Infoabend in Bad Heilbrunn:Fast autark und ganz nachhaltig

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Karlheinz Seim berichtet von seinem Energiekonzept zu Hause

Von Petra Schneider, Bad Heilbrunn

Der Wille zum Klimaschutz ist da - das zeigt der große Zulauf bei den Fridays-for-Future-Demos. Aber nicht nur die Politik muss handeln, auch der Einzelne ist gefragt. Wie es gelingen kann, den eigenen Energiebedarf fast vollständig aus erneuerbaren Energien zu decken und dabei mittelfristig sogar Geld zu sparen - das haben Karlheinz Seim und seine Frau erprobt und in die Praxis umgesetzt. Das Ickinger Ehepaar hat sein Haus in den vergangenen Jahren energietechnisch aufgerüstet und die drei Sektoren Energie, Wärme und Mobilität miteinander gekoppelt. Strom liefert eine Photovoltaik-Anlage, Wärme eine KWK-Anlage (Kraft-Wärme-Kopplung), die auch Strom erzeugt. Dieser wird im Haus und für ein Elektroauto verwendet, Überschüsse in einer Batterie gespeichert. Eine Steuerung optimiert das vernetzte System. Seim hat ausgerechnet, dass sich die Mehr- und Investitionskosten der Anlagen nach sechs bis sieben Jahren amortisieren. Auch die CO2-Bilanz hat sich deutlich gebessert: Durch die KWK-Anlage hat sich der Ausstoß um mehr als 45 Prozent reduziert.

Etwa 40 Zuhörer sind am Montag in die Parkvilla in Bad Heilbrunn gekommen, um dem Vortrag von Karlheinz Seim mit Interesse zu folgen und viele Fragen zu stellen. Begonnen habe alles mit der Heizung, die in ihrem Haus - 150 Quadratmeter Wohnfläche, Baujahr Anfang der 90-er Jahre - erneuert werden musste. Wenn man schon viel Geld ausgebe, dann solle es eine möglichst ökologische Lösung sein, waren sich die Seims einig. Mit kleineren Maßnahmen wurde Energie eingespart: LED-Beleuchtung ersetzte herkömmliche Glühlampen, die Rollläden wurden isoliert, die Dachfenster erneuert. Eine komplette energetische Sanierung wollten die Seims aber nicht: Das wäre zu teuer gewesen, außerdem habe ihr Haus eine sehr gute Substanz, erklärten sie.

Im Jahr 2013 wurde auf dem Dach eine PV-Anlage installiert, die knapp 50 Prozent des jährlichen Strombedarfs liefert - obwohl sie mit 20 Quadratmetern PV-Fläche eigentlich eine "sehr kleine Anlage" sei, wie das Ehepaar sagte. Dazu kam eine KWK-Anlage mit Brennstoffzelle, für die Ökogas verwendet wird. Erdgas sei zwar ein fossiler Brennstoff, aber immerhin werde der CO2-Ausstoß von seinem Anbieter durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert. Im kommenden Jahr will Seim von Erdgas auf Biogas umstellen und einen Betreiber suchen, der Grünabfälle verwendet, "aber nicht Mais extra für seine Anlage anpflanzt".

Von der KWK-Anlage mit einem "unerreichten Wirkungsgrad" von 92 Prozent ist er überzeugt. Der große Vorteil sei, dass sie Strom erzeuge, wenn geheizt werde. Also vor allem im Winter - dann, wenn die PV-Anlage auf dem Dach oft witterungsbedingt ausfällt. "Eine ideale Ergänzung", sagte er.

Seit 2014 haben die Seims als Zweitwagen ein Elektroauto, das fast ausschließlich mit selbsterzeugtem Strom geladen wird. Jeden Abend stecken sie das Fahrzeug an der Steckdose der Garage an, ein Energiemanagementsystem steuert den Ladevorgang in der Regel so, dass das Auto genügend Strom für 100 Kilometer hat. "Wenn Sie ein E-Auto zuhause laden, ist alles okay", sagte Karlheinz Seim. Probleme gebe es eher "außer Haus", etwa wenn Ladestationen fehlten oder die Bezahlsysteme unterschiedlich seien. Der Anschaffungswert eines E-Autos sei noch höher als der eines mit Verbrennungsmotors, der Wiederverkaufswert geringer. Aber für 16 000 Kilometer fallen ganze 72 Euro an Stromkosten an, hat Seim ausgerechnet. In den ersten beiden Jahren sei die Umrüstung auf energetische Selbstversorgung "ein Vollzeitjob" gewesen, erinnerte sich Seim. Die aufwendigen Förderanträge, die Diskussionen mit Handwerkern, der Einbau von Zählern - das sei oft zermürbend gewesen, habe sich aber gebessert. "Eine Komplettlösung mit hervorragenden Ergebnissen", nannte er die Sektorenkopplung, die ihm 95 Prozent Autarkie bei Wärme, Strom und Mobilität bringt. Sein Vortrag endete mit einem Appell: "Machen Sie was und warten Sie nicht auf den Staat."

© SZ vom 25.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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