Interview zur Covid-19-Situation:"Österreich zeigt uns, dass es funktioniert"

Interview zur Covid-19-Situation: Bürgermeister Michael Müller leitet das Krisenmanagement in Geretsried.

Bürgermeister Michael Müller leitet das Krisenmanagement in Geretsried.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller über das Corona-Krisenmanagement, in dem er sich auch mit seinem Kollegen aus Nickelsdorf abstimmt

Von Felicitas Amler

SZ: Herr Müller, Sie haben am Wahlabend angekündigt, jetzt das Corona-Krisenmanagement in Angriff zu nehmen. Was war oder ist der erste Schritt?

Michael Müller: Wir haben uns vergangene Woche schon an Pandemie-Plänen orientiert, die es für Betriebe gibt. Der Gedanke war von Anfang an, wichtige Tätigkeiten in der Kommune herauszuarbeiten und festzustellen, wie wir diese grundsätzlich sicherstellen. Beispielsweise geht es bei den Stadtwerken um die Wasserversorgung, bei der Stadt um die gesetzlichen Pflichtaufgaben; dazu gehören auch die Wahl, die öffentliche Sicherheit und Ordnung und die wichtigen Dienstleistungen wie Passwesen, Meldebescheinigungen oder Beerdigungen. Die grundsätzlichen Versorgungsleistungen müssen sichergestellt werden.

Ist irgendetwas davon in Frage gestellt?

Nein, momentan nicht. Genau das ist ja Ziel dieser Pandemie-Planung.

Was wird anders als alltags gestaltet?

Unter dem Einfluss des Virus geht es vor allem um Verhaltensregeln, Sicherheitsmaßnahmen, Hygiene und Desinfektion. Wir hatten schon vergangene Woche Desinfektionsstationen am Eingang des Rathauses und an den Schulen eingerichtet. Wir haben einen erhöhten Reinigungsmodus in unseren Gebäuden und auch an den Schulen. Außerdem haben wir vor und nach der Wahl die Wahllokale desinfiziert.

Ist das alleinige Chefsache, oder gibt es im Rathaus einen Krisenstab?

Natürlich ist eine Pandemie-Planung immer Chefsache. Nachgeordnet gibt es einen engeren Krisenstab aus den Bürgermeistern und den Abteilungsleitern und einen erweiterten mit den Fachbereichsleitern. Dieser Krisenstab hat schon mehrmals getagt, wir stimmen uns mit den Maßnahmen untereinander ab.

Bietet die Stadt eine Notbetreuung für Kindergarten- und Schulkinder?

Es wird die allgemeine Notbetreuung geben, wie sie angekündigt wurde, etwa für Rettungs- und Sicherheitskräfte oder auch Krankenhauspersonal. Diese Notbetreuung gibt es bei den Trägern der Schulen und Kindergärten. Wir im Rathaus bieten so etwas nicht an, es wird uns auch empfohlen, das nicht zu machen. Der Sinn und Zweck, dass Kinder nach Hause geschickt werden, würde ja konterkariert, wenn wir jetzt quasi eine Kindergartengruppe eröffnen. Das Ansteckungsrisiko muss minimiert werden. Wenn es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die gar keine andere Möglichkeit haben, finden wir großzügige Regelungen wie Freistellungen und Schichtverschiebungen.

Wird das Rathaus geschlossen?

Ja. Wir werden das Rathaus ab Dienstag gebäudlich schließen, so wie wir alle Einrichtungen schließen, die städtisch sind. Das haben wir schon vergangene Woche stufenweise begonnen, mit der Bibliothek, dem Schwimmbad, den Turnhallen, jetzt auch mit den Kinderspielplätzen; eben Einrichtungen, die nicht unabdingbar notwendig sind.

Gab es Widerstände, verärgerte Bürger?

Nein. Da muss ich wirklich alle loben, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genauso wie die Bürgerinnen und Bürger. Dass es auch Leute gibt, die sagen, das ist alles übertrieben - okay. Wir orientieren uns aber an dem, was uns die Fachleute sagen, was uns medizinisch angeraten ist. Wenn diese Pandemie so gefährlich ist, gibt es jetzt keine Debatte, ob, sondern nur über das Wie.

Geht die Arbeit des Stadtrats und seiner Ausschüsse weiter?

Das organisieren wir jetzt gerade. Den Bauausschuss am Dienstag werde ich abhalten, mit notwendigen Abstandsmaßnahmen. Im Bauausschuss sind ja nur zehn Leute, die kann ich auf die dreißig Sitze verteilen. Beim Stadtrat überlege ich das noch. Das Problem hat der Bundestag im Grunde auch. Wir können jetzt ja nicht diese Beschlussgremien völlig außer Kraft setzen.

Wissen Sie, wie die Lage bei den Partnerkommunen, dem österreichischen Nickelsdorf und dem französischen Chamalières ist?

Ja, ich habe ein sehr langes Telefonat mit meinem Kollegen Gerhard Zapfl gehabt. Österreich und Bayern stehen ja in einem engen Austausch, das hat der Ministerpräsident heute gesagt. Das gilt auch für Geretsried und Nickelsdorf, und das pflegen wir.

Die österreichischen Maßnahmen sind noch ein bisschen straffer.

Ja, die sind uns zwei, drei Tage voraus. Ich muss auch ehrlich zugeben, dass ich vieles, was ich jetzt hier organisiere, mir als Anregung aus Nickelsdorf hole. Es macht ja keinen Sinn, das Rad neu zu erfinden. Wie wir das zum Beispiel machen, wenn Bürger Anliegen haben, aber nicht ins Rathaus können, habe ich mit dem Kollegen in Nickelsdorf ausgetauscht.

Und wie machen Sie es?

Sie wenden sich über Telefon oder E-Mail an die Verwaltung, um Ihr Anliegen vorzubringen. Nach Wichtigkeit und Notwendigkeit wird es erledigt oder man entscheidet, dass man es zu einem anderen Zeitpunkt oder in anderer Form erledigt. Da sind wir gerade dabei, das hier durchzuorganisieren.

Und Kontakte werden vermieden?

Ja, man muss aber auch sagen, hundertprozentige Kontaktvermeidung - das ist in Nickelsdorf das gleiche - wird es nicht, kann es nicht geben. Es geht immer darum, Ansteckungsrisiken zu minimieren und möglichst die Kontakte runterzufahren. Wir denken, dass wir das mit diesen Maßnahmen auch schaffen werden. Österreich zeigt uns, dass es funktioniert.

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