Süddeutsche Zeitung

Interview:"Die guten Geschichten erzählen"

Lesezeit: 3 min

Benedikt Fuhrmanns Projekt "Ein Blick Iran" ist scheinbar gänzlich unpolitisch. Dabei versteht der Tölzer Filmemacher die Schau als zwischenmenschliches Übungsfeld

Interview von Stephanie Schwaderer

Vor knapp einem Jahr sind der Tölzer Filmemacher Benedikt Fuhrmann und seine Frau Corinna zu einer Weltreise aufgebrochen. Nun meldet sich der 38-Jährige unerwartet früh zurück. In seiner Heimatstadt präsentiert er von diesem Donnerstag an eine multimediale Schau, die vor drei Jahren in München Premiere hatte und seither in Hamburg, Teheran und Calgary (Kanada) Station gemacht hat: "Ein Blick Iran".

SZ: Sollten Sie nicht auf Weltreise sein?

Benedikt Fuhrmann: Das stimmt. Zuletzt waren wir in Afrika unterwegs. Dann hat sich der Tod meines Schwiegervaters abgezeichnet und wir haben uns auf den Heimweg gemacht. Eine gute Entscheidung. Wir konnten uns noch in Ruhe verabschieden. Während der Reise haben wir uns Zeit gegeben, in uns gehört, was es ist, was wir in unserem Leben bewirken möchten.

Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Ich hatte das Glück, immer viel zu reisen. Nun bietet sich mir die Möglichkeit, meiner Heimat etwas von diesem Privileg zurückzugeben. Das Iran-Projekt hat mir große Freude bereitet und ist aktueller denn je - in Bad Tölz wie überall in Deutschland sind wir durch eine hohe Zuwanderung gefordert. Die Kernaussage von "Ein Blick Iran" lautet: Da leben Menschen! Das gilt für den Iran wie für alle anderen Länder, aus denen Flüchtlinge zu uns kommen. In all diesen Ländern gibt es wunderbare Dinge, von denen diese Menschen auch etwas mit zu uns bringen. Wir sollten uns trauen, uns dafür zu öffnen.

Finden Sie es legitim, allein die pittoresken Seiten eines Landes zu zeigen, in dem die Menschenrechte brutal verletzt werden?

Mein Anliegen ist es, ein Bild zu zeigen, wie es sich mir auf meiner Reise offenbart hat - überraschend und faszinierend, ein Bild jenseits der Medienkulisse und der gängigen Klischees. Ich zeige , was ich gesehen und erlebt habe: Anmutige, unglaublich gastfreundliche Menschen, wunderschöne Frauen, eine phantastische Musik, Landschaften, wie man sie vielleicht aus Oberbayern kennt, aber nie in Iran vermuten würde.

Hätten Sie diese Reise auch gemacht, wenn Sie schwul wären? Auf Homosexualität steht im Iran die Todesstrafe.

Ich bin nicht schwul, doch habe ich in Iran Schwule und Lesben getroffen, die ihre Sexualität offen leben konnten. Umgekehrt gibt es dort auch Einzelschicksale, die von den Medien dankbar aufgegriffen und in kürzester Zeit weltweit gestreut werden. Deshalb bin ich extrem vorsichtig in dem, was ich kommuniziere. Ich habe mich dafür entschieden, die guten Geschichten zu erzählen. Weil sie es sind, die uns einander näherbringen und damit ein Miteinander erst möglich machen.

Wie reagieren iranische Gäste auf Ihre Schau?

Da gibt es zwei Gruppen. Diejenigen, die aus ihrem Heimatland geflohen sind, tun sich schwer, ihr Herz wieder für das Land zu öffnen. Das ist verständlich. Andere, die schon länger hier leben und eine gesunde Beziehung zu ihrer Heimat haben, sind glücklich und dankbar, dass ein Deutscher die Schönheit ihres Landes zeigt.

Wie lautet Ihre Botschaft?

In jedem Land leben Menschen. Das mag in manchen Ohren naiv klingen. Für mich ist es eine wesentliche Erfahrung, wie ich sie auch jetzt in Tölz mache, wenn ich zum Beispiel am Jodquellenhof mit meinem katastrophalen Arabisch und ein paar Brocken Persisch und Französisch versuche, mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Manchmal öffnet sich unerwartet schnell ein gemeinsamer Raum, in dem man sich tatsächlich begegnet. Eine Kunstausstellung wie "Ein Blick Iran" schafft Räume für neue Politik, die wir dringend brauchen und bietet ein Übungsfeld an, in dem wir vorurteilsfrei begegnen können. Meist wird in der Politik eher über Probleme und Herausforderungen gesprochen, aber nur selten erlebt man Ideen und Ansätze für Lösungen. Es fehlen Räume für Begegnungen. Gesprächsbedarf gibt es allemal.

Wie zeigt sich das für Sie in Tölz?

Schon die Vorbereitungen im Kunstraum meines Freundes Christian Stadlbacher haben bei den Nachbarn Neugier geweckt. Nebenan arbeitet ein Syrer, ein Goldschmied. Er macht Falafel für die Vernissage. Ein Türke backt frisches Fladenbrot für unsere Nomadenessen. Diese Leute freuen sich, dass es einmal nicht um Politik, sondern um die schönen Dinge im Leben geht. Zudem habe ich Kontakt zu verschiedenen Helferkreisen aufgenommen. Aus der aktuellen Ausstellung soll sich eine weitere ergeben: Ich werde Flüchtlinge in der Region porträtieren.

Wie lange wollen Sie denn in Tölz bleiben?

Wenn es kalt wird, sind wir wieder unterwegs.

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SZ vom 27.08.2015
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