In Münsing endet eine Ära:Licht aus im Gasthaus Limm

Serie :  Genuss erleben

Am Sonntag hat Inge Limm die Gastwirtschaft zugesperrt. Ein Pächter kam für sie im eigenen Haus nicht in Frage.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Nach dem Tod ihres Manns schließt Ingrid Limm die Traditionswirtschaft wegen anhaltenden Personalmangels. Die Metzgerei läuft jedoch weiter

Von Benjamin Engel, Münsing

Alles im Gasthaus erinnert Inge Limm an ihren vor einem Dreivierteljahr gestorbenen Mann Sebastian. Zur Jahrtausendwende hatten die beiden den für seine Küche bekannten Familienbetrieb samt Metzgerei vom damaligen Seniorchef übernommen. Inge Limm kümmerte sich vor allem um die Büroarbeit. Ihr Mann stand als Koch am Herd. "Das war seine Leidenschaft", sagt Inge Limm. "Er war Koch durch und durch." Nach seinem Tod hat sie versucht, das Gasthaus weiterzubetreiben. Doch am Sonntag hat sie es zugesperrt. Keine leichte Entscheidung. "Das ist, wie wenn ich meinen Mann das zweite Mal beerdige", sagt sie und kämpft mit den Tränen.

Die hauseigene Metzgerei wird weiter geöffnet bleiben. Gasthaus und Metzgerei waren seit jeher eng verwoben. Das Fleisch aus dem Schlachtbetrieb kam frisch auf die Teller der Gäste. Beide Betriebsteile nutzten gemeinsame Wasser- und Stromanschlüsse. Daher war für Inge Limm ein Pächter keine Option. "Das war ein Haus und ein Geschäft", sagt sie. "Da setze ich mir keine Fremden rein." Was wäre gewesen, hätte ein Nachfolger im Gasthaus keine Produkte aus der hauseigenen Metzgerei in seiner Küche haben wollen, fragt sie sich.

Auf frische Zutaten legte Sebastian Limm wert. Das Fleisch für seine Gerichte stammte ausschließlich von Bauern der Umgebung. In seinem Sinn hatte Inge Limm versucht, das Gasthaus weiterzuführen. Doch das machte ihr schlaflose Nächte. Vor dem Krebstod ihres Mannes hatte der Betrieb 20 Mitarbeiter. Zuletzt waren nur noch eine Köchin und eine Hilfskraft in der Küche beschäftigt. Manchmal halfen Köche von früher oder aus benachbarten Wirtshäusern aus. Im Gastraum bedienten noch drei festangestellte Kellnerinnen und drei Aushilfen. Wie Inge Limm schildert, habe sie sich jeden Morgen schon beim Aufwachen gefragt, ob alle Mitarbeiter da wären und gehofft, dass niemand krank sei.

"Die magere Besetzung war kein Dauerzustand", sagt Inge Limm. Stolz sei sie, dass das gesamte Mitarbeiterteam bis zum Schluss alles dafür getan habe, um dem Ruf des Gasthauses gerecht zu werden. Im Januar habe sie nochmals einen Versuch mit einem neuen Koch gewagt. Doch der habe ihren Vorstellungen nicht entsprochen. "Ich habe gemerkt, dass ich mir das nicht mehr antun möchte", sagt Limm. An den Qualitätsansprüchen seien auch die Versuche gescheitert, neues Personal zu gewinnen. Wie Tochter Mona Limm ergänzt, habe ihr Vater immer auf frische Ware gesetzt. Köche, die so arbeiteten, seien mittlerweile aber schwer zu finden.

Die 25-Jährige hat Tourismusmanagement studiert und stand ihrer Mutter im vergangenen Dreivierteljahr zur Seite. Für beide waren obendrein die vielen bürokratischen Vorgaben belastend. Sehr mühsam sei es etwa alleine schon, die Arbeitszeiten der Mitarbeiter zu erfassen. Das habe viel Zeit gekostet, die ihnen dann an anderer Stelle gefehlt habe.

Die Zeiten, als das Lokal jeden Abend voll war, seien lange vorbei. Heutzutage schwankten die Gästezahlen mehr. Die Lage des Gasthauses direkt an der Hauptstraße mit wenigen Plätzen im Freien habe damit nichts zu tun, sagt Inge Limm. Zu Anfang des Sommers habe sie zwar zwei Wochen lang einen Einbruch gespürt. Dann aber seien die Gäste wieder gekommen, weil sie "etwas Gescheites" essen wollten. "Wir hätten mehr Marketing machen müssen", sagt sie. Doch ohne ausreichend Personal wäre das sinnlos gewesen.

Außerdem müsste das Haus dringend saniert werden. 1908 hatte Sebastian Limms Urgroßvater Josef das uralte Bauernhaus gekauft. 1963 gründeten die Eltern Sebastian und Irmengard die Metzgerei. Schnell erarbeitete sich der Betrieb einen guten Ruf. 1986 machte Sebastian junior seinen Metzgermeister und lernte seine Frau kennen.

Tritt der Gast über die Schwelle der Wirtshaustür, kommt er zunächst in den ältesten Hausteil mit der erst zur Jahrtausendwende neu gestalteten Theke. Über eine Stufe geht es in einen Zwischenraum und schließlich in einen Veranstaltungsraum. Dort trafen sich wöchentlich die Mitglieder des Rotary-Clubs Wolfratshausen-Isartal. Bis zu seinem Tod zählte auch Humorist Vicco von Bülow alias Loriot zu den Stammgästen. Links hinten im Eck, direkt beim Herrgottwinkel, habe er gesessen und am liebsten Leberknödel gegessen, erinnert sich die Wirtin.

Für Inge Limm war es in den vergangenen Monaten nur noch belastend, das Gasthaus weiterzuführen. Jetzt fühlt sie sich befreiter. "Ich habe es versucht, aber es geht leider nicht", sagt sie. "Ich merke, dass ich langsam wieder durchschlafen kann."

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