Inklusion:Ohne Hindernisse in den Bus

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Der Kreis muss den Nahverkehr barrierefrei ausbauen - bislang gibt es fast keine ebenerdigen Haltestellen.

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Städte und Gemeinden werden für die Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgabe tief in die Tasche greifen müssen: Bis zum 1. Januar 2023 muss laut dem Personenbeförderungsgesetz der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) im Freistaat vollständig barrierefrei sein. Es reicht demnach nicht, allein sogenannte Niederflurbusse, die Menschen mit eingeschränkter Mobilität das Einsteigen in das Fahrzeug ermöglichen, einzusetzen, vor allem Bushaltestellen müssen entsprechend umgebaut werden. Am Montag befasste sich der Infrastrukturausschuss des Kreistags mit dem Thema. Das Gremium sprach sich dafür aus, einen Haltestellenkataster für den Kreis zu erstellen. Dafür sind 2017 etwa 30 000 Euro eingeplant. Auch der Umbau der Haltestellen wird nicht billig: Zwischen 20 000 und 30 000 Euro, schätzt Johann Kunz, ÖPNV-Experte am Landratsamt - pro Stopp.

Basis für diese gesetzliche Vorgabe ist die UN-Behindertenrechtskonvention, die eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens vorsieht - Inklusion. Sie führte unter anderem auch zu einer Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes. Umgesetzt werden muss die Vorgabe bis 1. Januar 2022; nur in Bayern gilt eine längere Frist. Dennoch hält Kunz das Vorhaben für ein "hehres Ziel". Busse mit Niederflurtechnik seien größtenteils schon im Einsatz. Dagegen gebe es so gut wie keine barrierefrei umgebaute Bushaltestelle im Landkreis.

Wobei nicht nur Menschen mit Behinderungen in den Genuss der Barrierefreiheit kommen sollen. Ebenso sollen Senioren mit Gehilfen oder Eltern mit Kinderwagen ohne Probleme die Haltestellen erreichen können. Was zugleich bedeutet, dass nicht nur diese umgebaut werden müssen, sondern darüberhinaus die Wege zu den Haltestellen. Das macht den Umbau so teuer. "Da kommt schon ein Batzen Geld zusammen", sagte Kunz in der Sitzung. Bis zu 30 000 Euro zeigten die Erfahrungswerte anderer Kommunen.

Diese Kosten muss der jeweilige Straßenbaulastträger übernehmen, sprich: an Bundesstraßen der Bund, an Staatsstraßen der Freistaat und an Kreisstraßen der Landkreis. Aber auch die Städte und Gemeinden müssen investieren, da viele der Haltestellen innerorts liegen oder an Straßen, für die die jeweilige Kommune zuständig ist. "Auf sie dürften schon immense Kosten zukommen", sagte Kunz. Was FW-Kreisrat Klaus Heilinglechner, der auch Bürgermeister von Wolfratshausen ist, sichtlich nicht behagte - wohl in Hinblick auf die Finanzlage seiner Stadt. "Gilt diese Regelung denn auch für die Stadtbus-Haltestellen?", fragte er nach. Kunz bejahte dies.

In einem ersten Schritt soll nun der Zustand sämtlicher Bushaltestellen im Landkreis erfasst und in einem Kataster zusammengestellt werden. Man wolle ja kein Stückwerk im Landkreis, so der ÖPNV-Experte. Und man müsse sich verständigen, welche Maßnahmen sinnvoll seien. Gemeinsam mit Behindertenvertretern, Fahrgastverbänden, Verkehrsunternehmern und den Straßenbaulastträgern könne dann eine Prioritätenliste erarbeitet werden, sagte Kunz. Denn er denke nicht, dass jeder Stopp irgendwo auf weiter Flur aus- oder umgebaut werden müsse. Aber mit Sicherheit die großen Haltestellen in Wolfratshausen, am Geretsrieder Schulzentrum oder am Isarkai in Bad Tölz.

Johann Kunz mahnte im Ausschuss, diese Vorgabe nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Denn nach dem 1. Januar 2023 hätte jedermann das Recht, die Barrierefreiheit an den Stopps einzuklagen. Schließlich gehe es um EU-Recht. "Und das wird dann so richtig teuer", betonte Kunz.

© SZ vom 07.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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