Verein Oikos in Schlehdorf:Ein Haus der Bildung und der Lebenskunst

Verein Oikos

Auf einen Kaffee, um voneinander zu lernen und zu profitieren (von links): Anja Kleer, Nelab und Alireza Egbale und Martin Schuster vom Verein "oikos".

(Foto: Manfred Neubauer)

Der Verein "oikos" fördert junge Menschen mit drei Projekten, vor allem aber verbindet er sie.

Von Martin Brjatschak

Als Martin Schuster nach dem Ergebnis des Deutschreferats fragt,ist Alireza ein kleines bisschen enttäuscht. "Ich habe nur eine Drei bekommen", sagt der 16-jährige Asylbewerber aus Afghanistan, der die zehnte Klasse einer Realschule in Gaißach besucht. Martin Schuster hatte ihn bei den Vorbereitungen auf das Referat unterstützt - und tröstet ihn nun nicht nur, sondern spricht ihm zu, schließlich steckt auch hinter dieser Note eine Leistung. So wie Alireza hat Martin Schuster bereits vielen jungen Menschen geholfen. Denn er ist Mitinitiator von "oikos", einem gemeinnützigen Verein mit Sitz in Schlehdorf, der sich der Förderung von integraler Bildung und Ökologie verschrieben hat.

Viele kleine Fähnchen wehen über dem Hof des Vereinshauses. Davor steht eine Kuh - bemalt mit bunten Farben. Sie steht für die Vielfältigkeit der Welt und symbolisiert damit den Grundgedanken des Vereins: freundschaftliche Atmosphäre und ein familiäreres Miteinander. Der Vereinsname stammt aus dem Altgriechischen und umschreibt die Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft in der Antike als Lebensmittelpunkt. Deshalb trägt der Schlehdorfer Verein auch den Zusatz "Haus der Lebenskunst".

Im März 2008 hatten sich Martin Schuster und seine Ehefrau Anja Kleer zusammen mit Freunden dazu entschlossen, den Verein zu gründen, weil Schulabgänger oft Probleme nach der Schule haben. "Für die jungen Leute ist es schwierig, sich im Alltag zu behaupten, sich zurecht zu finden und einen eigenen Weg einzuschlagen", sagt Anja Kleer. Dadurch seien sie oft demotiviert. Deswegen wollte die Gruppe aus fünf Leuten - allesamt aus dem sozial-pädagogischen Umfeld - einen Ort schaffen, an dem solche jungen Menschen Unterstützung erhalten können.

Der heute zehnköpfige Verein finanziert sich über Stiftungen und Spenden und hat seit seiner Gründung drei verschiedene Bildungsprojekte initiiert: Die "oikos-Wohngemeinschaft", die "Weltfamilie" und das "project peace". Martin Schuster und Anja Kleer betreuen die beiden erstgenannten Programme. In der Wohngemeinschaft leben junge Erwachsene zusammen. Derzeit sind es fünf, darunter Musaab Anka. Der 20-jährige Syrer ist seit etwa eineinhalb Jahren in Deutschland. Die WG-Bewohner gehen arbeiten - so hat Mussab beispielsweise ein Praktikum als Altenpfleger gemacht -, leben aber bewusst in Gemeinschaft. Nach Bedarf bietet "oikos" ihnen Beratungen, auch zur beruflichen Orientierung, Meditationen und angeleitete Gruppeninteraktionen. "Wir wollten einen Ort schaffen, an dem junge Menschen das Zusammenleben lernen können", sagt Martin Schuster. "Es wird viel Druck gemacht, man muss im System funktionieren", fügt Anja Kleer an. "Manche kommen seelisch nicht hinterher". In der WG aber können sich die jungen Menschen gegenseitig unterstützen, "die Herausforderungen des modernen Lebens miteinander bewältigen", erklärt Anja Kleer.

Von Beginn an war für beide wichtig, dass in der Wohngemeinschaft nicht nur eine spezielle Gruppe wohne. Es sollten eher verschiedene Menschen in Kontakt miteinander kommen, "Begegnungen erleben" und dadurch lernen. Um diese Idee umsetzen zu können, mussten zunächst Räumlichkeiten gefunden werden: "Wir haben einen Platz gesucht, an dem Verbindungen da sind, an dem man Menschen kennenlernen kann", sagt Martin Schuster. Der Verein wollte sich auch in das örtliche Leben einbringen, Teil davon sein und Menschen zusammenbringen: Begegnungen schaffen also. So kamen die Initiatoren im Herbst 2008 in Kontakt mit den Herrmannsdorfer Landwerkstätten in Glonn. Da sie ähnliche ökologische Ansichten vertraten, konnten sich die Parteien einigen und die Räumlichkeiten mieten. Diese haben sie auch selbst eingerichtet. "Wir wollten möglichst viel selber machen", erklärt Schuster. Darüber hinaus hätten dort viele Jugendliche Praktika gemacht und zum Beispiel Hühner versorgt. Aber auch Wirtschaftsprojekte wie der Betrieb eines Biergartens hätten Platz im Projektalltag gefunden, fügt Anja Kleer hinzu.

Als "oikos" die Herrmannsdorfer Landwerkstätten nach sechs Jahren verlies, ist der Verein in Schlehdorf ansässig geworden - in direkter Nähe zum "project peace", das dort bereits im Kloster Schlehdorf beheimatet war.

Das zweite Projekt "Weltfamilie" hat die nachbarschaftliche Flüchtlingsbetreuung zur Aufgabe. Oft koche man gemeinsam, zum Beispiel afghanische Bolani, das sind gefüllte Teigtaschen. "Musaab macht die weltbesten Falafel", fügt Kleer schmunzelnd hinzu. Dabei treffen und begegnen sich die Beteiligten, tauschen sich aus, erzählen Geschichten und lernen sich kennen, erzählt Anja Kleer. Aber auch die Hilfe für Asylbewerber ist Teil des Projektes. So unterstützen Martin Schuster und seine Ehefrau die Flüchtlinge bei bürokratischen Angelegenheiten oder stehen bei Fragen helfend zur Seite. Für die Kinder aus den Asylheimen, wie etwa Alireza und seine Schwester Nelab, bietet "oikos" eine Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe an. Für Schuster ist das kein Problem, denn er war Schuldirektor und hat mehrere Montessori-Schulen betreut und mit aufgebaut.

Momentan befindet sich "oikos" in einer Umstellungsphase: Das Ehepaar will den Verein nach "außen öffnen", ihn besser vernetzen, erklärt Anja Kleer. Dazu will sie künftig Seminare für junge Erwachsene anbieten. Eine Kooperation mit dem Kino in Kochel ist bereits entstanden. Dabei können sich Interessierte thematisch passende Filme zusammen ansehen und sich austauschen. Die Entwicklung ist das, was "oikos" von herkömmlichen Vereinen unterscheidet: Martin Schuster und Anja Kleer verfolgen kein starres Konzept, viel mehr wächst das Projekt mit der Zeit - wie die jungen Menschen in der WG: Die erste Generation ist nämlich schon ausgezogen. Das ist auch der Grund, wieso keiner der beiden genaueres über die fernere Zukunft sagen kann. Schließlich wolle man vermitteln, dass "das Leben jetzt ist".

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