Süddeutsche Zeitung

Interview mit Elke Zehetner:"Ich bin eine verantwortungsbewusste Chefin"

Nach ihrem unglücklichen Auftritt bei der SZ-Podiumsdiskussion verteidigt Penzbergs Bürgermeisterin ihre Personalpolitik - und setzt zum Gegenangriff an.

Von Alexandra Vecchiato und Florian Zick, Penzberg

Bei der SZ-Podiumsdiskussion mit den Bürgermeisterkandidaten in Penzberg hat sich Bürgermeisterin Elke Zehetner (SPD) abfällig über einen Teil ihrer Mitarbeiter geäußert. Seitdem ist in der Stadt die Personalpolitik im Rathaus das Gesprächsthema schlechthin. Im Interview mit der SZ versucht sich Zehetner zu erklären - und zieht eine persönliche Bilanz der vergangenen sechs Regierungsjahre im Rathaus.

SZ: Frau Zehetner, Sie haben nach der SZ-Podiumsdiskussion an die gesamte Belegschaft eine Mail verschickt - und das gleich noch am vergangenen Sonntag. Hatten Sie das Gefühl, sich erklären zu müssen?

Elke Zehetner: Ja, ich war nach der Berichterstattung, und vor allem nach dem Kommentar, einfach entsetzt. Ich bin eine verantwortungsbewusste Chefin, deswegen habe ich natürlich zu allererst an meine Mitarbeiter gedacht. Deswegen habe ich überlegt, wie ich das wieder geraderücken kann, was da Diskreditierendes über mich geschrieben wurde. Viele Leute haben mir auch gesagt: Sie haben doch überhaupt gar nichts geäußert, was nicht in jedem anderen Betrieb auch gelten würde.

Naja, Sie haben auf der Bühne Teile Ihrer Mitarbeiter indirekt mit Fußballern verglichen, die den Ball nicht treffen.

Mit dem Fußballvergleich wollte ich nur darstellen, dass ein Trainer manchmal auch unangenehme Entscheidungen treffen muss und vielleicht gerade deswegen ein guter Trainer ist. Aber Personalangelegenheiten sind Interna, die bringen Penzberg nicht weiter. Ich bin deshalb auch nicht bereit, meine Personalpolitik nach außen zu rechtfertigen.

In Penzberg scheint die Personalpolitik im Rathaus aber durchaus Thema zu sein. Auf die Frage, was sie an ihrem ersten Arbeitstag tun würden, haben alle anderen Kandidaten unisono gesagt, sie würden von Anfang an versuchen, ein gutes Miteinander herzustellen. Da schwingt ja die Unterstellung mit, dass dies momentan nicht so ist.

Als ich am 2. Mai 2014 im Rathaus angefangen habe: Was habe ich da als Erstes gemacht? Ich habe mich natürlich mit meinen Mitarbeitern zusammengesetzt, um jeden einzelnen kennenzulernen. Das macht doch jeder, das ist eine Selbstverständlichkeit für jeden neuen Chef. Und ich bin sehr froh, dass mir die Bürger vor sechs Jahren das Vertrauen geschenkt haben, ich jetzt Bürgermeisterin bin - und ich würde es auch gerne bleiben.

Sie haben von einem "situativen Führungsstil" gesprochen, den Sie pflegen. Wie definieren Sie das?

Situativ heißt immer, auf die Situation einzugehen, in der man gerade aufeinandertrifft. Das muss auch so sein. Vergangenes Jahr zum Beispiel, da haben wir Festjahr gehabt, 100 Jahre Stadterhebung. Für den Bürger sah das so aus, als hätten wir nur gefeiert, gefeiert, gefeiert. Für die Stadtverwaltung bedeutete das aber Arbeit, Arbeit, Arbeit. Solche Bestleistungen hätten wir nicht zustande gebracht, wenn wir nicht wirklich alle zusammengehalten hätten. Deswegen frage ich mich, wieso andere die Einschätzung abgeben, ich hätte ein Problem mit meinen Mitarbeitern.

Wie erklären Sie sich denn die starke Kritik an Ihrem Führungsstil?

