Süddeutsche Zeitung

Ausstellung in Irschenhausen:Zum Gackern schön

Lesezeit: 3 min

Peter Gaymann bringt sein Huhniversum ins Hollerhaus. Da freut sich nicht nur das Federvieh.

Von Stephanie Schwaderer, Icking

Vernissage im Hollerhaus und ganz großes Gegacker. Die Damen tragen rote Schuhe und nippen am Prosecco. Bald könnte es noch einen Leckerbissen geben, auf dem kleinen braunen Ofen brutzelt ein Braten. Die Stimmung ist angemessen kunstsinnig. Eine kritische Besucherin hat jedoch einen Schwachpunkt ausgemacht: "Die Bilder hängen zu hoch!" "Anfängerfehler", bestätigt ihr Nachbar. Dabei ist das nun wirklich eine Frage der Perspektive. Genauer: der Hühner-Perspektive. Für Menschen nämlich hängen die Bilder im Hollerhaus auf genau der richtigen Höhe. Und selten dürfte dort so viel gelacht und gegiggelt worden sein wie bei dieser Vernissage. Peter Gaymann hat sein Huhniversum nach Irschenhausen geholt. Und das ist wirklich zum Gackern.

Da gibt es schweißtriefende Hühner-Nackedeis in der Sauna ("Schade um die gute Brühe") oder eine Dame, die sich bäuchlings ausgestreckt hat, um sich den Rücken behandeln zu lassen. Der Mann hinter ihr hat dafür die "richtig feine Olivenöl-Knoblauch-Basilikum-Marinade" ausgewählt und trägt eine Kochmütze, was ihre bange Frage erklärt: "Sind Sie überhaupt Masseur?"

Die größte Attraktion für eingefleischte Hühnerfans sind aber fünf neue Blätter, die rechts neben dem Ofen hängen. Sie zeigen allesamt Hühner im Hollerhaus und sind auch eben dort entstanden. Eines davon ist die "Vernissage im Hollerhaus", ein Bild, das an diesem Tag seine Erfüllung findet.

Der Meister hat sich wenige Minuten vor der Eröffnung ins kleine Wohnzimmer zurückgezogen. Ruhig und ernst sitzt er in einem alten Sessel und wirkt in seinem schwarzen Anzug ein bisschen so, als sei er hier der Hausherr. Der Raum strotzt vor Erinnerungen, Büchern, Bildern, Tand. Schon als er das erste Mal das Hollerhaus betreten habe, habe er gewusst, dass er hier zeichnen und ausstellen wolle, sagt Gaymann.

Den Reflex, den Stift zu zücken, kenne er von vielen Reisen. Es sei ihm zur Gewohnheit geworden, schöne oder besondere Motive an Ort und Stelle einzufangen. "Es ist aber das erste Mal, dass ich einen Ausstellungsort gezeichnet habe." Und noch etwas sei an diesem Ort besonders gewesen: Die Hühner seien wie von selbst in die Bilder gekommen.

Eben jener barocke Tisch, an dem er gerade sitzt, findet sich auch auf einem der Hollerhaus-Cartoons. Nur, dass dort ein Gockel thront. Neben ihm haben sich vier Hühner unter eine bunte Decke aufs Sofa gekuschelt und schlafen selig Seite an Seite. Doch nicht mehr lange. Denn den Chef plagt ein Gefühl: "Hunger!" brüllt er mit rotem Kopf. Wenn da nicht gleich vor Schreck ein paar Eier gelegt werden!

"Schweinekalt" sei es gewesen, als er im November und Dezember im Hollerhaus gearbeitet habe, sagt Gaymann. "Ich saß hier im Wintermantel." Für den letzten Pfiff ist er vor wenigen Tagen auf die Leiter gestiegen und hat mit dickem schwarzen Edding die Bilderleisten in Hühnerstangen verwandelt. Nun vergnügt sich auch dort das Federvieh - und genehmigt sich ein Schlückchen.

Unten drängen sich derweil die Gäste. Der kleine Ausstellungsraum ist so voll, dass manche Leute draußen stehen müssen, als Galeristin Lia Schneider-Stöckl ihre Ansprache hält. Sie charakterisiert Gaymann als "Meister der spitzen Feder und der sanften Ironie" und lässt einige seiner Lebensstationen Revue passieren: Freiburg, Rom, Köln. Seit 2017 lebt Gaymann mit seiner zweiten Ehefrau in einem ehemaligen Gasthaus in Neufahrn bei Schäftlarn. "Die Straße, an der das Hollerhaus liegt, führt praktisch schnurstracks zu ihm."

Für die Ausstellung hat der berühmte Nachbar nicht nur Hühnerbilder ausgewählt, sondern auch viele bayerische Motive, die auf Spaziergängen und Ausflügen in der Gegend entstanden sind. Auch eine Kostprobe aus seinem neuesten Buch gibt es. Es heißt "Geht doch!" und versammelt etwa 70 Cartoons zum Thema Rollator. Kann man darüber lachen? Oh ja!

Überhaupt hat Gaymann jede Menge Lesestoff zur Vernissage mitgebracht. Mehr als 100 Bücher hat er mittlerweile veröffentlicht. Vor dem Signier-Tischchen bildet sich rasch eine lange Schlange. Und Gaymann nimmt sich Zeit. Jeder bekommt zum Autogramm noch einen ganz eigenen Gruß. "Kunst kommt von Kaufen" weiß der Hahn über der Tür. Am Ende des Nachmittags werden deutlich mehr Hühner das Hollerhaus verlassen haben, als in der Ausstellung zu finden sind. Noch so ein Wunder im Huhniversum.

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