In Schäftlarn:Holz des Anstoßes

In Schäftlarn: Die Holzfassade des ehemaligen Postgebäudes in Ebenhausen, das Andrea Huss saniert hat, behagt den meisten Gemeinderäten nicht. Eine nachträgliche Genehmigung der im Bebauungsplan nicht zulässigen Gestaltung hat das Gremium daher verweigert.

Die Holzfassade des ehemaligen Postgebäudes in Ebenhausen, das Andrea Huss saniert hat, behagt den meisten Gemeinderäten nicht. Eine nachträgliche Genehmigung der im Bebauungsplan nicht zulässigen Gestaltung hat das Gremium daher verweigert.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Architektin Andrea Huss streitet seit Jahren mit Schäftlarn um die Fassade des alten Postgebäudes. Die Bauherrin verteidigt ihre Sanierung - anhand einer Horrorvision, die laut Bebauungsplan gestattet wäre.

Von Marie Heßlinger

Auf der Bildschirmpräsentation ist ein Haus mit einer Holzfassade und Bäumen zu sehen, daneben dasselbe Gebäude, aber mit grauem Beton statt Holzfassade und einer Reihe Mülltonnen davor - es wurde durchgestrichen. Das Haus mit der Holzfassade ist das ehemalige Postgebäude in Ebenhausen in seiner heutigen Form, renoviert von der Architektin Andrea Huss. Das Bild daneben hat sie als mahnendes Modell dafür entworfen, wie das Haus aussehen würde, wenn sie sich an die Vorgaben des Bebauungsplans halten und die aktuelle Fassade abreißen würde. Die Mülltonnen stehen für die Frage, wie es mit den Häusern dahinter weitergehen soll.

Es ist ein bald zehn Jahre alter Streit, der jüngst wieder aufgeflammt ist: In Schäftlarns Ortsteil Ebenhausen hat Architektin Huss 2012 das alte Postgebäude gekauft und renoviert. Mündlich vereinbarte sie damals mit der Gemeinde, das Haus zu erhalten. Doch darüber, was erhalten bedeutet, gehen die Meinungen seitdem auseinander. Huss verpasste dem alten Haus ein graues Ziegeldach mit Photovoltaikanlage, eine Holzfassade und einen Dachvorsprung. Im Bebauungsplan vorgesehen waren aber rote Ziegel und keine Holzfassade. Der Gemeinderat ärgerte sich so sehr über die Verstöße der Architektin, dass er sich kürzlich weigerte, ihre Holzfassade nachträglich anzuerkennen. Huss hat nun die Präsentation entworfen, um ihre Sicht auf die Dinge darzustellen.

"Für mich ist es zwar ein nettes Häusl", sagt die Architektin mit Blick auf das Postgebäude, wie es vor seiner Sanierung aussah. "Aber ein Denkmal ist was anderes." Huss zeigt die Zeichnungen des damaligen Architekten, auf denen die Verlängerungslinien von Fenster und Türen nicht aufeinanderliegen. "Wenn ich als Studentin so einen Entwurf gezeichnet hätte", sagt sie, "wäre ich durch die Prüfung gefallen."

Einige Schäftlarner Gemeinderatsmitglieder aber hätten sich gewünscht, dass das Haus so ursprünglich wie möglich belassen wird. Es war schließlich eines der letzten Gebäude aus jener Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, als der Architekt Robert Vorhoelzer und sein Team vom Baureferat der damals staatlichen Post neue Postämter entwarfen. Die Kommune beantragte Denkmalschutz, der dem Haus von den zuständigen Behörden allerdings nicht gewährt wurde. Die Begründung, laut Gemeinde: Nicht Vorhoelzer selbst, sondern sein Mitarbeiter Hans Schnetzer habe das Gebäude entworfen.

In Schäftlarn: Andrea Huss verteidigt ihre Sanierung.