Wer übt denn da Kritik? Das sind doch nur Markus Bocksberger, Armin Jabs und Kerstin Engel - die kandidieren alle gegen mich. Von denen möchte ich aber auch wirklich erst einmal hören, woran sie ihre Kritik festmachen.

Was schätzen Sie?

Ich frage mich wirklich: Sitzen die jeden Tag bei meinen Mitarbeitern im Zimmer und schauen, was die so machen? Woher nehmen sie ihre Erkenntnisse? Ich kann nur sagen: Meine Ansprechpartner sind meine Kollegen. Die wissen, dass man bei offener Tür jederzeit zu mir reinkommen kann. Ich fordere konstruktive Kritik auch immer wieder ein. Die Mitarbeiter können mir jederzeit offen sagen, wenn wir etwas anders machen sollen.

Irritationen hat es aber schon gegeben, als der Personalrat im Juli 2018 geschlossen zurückgetreten ist.

Das stimmt so nicht. Ein Personalrat braucht eine Mindeststärke. Und diese Mindeststärke ist unterschritten worden. Dadurch existierte das Personalratsgremium nicht mehr. Gleichwohl haben wir im Rathaus immer noch eine lebendige Personalvertretung. Es gab in diesem Rathaus keine einzige Stunde ohne Personalvertretung.

Es gibt eine Mitarbeiter-Umfrage. Drei von Ihren Gegenkandidaten fordern nun die Offenlegung der Ergebnisse. Wird das passieren?

Diese Umfrage ist schon zwei Jahre alt. Hintergrund war ein betriebliches Gesundheitsmanagement. Mitarbeiterbefragungen sind aber eine interne Angelegenheit. Das kann man nicht einfach so in die Öffentlichkeit tragen, aber es wird geprüft.

Sie haben vor etwa vier Jahren die Verwaltung neu strukturiert. Was hat das gebracht?

Sehr viel. Zwei Jahre lang habe ich mir alle Verwaltungsabläufe angeschaut - was in dieser Stadt gut läuft, was nicht so gut läuft. 2016 haben wir dann umorganisiert. Wir haben zum Beispiel ein Familienbüro gegründet, das ist im Rathaus unten im Erdgeschoss angesiedelt. Dazu ein Büro für Energie und Umwelt, das gab es davor auch nicht. Und auch sonst sind jetzt alle Aufgaben denjenigen Abteilungen zugeordnet, wo sie am besten hinpassen, für den Friedhof zum Beispiel ist jetzt das Ordnungsamt zuständig. Seit dieser Umstrukturierung sind vier Jahre vergangen. Heute redet keiner mehr darüber, das ist ein gutes Zeichen.

Ist diese Umorganisation Ihre größte Errungenschaft in den vergangenen sechs Jahren? Oder was würden Sie als größten Erfolg bezeichnen?

Ich freue mich, dass wir jetzt "Hannis Eismärchen" haben, da sieht man, wie man Leute zusammenbringen kann. Wir haben ein neues Schwimmbad geplant. Darauf können wir sehr stolz sein. Es gibt Kommunen, die schließen ihr Schwimmbad, wir bauen eines. Wir sind auf dem Weg, eine neue Musikschule zu bauen, wir haben eine Stadthalle für zehn Millionen Euro auf den Weg gebracht. Wir haben ein Museum gebaut, viele Wohnungen auf den Weg gebracht. In den sechs Jahren ist in allen Bereichen viel passiert.

Fertig geworden ist in den vergangenen sechs Jahren aber keine einzige neue Wohnung.

Das stimmt. Aber Wohnungen muss man auch erst einmal bauen. Ich war am Dienstag bei der Wohnbau Weilheim. Die Gustavstraße 5 wird am 1. März bezogen, 23 neue Wohnungen. Bei der Mathias-Flurl-Straße sind es auch 23 neue Wohnungen, die werden wohl noch im Februar zur Verfügung gestellt. Auf den Weg gebracht sind aber noch viele mehr, alleine 175 in der Birkenstraße. Aber bei Wohnungen ist es eben nicht so: Heute plane ich sie, morgen habe ich sie.

Das sind also die guten Dinge in Ihrer Bilanz. Aber es hat ja zwischendrin auch mal geholpert.

Was hat da geholpert?

