Sie ist gerade mal 21, zierlich - und nimmt es mühelos mit einem Orchester auf: Vivi Vassileva zählt zu den besten Schlagzeugerinnen Deutschlands. Am Samstag, 20. Februar, gibt die vielfach ausgezeichnete Musikerin in der Reihe "Klassik pur im Isartal" ein Solo-Konzert in der Loisachhalle. Kritiker loben ihre poetische Spielweise.
SZ: Poesie und Schlagzeug - wie geht das zusammen?
Vivi Vassileva: Genau das will ich ja zeigen: Dass Schlagwerk nicht nur schnell und laut sein kann, sondern dass man auf der Marimba oder dem Vibrafon genauso warme, melodiöse und auch romantische Musik machen kann wie zum Beispiel auf einer Geige.
Als kleines Mädchen, hätten Sie da nicht lieber Geige gelernt?
Das habe ich! Ich bin in einer Musikerfamilie mit drei älteren Geschwistern aufgewachsen, die alle Geige spielen. Wenn ich über den Hausaufgaben saß, hat meine Schwester nebenan das Violinkonzert von Tschaikowski geübt. Ich wollte natürlich auch Geige lernen und mein Vater hat mich unterrichtet, aber ich war nicht wirklich motiviert. Beim Schlagzeug war das von Anfang an ganz anders.
Wie haben Sie zueinander gefunden?
Meine Eltern stammen aus Bulgarien und haben ein Haus am Schwarzen Meer. In der Nähe dort gibt es einen wilden Strand, zu dem keine Touristen kommen, aber viele Leute, die Handtrommeln spielen. Ich war acht Jahre alt und total neugierig. Ein paar Leute haben mir gezeigt, wie das geht. So hat mein Schlagzeugunterricht begonnen.
Klingt fast zu schön, um wahr zu sein.
Ich weiß. Ich fahre noch immer jeden Sommer an diesen Strand. Dann nehme ich eine Djembe oder eine Darbuka mit - oder trommle einfach auf Flaschen und Kanistern, die herumliegen. Das ist ganz wichtig für mich.
Und nach diesem ersten Stranderlebnis haben sie die Geige weggepackt und sich ans Schlagzeug gesetzt?
Nein, ich musste meinen Vater ein Jahr lang anflehen, dass er mich zum Unterricht schickte. Er wollte ganz sichergehen, dass ich es ernst meinte. Und ich meinte es ernst. Dann hatte ich das Glück, Claudio Estay als Lehrer zu bekommen. Er hat mir die südamerikanische Musik nahegebracht, die für uns Schlagzeuger ganz wichtig ist, aber zugleich hat er mich auch schon in die klassische Literatur eingeführt, die dann später mit meinem jetzigen Lehrer Peter Sadlo in den Mittelpunkt rückte.
Klassische Schlagzeugliteratur - beschränkt die sich nicht auf ein paar Paukenschläge?
Keineswegs! Zumindest nicht, wenn man Klassik weiter als Mozart und Beethoven fasst. Spätestens seit Mahler kommt dem Schlagwerk eine wachsende Bedeutung zu: Becken, Trommeln, Xylofon, das alles ist aus der Orchestermusik nicht mehr wegzudenken.
Aber die Literatur ist noch immer vergleichsweise rar.
Das stimmt. Die großartigsten Komponisten haben nichts für uns schreiben können, weil es unsere Instrumente damals noch nicht gab. Die Marimba über fünf Oktaven, zum Beispiel, die ist gerade mal 20, 30 Jahre alt. Dafür ist das Schlagzeug nun das Instrument des Jahrhunderts: In allen modernen Kompositionen, ob es Opern sind oder Orchesterkonzerte, in allen Werken spielt das Schlagzeug eine ganz große Rolle. Vom Glockenspiel bis zum Gong kommt alles zum Einsatz, was zu haben ist. Jedes Jahr entstehen 200, 300 neue Werke. Die meisten Werke aus meinem Repertoire stammen von jetzt lebenden Komponisten und sind in enger Absprache mit Schlagzeugern entstanden. Wir sind Pioniere. Wir denken anders, wir erforschen Klangmöglichkeiten, wir kombinieren.
Es wäre also unsinnig, Sie nach Ihrem Lieblingsinstrument zu fragen.
Es wäre paradox, wenn ich eines hätte. Das Faszinierende ist ja die Vielfalt.
Welche Instrumente bringen Sie nach Wolfratshausen mit?
Eine Marimba und ein Vibrafon, diverse Trommeln und eine so genannte Junk-Percussion - Pfannen, Töpfe, alles, was man so in der Küche hat.
Und damit bestreiten Sie allein ein ganzes Konzert?
Ja, das Programm ist sehr abwechslungsreich. Ich spiele etwas Jazziges und französische Musik, aber auch ein Werk aus dem 17. Jahrhundert. Eine Komposition, "Marimba Moksha", hat ein Freund für mich geschrieben: Oriol Cruixent aus Barcelona, er kennt mich sehr gut, weiß genau, wie ich empfinde und was ich kann.
Woran denken Sie, wenn Sie spielen?
Bestenfalls nicht an die Noten. An Gerüche, Bilder, Emotionen, an das, was ich mit der Musik erzählen will. Aber man muss schon immer sehr konzentriert sein.
Woher nehmen Sie Ihr Selbstbewusstsein?
Ich weiß nicht, ob das Selbstbewusstsein ist. Die Liebe zu dieser Musik und diesen Instrumenten gibt mir alle Energie, die ich brauche. Ich will nur das machen, was ich mache, und ich merke, dass ich damit andere Menschen glücklich machen kann. Was kann es Besseres geben?
Samstag, 20. Februar, 20 Uhr, Loisachhalle, Wolfratshausen, Karten zu 24 Euro über München Ticket und an der Abendkasse