Süddeutsche Zeitung

In der Mittagssonne:Vater vergisst Baby im Auto - Abschleppdienst schlägt Scheibe ein

Der Vater ist mit der Mutter wegen eines Notfalls in die Kreisklinik geeilt. Erst schirmen die Retter das Mädchen vor der Sonne ab, dann sackt es in sich zusammen.

Von Konstantin Kaip

Ein Baby war am Donnerstag in Wolfratshausen etwa eine halbe Stunde lang in einem parkenden Auto in der prallen Mittagssonne eingesperrt - und somit in Lebensgefahr. Um das fünf Monate alte Mädchen zu befreien, haben Polizei, Abschleppdienst und Rettungssanitäter die Autoscheibe eingeschlagen.

Dass das Kind gerettet werden konnte, ist Jörg Propow zu verdanken. Er wollte einen Freund am Moosbauerweg besuchen und stellte sein Auto auf dem Parkplatz an der Kreisklinik ab, direkt neben dem Auto, in dem das Baby zurückgelassen worden war. "Ich habe gesehen, wie es in seiner Babyschale saß, und dann habe ich es schreien gehört", berichtet Propow. Er habe versucht, die Türen zu öffnen, die seien aber verschlossen gewesen. Nach fünf Minuten bei seinem Bekannten habe er nochmals nachgesehen. Als das Kind immer noch im geschlossenen Auto schrie, rief er die Polizei.

"Ich habe den Rettungsdienst im fließenden Verkehr angehalten", erinnert sich Polizeiobermeister Dominik Schmidt, der den Einsatz übernahm. Zudem habe er einen Abschleppdienst geordert: "Die können Autos ohne große Schäden öffnen." Propow und sein Bekannter brachten einen Regenschirm und eine Decke, mit denen die Polizisten und Sanitäter das Auto beschatteten, um den Treibhauseffekt der Feiertagssonne zu mildern.

Als der Abschleppdienst kam, sackte das Baby plötzlich in seinem Kindersitz zusammen. "Es hat abrupt aufgehört zu schreien und die Augen geschlossen", erinnert sich Schmidt. Die Beteiligten entschlossen sich, keine Zeit zu verlieren und sofort zu handeln. Der Mitarbeiter des Abschleppdienstes fackelte nicht lange und schlug die Scheibe mit einem Hammer ein. Dann konnte der Rettungsdienst das Baby aus dem Auto befreien. Wie der Polizist berichtet, stellten die Sanitäter bei dem kleinen Mädchen bereits stark eine erhöhte Körpertemperatur von 39 Grad fest, die sie mit Kühlpacks erfolgreich herunterkühlten. Zudem führten sie dem Säugling Flüssigkeit zu und brachten ihn zur Beobachtung in die Kreisklinik.

Inzwischen war auch der Vater des Kindes wieder am Auto. Der 51-Jährige hatte seine 30-jährige Lebensgefährtin, die Mutter des Kindes, wegen akuter gesundheitlicher Probleme ins Krankenhaus gebracht. Im Stress hatte er das Baby im Auto vergessen. Nach Polizeiangaben war das Kind zwischen 20 und 30 Minuten in dem Auto eingesperrt.

Laut Schmidt hat sich der aufgelöste Vater des Kindes bei den am Einsatz Beteiligten bedankt, dass sie so schnell gehandelt und die Scheibe eingeschlagen haben - obwohl er das Auto von einem Bekannten geliehen hatte. "Ich denke, das war eine Ausnahmesituation", sagt Schmidt in Hinblick auf den medizinischen Notfall der Mutter, der den 51-Jährigen überfordert habe. Propow, der den Parkplatz beim Eintreffen der Rettungskräfte verlassen hatte, erfuhr von den Umständen, als die Polizisten Schirm und Decke seinem Bekannten zurückbrachten. "Ich hatte schon vermutet, dass jemand das Auto panisch verlassen hat", sagt er. Handy und Geldbeutel hätten schließlich noch im Fahrzeug gelegen. Die Polizei hat dennoch bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige gegen den Vater vorgelegt - wegen Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung. Das Baby ist wohlauf, auch der Mutter geht es laut Polizei wieder gut.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3523319
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.05.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.