Süddeutsche Zeitung

Internet:Konkurrenz um Glasfaser in Icking

Während die Gemeinde für viele Millionen ein eigenes Netz baut, will die Telekom nun doch das Angebot im Ort verbessern. Kunden sind verunsichert.

Von Claudia Koestler

Es erinnert ein wenig an die Geschichte von David gegen Goliath, nur spielt diese Version im digitalen Zeitalter. Der Weltkonzern Telekom grätscht der kleinen Isartal-Gemeinde Icking beim Ausbau des kommunalen Glasfasernetzes dazwischen - indem er dort nun doch seine eigenen Leitungen ausbaut und dies offensiv in der Gemeinde bewirbt.

Wie in vielen ländlichen Kommunen war das Internet in Icking jahrelang nicht an Bedarf und Möglichkeiten angepasst. Unternehmer und Selbständige klagten über quälend langsame Datenübertragungen, Privatmenschen kannten Streamings nur aus Urlauben oder Erzählungen. Doch die Telekom konzentrierte sich beim Ausbau des Breitbandnetzeslange auf die Versorgung in den Ballungszentren.

Eine Markterkundung hatte laut Gemeinderat Georg Linsinger ergeben, dass die Telekom lediglich an einem Ausbau in sogenannten Kumulationsgebieten Ickings interessiert war. Bewohner und Firmen in den kleineren Ortsteilen wären leer ausgegangen.

In der Folge nahm die Gemeinde die Sache selbst in die Hand: Als erste Kommune in Bayern baut Icking ein eigenes, kommunales Glasfasernetz auf, das anschließend an den wirtschaftlichsten Betreiber, im konkreten Fall Vodafone, verpachtet wurde. Dadurch sollten die Bürger einen superschnellen und zukunftsfähigen Anschluss ans Internet erhalten.

Im Gegensatz zu vielen anderen Breitband-Projekten im ländlichen Raum werden die Glasfaserleitungen dort nicht nur bis zum Kabelverzweiger am Straßenrand reichen, sondern bis in jedes einzelne Gebäude hinein verlegt. Ohne bremsenden Kupferdraht, der Daten nur als elektrische Impulse und damit begrenzt übermitteln kann, ermöglicht die Übertragung per Glasfaser eine Versorgung jedes Haushalts mit Bandbreiten von 200 Megabit pro Sekunde, in Zukunft sogar bis zu 400.

Rund 6,6 Millionen Euro investiert die Gemeinde dafür. 945 Ickinger beteiligen sich bislang am Bürgerprojekt Breitband, im Oktober des vergangenen Jahres war Spatenstich. Inzwischen sind einzelne Häuser in Dorfen und Irschenhausen bereits angeschlossen, für die Mehrheit werden die Bauarbeiten noch bis Ende dieses Jahres oder bis Ende 2018 dauern.

Dieses Zeitfenster will nun die Telekom für sich nutzen: "Trotz des Angebots unseres Bürgerprojektes Glasfaser Icking hat die Firma Telekom entschieden, das Glasfaserangebot in Icking zu verbessern, indem zusätzliche Multifunktionsgehäuse an der Ecke Ulrichstraße/Wadlhauser Straße und an der Ecke Ichoring/Ludwig-Dürr-Straße aufgestellt werden", teilte Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) jüngst mit. Nach dem Telekommunikationsgesetz seien Gemeinden verpflichtet, den dafür notwendigen Grund zur Verfügung zu stellen. Für weitere Nachfragen verweist Menrad auf Linsinger, der das kommunale Glasfaserprojekt initiiert und maßgeblich dafür geworben hat.

Ihm stößt das nachträgliche Engagement der Telekom sauer auf. "Ich finde es unfair, wenn man weiß, dass eine Kommune viel Geld ausgibt für ein wirklich gutes Netz, und dann kommt ein ehemaliger Staatskonzern und fährt einem in die Parade. Noch dazu mit einer technischen Zwischenlösung." Die Telekom könnte technisch sicher gemeindeweit in wenigen Monaten schnelleres Internet anbieten, als sie es bislang tue. Aber deren Form des Ausbaus sei nicht vergleichbar mit Glasfaser bis ans Haus, betont er, vor allem nicht, was die Megabit-Leistung und Zukunftsfähigkeit angehe.

Denn der Telekom'sche Internet-Ausbau fuße auf der bestehenden Infrastruktur und wird Linsinger zufolge für die letzten Meter in die Haushalte weiter die bestehenden, teils bis zu 40 Jahre alten Kupferkabel nutzen, die per sogenannter Vectoring-Technik ertüchtigt werden. So könnten theoretisch maximal bis zu 100 Megabit erreicht werden, laut Linsinger aber "wahrscheinlich wesentlich weniger". Dennoch werbe die Telekom gerade höchst offensiv um Kunden in Icking, respektive versuche, bestehende Kunden zu halten, indem Anschlüsse umgestellt werden, was mit einem neuen Vertrag einhergehe.

Das bestätigt Wolfgang Ramadan, Veranstalter mit Wohnsitz und Arbeitsplatz in der Gemeinde. Ihm war kürzlich ein Schreiben der Telekom zugegangen, in dem es heißt: "Entscheiden Sie sich jetzt für den Anschluss der Zukunft. Ihr Handeln ist erforderlich - sonst müssen wir Ihren jetzigen Anschluss leider bald kündigen." Ramadan kann es als Impresario und Veranstalter jedoch nicht riskieren, ohne Internet und Telefon zu sein. "Ich fühle mich erpresst", sagt er.

Icking erwarte von der Telekom keine Unterstützung für den kommunalen Breitbandausbau, "aber wir wollen auch nicht so offensichtlich torpediert werden", sagt Linsinger. Deren Aktionismus könne zwar das Bürgerprojekt letztlich nicht gefährden, die Teilnehmer seien schließlich vertraglich gebunden. Doch für die wirtschaftliche Kalkulation wären weitere Teilnehmer wünschenswert, um die nun aber eben Mitbewerber buhlen.

Linsinger hätte sich gewünscht, dass der Großkonzern gelassener agiere: "Schließlich müssen sie durch unser Projekt nicht so viel investieren und sie könnten ihre Dienste in zwei Jahren auch über unser Netz anbieten." Das aber wolle der Konzern offenbar nicht. Für eine Stellungnahme dazu war das Unternehmen jedoch nicht erreichbar - weder per Telefon noch Internet.

Derweil reagiert Vodafone auf die Aktionen des Mitbewerbers: Per Post informierte der Anbieter über den aktuellen Stand und die nächsten Schritte. Darüber hinaus gibt es Beratungssprechstunden im Rathaus. Seit einigen Tagen wirbt das Unternehmen zusammen mit der Gemeinde auf einer Plakatwand im Ort um Geduld mit dem Satz: "Willkommen auf der digitalen Überholspur in Icking - demnächst verfügbar".

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Quelle:
SZ vom 08.07.2017
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