In der Loisachhalle:Kuhschnackler und Trommelfeuer

Teresa Rizos und Christian Springer bieten beim kabarettistischen Frühschoppen in der Loisachhalle ein anregendes Kontrastprogramm.

Von Wolfgang Schäl

In der Loisachhalle: "Man muss blond sein und darf nicht widersprechen": Teresa Rizos erläutert, welche Voraussetzungen eine volkstümliche Außenmoderatorin beim BR erfüllen muss.

"Man muss blond sein und darf nicht widersprechen": Teresa Rizos erläutert, welche Voraussetzungen eine volkstümliche Außenmoderatorin beim BR erfüllen muss.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Hollerididudldö: Seit Loriot zählt der Diplom-Jodelkurs deutschlandweit zu den anerkanntesten sprachlichen Fortbildungsmaßnahmen, Grund genug für die Kabarettistin und Schauspielerin Teresa Rizos, ihn nach vier Jahrzehnten in einer eigenen, "ganzheitlichen" Version neu zu beleben. Stichwort: "Therapeutisches Jodeln". Das Bairische ist bei ihr zwar etwas domestiziert, was nach fünf Jahren und mehr als 900 Folgen als Hauptdarstellerin in der BR-Telenovela "Dahoam is dahoam" nicht verwundert, stimmlich aber kann sie problemlos einen großen Saal füllen. Zum Beispiel die Wolfratshauser Loisachhalle, wo sie am Sonntag zum kabarettistischen Frühschoppen erwartet wurde.

Rizos absolvierte den ersten Teil einer gemeinsamen Matinee mit Christian Springer. Der Unterschied zwischen beiden könnte größer kaum sein. Hier die zierliche Gestalt mit ihrem geheimnisvoll-harmlosen Passbildlächeln, dort der rhetorisch wuchtige Repräsentant der bayerischen Kabarettszene, der seinen künstlerischen Auftritt nutzt, um für sein Syrien-Hilfsprojekt zu werben.

Was das therapeutisch-ganzheitliche Jodeln und Juchzen betrifft: Das kann unmöglich aus einem asketisch-geschwächten Körper hervorquellen. Als sinnvolle Grundlage für eine Übungseinheit empfiehlt Rizos alias Franzi Riedinger deshalb einen guten Braten, drei Knödel, einen Schlag Rotkraut, danach eine Dampfnudel und drei Weißbier. Solchermaßen vorbereitet kann sich der Jodelschüler dann seiner ersten Lektion widmen: einem speziellen Vorwölben des Bauches, durch das sich indirekt ein "Schnackler" im Kehlkopf generieren lässt, wie ihn wiederkäuende Kühe ausstoßen, ja sogar ein tief vibrierendes Saugrunzen. Die Gäste in der fast vollbesetzten Halle verzichteten zwar auf Braten und Nachtisch, den technischen Anweisungen der Gesangslehrerin folgten sie aber gut gelaunt, einschließlich dem schwierigen Kuhschnackler.

Erklärtermaßen hat sich Riedinger neben ihren Ambitionen als Jodelpädagogin aber auch um eine Ausbildung zur "volkstümlichen Außenmoderatorin beim BR" bemüht. Voraussetzung: "Man muss blond sein und darf nicht widersprechen." Vorbild ist die Moderatorin Uschi Dämmrich und ihre Serie "VIP-Gärten" - Plauderstunden mit blaublütiger Prominenz über Rosenschnitt und Kräuterbeete im Schlosspark. Riedingers Qualifikation beschränkte sich dann allerdings, wie sie bekannte, aufs Blondsein. Allerlei Kurioses fand sich noch ganz nebenher auf ihrer Themenpalette: markante Jugenderinnerungen etwa, ein abgemagertes Christkindl oder eine Zyankali-Kapsel in der Brotzeitdose. "Wir haben Bayern wieder ein Stück schöner gemacht", hauchte Rizos am Ende ins Publikum, glaubhaft, mit zartem Augenaufschlag.

Es folgte ein verbales Trommelfeuer des hochdekorierten Kabarettisten Springer. Er spricht ohne Punkt und Komma, wortgewaltig, gestisch ausladend, streckenweise sarkastisch. Springer nutzt die Bühne, um auf die humanitäre Katastrophe in Syrien aufmerksam zu machen, schildert in seinem Erfahrungsbericht konkrete, beklemmende Notsituationen: Junge Flüchtlinge, die nach der Abschiebung in ihr Heimatland rekrutiert werden und als Soldaten für ein Regime kämpfen müssen, vor dem sie doch geflohen waren. Was Springer vorträgt, ist zum größeren Teil kein amüsantes Kabarett, sondern ernste Realität, wie er sie bei seinen regelmäßigen Besuchen in der Krisenregion erfährt.

Vor diesem Hintergrund appelliert Springer an sein Publikum, mehr Mut zu fassen und für die kostbare Meinungsfreiheit hierzulande einzutreten. Als beklemmendes Beispiel für diesen Anspruch erzählt Springer die Geschichte einer jungen Frau, deren Vater, Bürgermeister einer kleinen schwäbischen Gemeinde, von den Nationalsozialisten wegen Unbotmäßigkeit inhaftiert worden war. Um zu zeigen, dass sie an ihn denke, spielte die Tochter vor der Gefängnismauer regelmäßig Flöte - ein Akt, der größten Mut erforderte. Die junge Frau war Sophie Scholl.

Ganz ohne kabarettistische Seitenhiebe ging es aber doch nicht, zumal sich die Gelegenheit der Abrechnung bot, nach einem Jahr bayerischer Landespolitik mit Ministerpräsident Söder. Und auch mit der Flüchtlingspolitik. Mit Blick auf hier lebende Ausländer stelle sich ein sehr bayerisches Problem: "Mia san mia, aber wer san mia, wenn die andern a mia san?" Der daraus resultierende Ruf nach einer Leitkultur ist für Springer absurd. "Ohne Italiener gäbe es kein bayerisches Barock, der Erstbesteiger der Zugspitze war ein Belgier, und die bayerischen Berge sind nicht von der CSU aufgeschüttet worden."

Überhaupt: Als die Bayern einst ins Voralpenland einmarschierten, hätten sie Urbevölkerung gar nicht lang erobern müssen. "Wir haben die einfach niedergeschnackselt."

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