Andrea Huss verteidigt ihre Sanierung.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die Gemeinderatsmitglieder und Huss einigten sich 2012 trotzdem darauf, das Haus zu erhalten. "Ich habe aber nie gesagt, dass ich es völlig unverändert wie ein Denkmal erhalten kann und will", erklärt die Architektin. Schäftlarns Bürgermeister Christian Fürst (CSU) indes sagt: "Frau Huss hat damals zugesagt, das Gebäude zu erhalten - vor allem auch seinem Charakter nach."

Im Jahr 2013 verabschiedete der Gemeinderat für das Grundstück einen neuen Bebauungsplan. Die Kommune Schäftlarn sei der Bauherrin bezüglich der beiden dahinter liegengenden Gebäude entgegen gekommen, sagt Fürst. "Im hinteren Bereich des Grundstücks kann sie nun dichter bauen." Im Gegenzug hätte sich die Gemeinde gewünscht, dass das Gebäude erhalten bliebe. Huss zeigt eine Auflistung mit Dingen, die sich im neuen Bebauungsplan geändert haben. Die mögliche Baudichte sei zwar nun höher, sagt sie. Dafür aber seien einige Auflagen viel strenger geworden, etwa bezüglich der Bäume, der Dachneigung oder der Wandhöhe. Ihre Botschaft: So großzügig waren die Änderungen seitens der Kommune nicht.

Aus ihrer Sicht hat sich die Architektin bei der Renovierung Mühe gegeben. Sie zeigt Fotos von kaputten Fenstern und Mauern - der Keller nass, die Wände schimmlig. In diesem Zustand hat Huss das Haus damals gekauft. Heute ist es energieeffizient, ordentlich saniert, mit offenem Vorgarten für die Ortsmitte. Bloß sieht es nicht mehr ganz so aus wie das Original. Fürst sagt: "Wie man als studierte Architektin so ein tolles Beispiel der Bayerischen Postbauschule so lieblos umbauen und radikal verändern kann, verstehe ich nicht."

Dass Huss sich nicht an den Bebauungsplan hielt, hat damit zu tun, dass er aus ihrer Sicht missverständlich formuliert und willkürlich ist. Zum Beispiel seien selbst bläuliche Kupferdächer, graue Holzschindeln oder grau-rötliche Betonziegel erlaubt. Auch diese hätten den Charakter des Hauses verändert, sagt sie. Oder die Vorgabe, das kleine Nebengebäude abzureißen und eine Garage dorthin zu bauen.

Holzfassaden seien überall sonst im Ort erlaubt worden, nur bei ihr nicht. Auf ihrem Grundstück sei stattdessen geschlämmter Sichtbeton erlaubt. Ausgerechnet Beton. Huss hat die Fotomontage erstellt, weil der in ihren Augen noch weniger ins Ortsbild passt als Holz. Fürst aber sagt: "Im Bebauungsplan sind Holzfassaden ausgeschlossen. Eine Begründung dazu braucht es nicht."

Dass auf der Simulation auch eine Reihe Mülleimer vor dem Haus zu sehen ist, hat einen anderen Grund: Huss plant hinter dem Postgebäude zwei weitere Häuser. Sie würde zum Beispiel eines der hinteren Gebäude gerne um einen Meter nach vorn versetzen. Dann ließen sich dort unter anderem die Mülltonnen verstecken und ein paar Bäume pflanzen. Doch auch in dem Punkt zeichnen sich Streitigkeiten mit der Gemeinde ab. Huss halte sich schlichtweg an keinerlei Vorgaben, sagt Fürst. "Meiner Meinung nach versucht sie immer alles so zu erreichen, wie sie es möchte."

Ihre Präsentation wollte Huss dem Gemeinderat zeigen, um für Verständnis zu werben - für ihre Sicht als Architektin. Huss schlug einen kurzfristigen Termin vor. Die meisten Gemeinderäte sagten ab. Sie werde sich an das Landratsamt mit der Bitte um Ausnahmen für den hinteren Grundstücksteil wenden, sagt Huss.

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