Wenn wir nur mal an die Leserbrief-Affäre denken. Da gab es 2018 einen Bürgerdialog zu einem geplanten Hotelprojekt. Und weil es bei den Bürgern Murren gab, hat der von der Stadt beauftragte Moderator im Nachgang dann in Ihrem Auftrag einen Leserbrief verfasst. Da gab es dann schon Zweifel an der Neutralität des Verfahrens.

Ich beantworte das gerne. Aber auch da wieder die Frage: Was bringt das Penzberg weiter?

Es geht nicht darum, ob das Penzberg weiterbringt. Es geht um einen Umgangsstil mit den Bürgern. Sie haben dann ja in SPD-Kreisen auch noch jemanden gesucht, in dessen Namen man den Leserbrief veröffentlichen könnte.

In dem Brief standen nur Fakten drin, es war keine Wertung enthalten, nicht einmal eine Färbung. Und wer sich immer richtig verhält, der werfe den ersten Stein. Das war eine aufgeheizte Situation, in welcher der Moderator nur eines gemacht hat: Er hat die Sache richtiggestellt. Und dann haben wir eben einen Weg gesucht, wie wir die Fakten noch einmal in die Zeitung bekommen. Ich habe also nichts weiter gemacht, als einen Text aufsetzen zu lassen, den wir dann angeboten haben: Bist du auch dieser Meinung? Dann können wir den Leserbrief doch in deinem Namen veröffentlichen. Bei der Zeitung bekommt man ja viele Leserbriefe. Glauben Sie, dass die Unterzeichner die alle selbst geschrieben haben?

Davon gehen wir fest aus.

Also, ich kann nur sagen: Ich mache meine Arbeit hier nach bestem Wissen und Gewissen.

War dieser Leserbrief eigentlich noch Teil des Moderationspakets? Hat die Stadt diesen also noch mitbezahlt?

Das weiß ich nicht. Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann.

Sind Sie sonst zufrieden mit den vergangenen fast sechs Jahren?

Wir haben gute Arbeit mit der Stadtverwaltung gemacht. Haben viel auf den Weg gebracht - und jetzt wollen wir viel weiterbewegen. Dass wir zum Beispiel jetzt eine Ampel mit Bergarbeiter-Männchen haben, ist vielleicht nur eine Kleinigkeit. Aber bis man dafür die Genehmigung bekommt, ist viel Hintergrundarbeit nötig. Wir haben für unser Metropol-Kino über eine Million Fördergeld bekommen, da muss man auch erst einmal wissen, wie man diese Fördertöpfe anzapft, da braucht man ein starkes Team im Hintergrund. Und deswegen haben wir eine so erfolgreiche Arbeit gemacht, die ich mir nur ungern schlecht reden lassen möchte. Penzberg geht es sehr gut, wir sind stolz auf diese Stadt, auch auf den Zuzug mit jetzt 94 Nationen, den wir hier haben. Penzberg ist eine Bergarbeiterstadt, insofern waren hier schon immer viele Menschen unterschiedlicher Herkunft vertreten.

Stört es Sie, dass am Ende dieser sechs Jahre nun die Personalpolitik so im Vordergrund steht?

Für mich steht die Personalpolitik immer im Vordergrund, aber nicht in dieser Diskussion nach außen. Dort ist dies nicht mein Thema. Ich komme mit meinen Mitarbeitern gut aus. Von den tiefen Gräben, von denen nun zu lesen ist - von denen weiß ich nichts.

Wenn Sie Selbstkritik üben würden, wie würde die aussehen?

Verbessern kann man sich immer. Ich würde gerne viel mehr Zeit mit meinen Leuten haben - und viel mehr Zeit mit den Kollegen im Stadtrat. Wir haben unendlich viel Gutes geschafft, aber es bleibt manchmal einfach zu wenig Zeit. Ich lobe, wo ich kann, versuche, für jeden ein gutes Wort zu haben. Aber manchmal sieht man sich nur kurz auf der Treppe - und schon muss ich auch wieder weg. Ich kann eben schlecht Nein zu Dingen sagen, und wer schlecht Nein sagen kann, hat viel Arbeit.

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Quelle:
SZ vom 25.01.2020
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