darauf hat das Verwaltunsgericht München die Baugenehmigung in einem von Anwohnern angestrengten Eilverfahren eingefroren. Im Mai vergangenen Jahres verkündeten Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) und Landrat Josef Niedermaier (FW) zwar, dass zumindest der Abriss rechtlich weitergehen könne. Allerdings dauerte es bis November, bis sich die Investoren mit den Nachbarn über die Absicherung einigen konnten. Dazu gehört auch ein komplexes Stützgerüst aus Stahlträgern, das den Balkon in Richtung Bergwald stabilisiert.

"Der Aufwand ist mit allen Themen sicherlich deutlich höher, als man es erwartet hat", sagt Maiberger. Das betreffe auch den Parkplatz für die Kunden des Ladens im Neubau, der auf dem Grundstück hinter der Happ'schen Apotheke entsteht, das die Scherbaum-Gruppe von der Stadt erworben hat. Komplex sind dort laut Maiberger vor allem die Hangsicherung und die Entwässerung. Zum Berg hin wurde eine Wand aus Spritzbeton errichtet, die später begrünt wird. Das Parkplatzareal selbst wird mit Bohrpfählen gesichert, die teils mit Kies, teils mit Beton verfüllt werden. "Die Themen beim Isar-Kaufhaus waren schon mehr als üblich", räumt der Projektleiter ein. "Jeder sieht, dass das eine komplizierte Baustelle ist. Aber wir sind guter Dinge. Unser Ziel ist es, noch heuer mit dem Rohbau zu starten." Etwa eineinhalb Jahre dauere es dann bis zur Fertigstellung des Neubaus.

Zügiger geht es auf dem Kraft-Areal am Bahnhof voran, wo die Scherbaum-Gruppe 110 Wohnungen und einen großen Supermarkt errichten lässt. Das Vorhaben werde wohl früher fertig werden als das in der Altstadt, sagt Maiberger, der auch das andere Wolfratshauser Projekt betreut. Als die Pläne fürs Isar-Kaufhaus publik wurden, wurde für das Kraft-Areal noch der Bebauungsplan erstellt, damals waren dort noch ein großes Einkaufszentrum und wenige Wohnungen geplant. Einen Vergleich der beiden Projekte habe man aber nie angestrengt, betont Maiberger. "Das eine ist eine Großbaustelle", sagt er, dann schaut er auf die Kaufhaus-Ruine: "Und das hier ist klein und kompliziert."

© SZ vom 14.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: