Kultur in der Loisachhalle:Das Orchester als Star

Im sechsten Abokonzert der Reihe "klassik pur! im isartal" tritt Raphaela Gromes als Solistin auf - und hinter dem Ensemble zurück. Das Programm hat Schwächen, setzt aber auch große Energien frei

Von Sabine Näher, Wolfratshausen

Philharmonische Chöre, also groß besetzte Konzertchöre, sind meist einem Orchester verbandelt. Das bietet beiden den Vorteil, Werke, die Chor und Orchester erfordern, aus den eigenen Reihen besetzen können. Dass solch ein Chor zu Beginn eines sinfonischen Konzerts einen Chorblock a cappella bestreitet, ist unüblich. So fügte sich der Auftritt des Philharmonischen Chors Isartal am Samstagabend im sechsten Abokonzert der Reihe "klassik pur!" in der gut besetzten Loisachhalle auch nicht mit dem weiterem Programm zusammen.

Anton Bruckners "Locus iste", Felix Mendelssohn Bartholdys "Denn er hat seinen Engeln", Giuseppe Verdis "Pater noster" und Josef Gabriel Rheinbergers "Abendlied" sind allesamt Perlen der Chorliteratur, die in einem Sinfoniekonzert aber deplatziert wirken. Hinzu kommt, dass fast keine jungen Sänger in diesem Chor vertreten sind, was sich negativ auf den Klang auswirkt. Das ist keine böswillige Verleumdung, sondern eine physiologische Tatsache. Leider nagt der Zahn der Zeit gerade an Sopranstimmen besonders unbarmherzig, was insbesondere im "Abendlied", das eigentlich ganz romantisch-weichgezeichnet daherkommen muss, negativ auffiel. So litt die eigentlich souveräne Interpretation der Chorsänger unter der Leitung von Johannes Buxbaum unter klanglichen Defiziten. Auch das spräche dafür, den Chor nicht a cappella, sondern eben gemeinsam mit dem Orchester einzusetzen.

Kultur in der Loisachhalle: Das Orchester und der Chor der Philharmonie spielten in der Wolfratshauser Loisachhalle vor ausverkauftem Haus.

Das Orchester und der Chor der Philharmonie spielten in der Wolfratshauser Loisachhalle vor ausverkauftem Haus.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Dieses kam hier erst im zweiten Programmteil zum Einsatz, um die Solistin Raphaela Gromes bei Luigi Boccherinis Cellokonzert Nr. 1 zu begleiten. Gromes' Künstlervita liest sich sehr beeindruckend; sie ist bereits auf vielen renommierten Festivals aufgetreten und kann Größen wie Isabelle van Keulen oder Mischa Maisky zu ihren Kammermusikpartnern zählen. Entsprechend hoch gesteckt waren die Erwartungen. Nach einer etwas schwerfälligen Orchestereinleitung brachte das Cello die schwebende Leichtigkeit in den ersten Satz; hernach wirkte auch das Orchester gelöster. Aber es fehlt ein wenig an Esprit, auch der Kadenz der Solistin. Das folgende Andante offenbarte die Gefahr, die langsame Sätze immer in sich bergen: Es bedarf einer vermehrten Intensität, um hier Spannung aufrecht zu erhalten. Das gelang nur bedingt. Im abschließenden Rondo brauchte es eine Weile, ehe Tempo und Charakter gefunden waren. Solistin und Orchester agierten nicht immer in völliger Übereinstimmung. So wirkte der Finalsatz etwas unorganisch.

Gleichwohl gab es großen Beifall für Gromes, die sich mit einer ungewöhnlichen Zugabe bedankte. Dafür wählt der Solist in der Regel ein kurzes Solostück; die Cellistin spannte allerdings das Orchester mit ein - aber nicht um einen kurzen Satz aus einem Cellokonzert, sondern die Bearbeitung eines Klavierliedes von Johannes Brahms ("Liebestreu") zu spielen. Das wirkte doch etwas befremdlich. Puristen könnten sagen: Das geht gar nicht. So zeigte dieses Konzert, dass nicht unbedingt der Solist zum Star des Abends werden muss, auch wenn dessen Name riesengroß auf Plakaten, Programmzetteln und Eintrittskarten prangt. Hier war es im zweiten Konzertteil mit Antonín Dvoráks Sinfonie Nr. 8 nämlich eindeutig das Orchester. Wie schön, dass sich wer darauf besinnt, dass dieser Komponist vor seiner immer wieder zu hörenden 9. Sinfonie noch acht andere geschrieben hat.

Kultur in der Loisachhalle: Im Mittelpunkt des Konzerts stand die Cellistin Raphaela Gromes (im blauen Kleid). Die Gesamtleitung des Orchesters hatte Christoph Adt inne.

Im Mittelpunkt des Konzerts stand die Cellistin Raphaela Gromes (im blauen Kleid). Die Gesamtleitung des Orchesters hatte Christoph Adt inne.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

So kam hier einmal nicht die "Aus der Neuen Welt", sondern die nach dem ersten Londoner Verleger sogenannte "Englische" zum Einsatz. Von der ersten Note an gelingt es dem Philharmonischen Orchester Isartal unter der Leitung von Christoph Adt Atmosphäre zu zaubern: Zu Beginn eine leicht verhangen melancholische Stimmung, die ein keckes Flötensolo aufbricht und in eine Wallung bringt, die sich in einem aufjubelnden Tutti entlädt. Im Folgenden bleibt es sehr bewegt; ein paar rhythmische Ungenauigkeiten schmälern den positiven Eindruck nicht, denn es gelingt dem Orchester (nicht zuletzt durch schöne Bläsersoli) die dichte Stimmung zu bewahren. Verhaltene Innigkeit zeichnet den zweiten Satz; die tiefen Streicher und das tiefe Blech prägen zunächst die Atmosphäre. Der sprechende, rezitativische Ausdruck schwingt sich zu fulminanter Ekstase auf, die dann in eine verhalten vibrierende Spannung zurückgeht. Durchgängig packend lässt sie den Hörer nicht los. Das Allegretto grazioso kommt in der Tat sehr graziös-anmutig daher und bezaubert mit geradezu tänzerischer Eleganz. Ein herausfordernd vorgetragenes Trompetensolo eröffnet den Finalsatz und bekommt eine begütigend-gediegene Antwort der tiefen Streicher und Bläser. Ein klangprächtiges Tutti setzt große Energien frei, die bei den Zuhörern heftigen Beifall provozieren, in dem sich die aufgestaute Energie entlädt - und damit gleichsam zu den Musikern zurückkehren kann.

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